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04.08.2009
 

Theodor Ickler
Zweieinhalb Pfund für den Ranzen
Duden und Wahrig nehmen es mit den amtlichen Regeln nicht ganz so genau

Nicht allgemeingültig, aber Profit bringend? Duden und Wahrig haben neue Wörterbücher vorgelegt, die mit schierer Masse und neuen Wörtern prunken, aber sich nicht immer an die amtlichen Regeln halten. Bei Groß- und Kleinschreibung herrscht ein kaum noch erklärbares Durcheinander.

Der fünfte Duden innerhalb von dreizehn Jahren Rechtschreibreform kann erstmals nicht mit orthographischen Neuigkeiten aufwarten, da die Reparaturarbeiten des Rates für deutsche Rechtschreibung Anfang 2006 unterbrochen wurden – zwecks „Marktberuhigung“, wie der Vorsitzende Hans Zehetmair sagte. Der Rat diskutiert zwar schon weitere Rückbaumaßnahmen, zum Beispiel die Wiederherstellung der kleinen Anfangsbuchstaben in Wendungen wie „im Allgemeinen“, „des Öfteren“, „heute Abend“. Im Augenblick bleibt dem Dudenverlag aber nur die Möglichkeit, mit neuen Einträgen zu werben, die im Vorwort irreführend als „5000 neu in Gebrauch gekommene Wörter“ bezeichnet werden.

Nur etwa fünf Prozent davon sind wirkliche Neologismen („snowkiten“, „twittern“), der große Rest schöpft aus dem unendlichen Vorrat von orthographisch irrelevanten Zusammensetzungen („Sommermärchen“, „Regenbogenfamilie“, „Sofortrente“) und bisher vergessenen Wörtern („Stockbrot“, „verzocken“). Die weiblichen Personenbezeichnungen („Voltairianerin“, „Ziegelbrennerin“) lassen an der Behauptung der Redaktion zweifeln, die Auswahl der Einträge orientiere sich an einem Textkorpus.

Keine Kennzeichnung reformierter Schreibweisen

Von den wirklich einschneidenden Neuerungen spricht die Duden-Werbung kaum: Erstens ist das amtliche Regelwerk nicht mehr abgedruckt. Zwar verweisen Ziffern noch auf dessen Paragraphen, aber da kaum jemand die Regeln zur Hand haben dürfte, kann man nur noch schwer nachprüfen, ob der Duden die amtliche Vorgabe korrekt umsetzt. Das ist nicht durchweg der Fall. „Bei zusammengesetzten Farbbezeichnungen können die Abtönung einer Farbe (z. B. ein bläuliches Rot) durch Zusammenschreibung (,blaurot‘), das Nebeneinander zweier Farben durch Bindestrichschreibung (ein Kleid in Blau und Rot ist ein ,blau-rotes‘ Kleid) ausgedrückt werden. Diese Unterscheidung hilft, Missverständnisse zu vermeiden, und wird deshalb von uns empfohlen.“ In Wirklichkeit hat die Reform diese Unterscheidungsmöglichkeit ausdrücklich aufgehoben. Eine andere Eigenmächtigkeit betrifft die Getrenntschreibung bei „intransitiven und reflexiven Verben“ – eine Kategorie, die in der amtlichen Regelung nicht vorkommt.

Zweitens ist die rote Markierung der Reformschreibungen ersatzlos weggefallen. Man kann also die bisher üblichen Schreibweisen nicht mehr erschließen. Von ihnen behauptet der Verlag, es gebe sie praktisch nicht mehr. Aber fast alle namhaften Schriftsteller benutzen sie weiterhin. Nur den Schulkindern wird sie notenrelevant als Fehler angestrichen. Der Duden widerspricht sich aber selbst, wenn er die Großschreibung von „Hunderte“, „Tausende“ und „Dutzende“ empfiehlt, „da vor allem die Kleinschreibung von ,Dutzende‘ sehr ungewohnt sein dürfte“. Ungewohnt? Doch nur solange die Menschen noch an die „alte“ Rechtschreibung gewöhnt sind.

„Weit gereist“, aber „weitverbreitet“

Drittens: Bei Varianten werden die dreitausend vom Duden empfohlenen Schreibweisen – wie bisher gelb unterlegt – nun stets an erster Stelle genannt. Auch dies ein Versuch, die Dudenorthographie unter veränderten Bedingungen doch noch durchzusetzen, aber wenn man sich die Empfehlungen näher ansieht, zweifelt man an den Erfolgsaussichten. Es soll geschrieben werden: „Furcht einflößend“, „furchterregend“, „Energie sparend“, „platzsparend“, „Raum sparend“, „zeitsparend“, „Staaten bildend“, „klassenbildend“, „Sporen bildend“, „blutbildend“, „Profit bringend“, „gewinnbringend“, „kaputt machen“, „kaputtsparen“, „nichts ahnend“, „nichtssagend“, „stramm ziehen“, „strammstehen“, „gerade biegen“, „geraderichten“, „lang ziehen“, „hochziehen“, „allgemein verbindlich“, „allgemeingültig“, „weit gereist“, „weitverbreitet“, „hoch dotiert“, „hochdekoriert“, „eine Zeit lang“, „eine Handvoll“. Grammatisch falsche Varianten werden vom Duden weiterhin empfohlen: „das ist nicht Erfolg versprechend“, „das Material ist Hitze abweisend“.

Hier wird die nächste Revision ansetzen. Übrigens hatte der Rechtschreibrat sich auf seiner neunten Sitzung ausdrücklich gegen Empfehlungen nach Art des Duden ausgesprochen.

Wahrig näher am Sprachgebrauch

Der gleichzeitig erschienene neue Wahrig bietet nach wie vor das amtliche Regelwerk, das er insgesamt richtiger interpretiert; er kennzeichnet die reformierten Schreibweisen weiterhin in Blau und hält sich mit Empfehlungen sehr zurück, bleibt auch insgesamt näher am Sprachgebrauch. Auch mit der politischen Korrektheit, also etwa den weiblichen Personenbezeichnungen, übertreibt er es nicht. Als Zugabe enthält er die gemeinsame Hausorthographie der Nachrichtenagenturen. Außerdem ist er preiswerter.

Ein kurioses Versehen im amtlichen Wörterverzeichnis, regelwidrig zusammengeschriebenes „dagewesen“, wird von beiden Werken getreulich reproduziert, aber Duden erfindet noch zwei analoge Fehlschreibungen hinzu: „bekanntgewesen“, „dabeigewesen“. Im Irrtum vereint zeigen sich beide mit zusammengeschriebenem „wieweit“. Die Großschreibung bei „morgen Früh“ wird entgegen der amtlichen Regelung für eine zulässige Variante gehalten.

Den Regeln entgegen

Das Werben mit Neueinträgen ist nicht ohne Risiko, denn es gewöhnt die Käufer daran, sich auf die Suche nach dem Allerneuesten zu machen. Wahrig wirbt listig mit Wörtern, die zufällig nicht im Duden stehen: „Speeddating“, „Whiteboard“, „Exoplanet“, „Kopfnote“. Die „Abwrackprämie“ steht in beiden, das „Flatrate-Bordell“ natürlich noch nicht. Gedruckte Bücher dieser Art sind immer schon veraltet.

Beide Wörterbücher wollen durch Masse beeindrucken (Wahrig 130.000 Einträge, Duden 135.000, das Pons-Wörterbuch gar 140.000) und bleiben doch Antworten schuldig. Wenn ein Schüler zum Beispiel Symfonie schriebe, wäre er im Recht, denn die neuen Regeln lassen es zu, nicht aber die Wörterbücher. Beide unterdrücken – bei Unterschieden im Detail – Trennmöglichkeiten wie „Lust-ration“, „Anal-getikum“, „Urin-stinkt“, die nach den Regeln keineswegs unzulässig sind, auch wenn der Ratsvorsitzende es immer wieder behauptet hat. Gilt die Großschreibung der Tageszeiten auch nach „neulich“ („neulich Abend“)? Wie verbindlich ist jene allerneueste Regel, wonach zu schreiben ist „weil sie ihm ähnlich sieht“, aber „weil es ihm ähnlichsieht“?

Ein dickes Pfund, ein enger Markt

Beide Bände belasten den Schulranzen mit jeweils zweieinhalb Pfund, haben genau 1216 Seiten, sind buchbinderisch nicht auf Haltbarkeit angelegt, werden übrigens auch vom selben Unternehmen hergestellt, nämlich in „Pößneck (Stadt in Thüringen)“ (Duden). In Österreich erscheint unterdessen ein Duden-Schulwörterbuch, das dem Österreichischen Wörterbuch Konkurrenz macht und mit dem Rechtschreibduden fast identisch ist, aber kaum mehr als die Hälfte kostet. Klett hat soeben sein Pons-Rechtschreibwörterbuch zur kostenlosen Nutzung ins Netz gestellt und will seine Produkte nach dem Wiki-Prinzip von den Nutzern selbst weiterentwickeln lassen.

Der Markt für gedruckte Rechtschreibbücher bewegt sich, zugleich wird er wegen der elektronischen Hilfsmittel immer enger. Seit der Dudenverlag vom Schulbuchriesen Cornelsen erworben wurde, der auch den Wahrig mitherausgibt, sind weitere Synergieeffekte zu erwarten, denn die Konkurrenz unter demselben Dach dürfte kein Dauerzustand sein.

„Duden - Die deutsche Rechtschreibung“. 25. Auflage. Duden Verlag Mannheim, Wien, Zürich 2009. 1216 S., geb., 21,95 €.

„Wahrig - Die deutsche Rechtschreibung“. 7. Auflage. wissenmedia Gütersloh/München und Cornelsen Verlag Berlin. 1216 S., geb., 17,95 €.


Quelle: F.A.Z.
Link: http://tinyurl.com/faz-zweieinhalb-pfund


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Kommentare zu »Zweieinhalb Pfund für den Ranzen«
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.11.2011 um 14.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8734

Also deswegen die ganzen Mega- und Superstars (super: lat. über) statt Kilostars (kilo: griech. tausend), weil sie alle keine Mathematiker sind.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.11.2011 um 13.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8733

Bei giga-, mega-, mikro- und nano- sind die Nicht-Mathematiker entschuldigt, denn diese Vorsilben kommen von altgriechischen Wörtern und bedeuten ursprünglich keine Zahlenwerte: gigas = Riese, mega- = groß, mikro- = klein, nonos = Zwerg. piko- kommt aus dem Italienischen und bedeutet ursprünglich nur klein.


Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 28.11.2011 um 15.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8732

Sorry, Possums!

Dame Edna gab nie damit an, keine Ahnung von Mathematik zu haben. Das hätte sie auch gar nicht nötig, wo sie doch nach (eigener) Auskunft "the most popular and gifted woman of the world today" ist: http://www.dame-edna.com/biography.htm


Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.11.2011 um 12.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8731

Das sind die Leute, die damit angeben, nichts von Mathematik zu verstehen.


Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 28.11.2011 um 11.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8730

Einspruch, Herr Riemer. Dame Edna Everage war seit Anfang der 80er Jahre eindeutig vor Michael Jackson ein Megastar. Und zwar ein selbsternannter...


Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 27.11.2011 um 21.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8729

Gigastar ist schon längst erfunden, ob für einen Heizkessel oder eine Langhaarperücke.


Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 27.11.2011 um 20.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8728

Jesus Christ [dschises kreist] war noch Superstar, Michael Jackson schon Megastar. Wer wird der erste Gigastar (oder -starin)?


Kommentar von Germanist, verfaßt am 27.11.2011 um 17.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8727

Auch die Luftfahrer geben wegen der beeindruckenderen Zahlen lieber Füße als Meter an.


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 27.11.2011 um 09.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8726

Jaja, und mit diesen hp fahren sie auch meilenweit. Aber manchmal bewegen die den Wagen auch nur ein paar Fuß weiter, und dann nutzt es auch nichts, mit dem auf Zoll geeichten Werkzeug den Schaden zu beheben zu versuchen. — Doch als ich mir mal ein deutsches Metermaß hatte kommen lassen und zusammen mit einem Freund damit im Schuppen einige Holzarbeit ausführte, hörte ich mich sehr schnell fragen: "How much is that in inches?"


Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 26.11.2011 um 21.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8725

Auch die Amis sind, wie ein Blick in die Angebote amerikanischer Automodelle zeigt, bei ihren geliebten hp geblieben. Bei einem V8-Motor mit 400 hp würde sich die kW-Angabe in der Tat mickrig ausnehmen.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 26.11.2011 um 10.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8724

Die gute Nachricht: Das Bitburger Bit gehört ins Dezimalsystem.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.11.2011 um 21.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8723

Noch ein paar Beispiele für volkstümliche Einheiten:
Mit der Einführung der internationalen SI-Einheiten um 1970 sollten auch im täglichen Leben Kalorien durch Joule und Pferdestärken durch Kilowatt ersetzt werden. Die Endkunden haben es nicht angenommen, denn in der Lebensmittelwerbung stehen wieder Kcal und in der Autowerbung wieder PS an erster Stelle. Das ist auch psychologisch erklärbar, denn eine Kalorie sind unschöne 4,19 Joule und ein PS mikrige 0,736 Kilowatt.


Kommentar von Pt, verfaßt am 25.11.2011 um 21.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8722

Die Präfixe sind genauso wissenschaftlich wie die Potenzschreibweise. Daß es jetzt, durch das Aufkommen des Dualsystems, eine weitere ''Interpretation'' gibt, ändert daran nichts. Sie sind auch eindeutig, da ihre Interpretation ja vom zugrundeliegenden Zahlensystem und damit von der zu messenden Größe abhängt.

Ich bin immer davon ausgegangen, daß man die Angabe KB als K-Byte ausspricht, und nicht als Kilobyte, und damit 1024 Byte meint, im Gegensatz zu kg, Kilogramm, welches 1000 Gramm bezeichnet. Ich meine auch, dies damals in einer Fachzeitschrift gelesen oder irgendwo im Fernsehen gehört zu haben. Irgendwann hat man dann aber damit angefangen, von Kilobytes zu reden, und damit begannen die Probleme.

Die speziellen Präfixe für das Dualsystem klingen ziemlich unwissenschaftlich und kindisch. Außerdem müßte man dann auch für das Oktal- und das Hexadezimalsystem oder jedes andere Zahlensystem, so ein solches denn einmal für irgend eine spezielle Sache zur Anwendung kommt, ebenfalls entsprechende Varianten einführen.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 25.11.2011 um 16.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8721

2 hoch 10 ist exakt, 1024 ist auch exakt, k/K oder M ist nicht exakt, weil zumindest zweideutig. Das war wohl mit "wissenschaftlich" gemeint. Weil viele Angaben sich im MB- und GB-Bereich bewegen, wäre eine exakte Angabe mit Hochzahlen noch einigermaßen lesbar, im Dezimalsystem eher nicht.

1 GB = 2 hoch 30 B = 1073741824 B


Kommentar von Pt, verfaßt am 25.11.2011 um 14.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8720

@#8718: Inwiefern wären Hochzahlen wissenschaftlicher?


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 25.11.2011 um 12.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8719

Vielen Dank.

Im Online-Duden ist der Fehler korrigiert worden. Das könnte daran liegen, daß die Informationen eines Wörterbucheintrags dort in verschiedene Abschnitte einsortiert werden, also betrachtet und angefaßt werden müssen. Rätselhaft bleibt, wie so ein Fehler entstehen kann, nachdem der Eintrag in den vorigen Auflagen korrekt war.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.11.2011 um 22.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8718

Wissenschaftlicher wären statt Vorsilben die Potenzen oder Hochzahlen:
Im Dezimalsystem Kilo- = 10 hoch 3 Grundeinheiten, Mega- = 10 hoch 6, Giga- = 10 hoch 9, Tera- = 10 hoch 12.
Im Dualsystem Kilo- = 2 hoch 10, Mega- = 2 hoch 20, Giga- = 2 hoch 30, Tera- = 2 hoch 40.
Aber damit kann man im Laden keine Festplatten verkaufen.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.11.2011 um 15.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8717

Es sind zwei Maßsysteme:
In Naturwissenschaft und Technik gilt das Dezimalsystem und sind 1 Gigawatt = 1000 Megawatt = 1000 x 1000 Kilowatt = 1000 x 1000 x 1000 Watt.
In der Datenverarbeitung gilt das Dualsystem und sind 1 Gigabit = 1024 Megabit = 1024 x 1024 Kilobit = 1024 x 1024 x 1024 Bit.


Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 24.11.2011 um 10.40 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8716

Es kann sich nur um einen Fehler handeln. Kilo steht seit jeher für 1000 (von mir aus auch 1024), Mega für eine Mio. Da hat sich nichts geändert.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.11.2011 um 07.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8715

In der 24. Auflage (2006) hatte der Duden zum Stichwort "Kilobit" die Angaben, daß dies 1024 Bit seien und es dafür die Zeichen kbit, Kbit, KBit gebe. In der 25. Auflage (2009) bleiben die 1024 Bit, aber als Zeichen werden nunmehr Mbit, MBit angegeben.

Ich weiß, daß es hier eine Reihe von verschiedenen Standpunkten und Schreibweisen gibt. Ob nun 1000 oder 1024, ob Kilo für 1000 und/oder für 1024 stehen kann, ob klein k oder groß K, ob klein b oder groß B im Zeichen, das alles soll hier außer acht bleiben; die Diskussion wäre schnell unübersichtlich.

Mir geht es allein um die Änderung zwischen den Auflagen: Warum taucht plötzlich für einen Begriff "Kilo..." im Zeichen ein M (= Mega) auf???

Beim nächsten Begriff "Kilobyte" ist der Duden übrigens dabei geblieben, daß für "Kilo..." das Zeichen k (bzw. K) steht.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 07.12.2009 um 03.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#8030

Die teilweise absurden Dudenempfehlungen kommentiert Professor Ickler so:
Hier wird die nächste Revision ansetzen. Übrigens hatte der Rechtschreibrat sich auf seiner neunten Sitzung ausdrücklich gegen Empfehlungen nach Art des Duden ausgesprochen.

Obwohl die Sprachbeobachtung des Rates für deutsche Rechtschreibung bisher ihren Namen nicht verdient, möchte ich hinzufügen: Mit der Kritik an den Dudenempfehlungen hat der Rat recht.

Normalerweise mache ich bei meinen Korrekturen aus dem holprigen Erfolg versprechend die flüssigere, angenehmere Zusammenschreibung erfolgversprechend. Zwar nicht häufig, aber gelegentlich meldet mir die Werbeagentur dann zurück, der Kunde habe bei der Nachprüfung festgestellt, daß im Duden Erfolg versprechend gelb hervorgehoben sei, und lasse fragen, wie ich dazu komme, diese Vorgabe zu mißachten. Es kostet mich dann einigen Aufwand, meine Entscheidung zu rechtfertigen und den Charakter der Dudenempfehlungen zu erklären, zumal den mißtrauischen Werbekunden oft nicht klar ist, daß es sich dabei nur um Empfehlungen handelt und nicht um Anweisungen. Ich kann nicht einfach sagen: "Ich weiß besser als der Duden, was eine gute Schreibweise ist. Richten Sie bitte dem Kunden aus, er solle nicht mehr im Duden nachsehen."

Die Dudenempfehlungen entfalten also durchaus bei naiven Ratsuchenden ihre autoritäre Wirkung und stören daher bei der Klärung der Frage, welche Schreibweisen die Anwender von sich aus bevorzugen würden.

Natürlich gilt dasselbe noch viel mehr für die ganze neue Rechtschreibung. Nur wenn man die unreformierten Schreibweisen als gleichberechtigt freigeben würde, und sei es versuchshalber in einem begrenzten Kollektiv, könnte eine Beobachtung des Schreibgebrauchs wirklich die Erkenntnis befördern, welche Schreibungen die Gemeinschaft bevorzugt.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.10.2009 um 17.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7990

Der Wahrig druckt zwar – wie in der vorigen Auflage – die amtliche Regelung ab, aber nicht vollständig. Die Einführung zu Teil 1 und das ausführliche und nicht unwichtige Vorwort sind weggelassen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.09.2009 um 16.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7963

Ein Freund weist mich darauf hin, daß mir in der Liste der GZS zwei Fehler unterlaufen sind: Der Duden empfiehlt energiesparend (aber Strom sparend), und bei gerade biegen/geraderichten verhält es sich gerade umgekehrt. Ich weiß nicht mehr, wie es zu diesen Versehen kommen konnte, treffende Beispiele gibt es ja mehr als genug, und das Gesamtbild ändert sich nicht, aber ich möchte mich ausdrücklich dafür entschuldigen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.09.2009 um 12.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7960

Ja, ich habe die Rezension diesmal so abgefaßt, daß die FAZ nichts in Richtung Heyse zu ändern hatte, aber das sollte mehr eine sportliche Übung sein, wie Herr Markner es ganz richtig einschätzt, denn eigentlich lehne ich solche Eiertänze ab.
Auf der Rückreise aus dem Urlaub habe ich die FAZ (vom 1.9.09) gelesen. Sie titelt auf derselben Seite: "Sieben Bücher auf ein (!) Streich" und "Stehle (!) ein Bild!". Da ziehen wir mit unseren kleinen Rechtschreibsorgen beschämt von dannen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.09.2009 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7959

Über Göttert, einen Laien auf dem Gebiet der Rechtschreibung, ist ja alles Nötige schon gesagt worden, siehe hier.
Es geht hier nur ums Geldverdienen, wie bei den orthographischen Laien Götze, Bünting (Aldi), Bedürftig u.a. Man staunt aber doch, welche Personen sich so leicht von Verlagen anwerben lassen, auf den dahinstotternden Wagen der Reform zu springen.


Kommentar von R. M., verfaßt am 19.08.2009 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7953

Man muß das sportlich nehmen. Den Rekord hält wahrscheinlich Hanno Birken-Bertsch, der eine etwa 12 Seiten lange Rezension in dieser Schreibweise abfaßte. Der Verzicht auf mit daß eingeleitete Nebensätze ist stilistisch ohnehin nicht selten von Vorteil.


Kommentar von Paul Westrich, verfaßt am 19.08.2009 um 11.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7952

zu #7951
"Ergänzend fällt die Kompatibilitätsschreibweise von Prof. Ickler für die FAZ auf, die der Redaktion z.B. erspart, daß auf dass auszubessern."

Das ist mir auch aufgefallen und hat mich an meine eigene Vorgehensweise erinnert, als ich jüngst einen Leserbrief für die Lokalzeitung verfaßt habe. Einerseits habe ich es auch geschafft, den Leserbrief so zu schreiben, daß die Redaktion keine "Anpassung" vornehmen mußte, andererseits bedeutet dies doch, daß die RSR die Schreibkultur beschädigt, wenn Autoren gezwungen sind, anders zu schreiben, als sie es ohne RSR täten. Leider ignorieren Leserbriefredaktionen in der Regel die Bitte, die Rechtschreibung unangetastet zu lassen.


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 19.08.2009 um 09.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7951

Was fällt auf?
Zunächst die Liste der Dudenempfehlungen. Sie belegt einerseits das Chaos, das herrscht, andererseits die völlige Unlernbarkeit der Reformschreibweisen – man erinnere sich, die Reform sollte die Schreibung wesentlich erleichtern –; das ist nun ihr Ergebnis. Gott sei Dank halten ernsthafte Schreiber in der Praxis nichts von derartigen Absurditäten.

Interessant wäre ein Ansagetest unter Reformbefürwortern, wieviel dudenkonform reproduziert werden könnte.

Ergänzend fällt die Kompatibilitätsschreibweise von Prof. Ickler für die FAZ auf, die der Redaktion z.B. erspart, daß auf dass auszubessern.


Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 13.08.2009 um 23.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7950

"Man lernt bis ans Lebensende." Das heißt: Erst der Tod wird uns von unserer Schülerexistenz erlösen.


Kommentar von Paul Westrich, verfaßt am 13.08.2009 um 19.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7949

zu #7948:
Nun ist ja diese Besprecherin des neuen Aldi-Buchs zur Rechtschreibung schon im Ruhestand, schreibt aber nach eigener Aussage immer noch "Bewerbungen oder Lebensläufe oder ... Bewerbungsmappen für angehende Lehrlinge und Selbstständige (sic!)". Die sind nur zu bedauern, hat doch die Dame, wie Herr Ludwig schon an einem Beispiel dokumentiert hat, trotz Göttert Probleme mit der Rechtschreibung und der Grammatik, aber zumindest ist sie selbstkritisch ("Mit der Grammatik stand ich schon immer auf Kriegsfuß").
Beispiele (auf die Nennung von Kommafehlern verzichte ich):
"bediene ich mich dem Rechtschreibprogramm des Computers"
"Karl-Heinz Göttert hat sich aufgeschwungen und dieses Werk zusammen getragen" (mit wem zusammen hat er es eigentlich getragen?)
"habe ich mich mal wieder in diesem Buch fest gelesen"

Man könnte dies ja der Autorin dieser Besprechung nachsehen, viel fragwürdiger ist aber die Angabe auf der Titelseite von Götterts Buch "Mit den gültigen Schreibweisen für Schule, Studium und Beruf". Wieder soll dem Käufer suggeriert werden, es gäbe auch außerhalb der Schule eine verbindliche Schreibung und die klassische Rechtschreibung wäre demnach ungültig. Herr Göttert sollte es als Germanistikprofessor besser wissen, aber es waren wohl verkaufstaktische Gründe, die ihn zu dieser Angabe veranlaßt haben.


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 13.08.2009 um 18.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7948

Leseratee, Besprecherin dieses Buches (#7946) auf www.yopi.de/rev/344696, "Man lernt bis ans Lebensende":
"Das Wörterbuch erhält meine Empfehlung und alle Rechtschreibsterne. Es ist nicht nur für Erwachsene geeignet. Auch jüngere Menschen finden sich darin sicherlich sehr gut zu recht."


Kommentar von Germanist, verfaßt am 10.08.2009 um 23.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7947

Ich sehe es als großen Fortschritt, daß die Zeitungsmacher endlich begriffen haben, daß die jetzige Schul-Rechtschreibung den Anforderungen der Nachrichtenübermittlung nicht genügt. Genau wegen dieser Anforderungen ist die tatsächlich gebrauchte Rechtschreibung seit Konrad Duden durch immer genauere Unterscheidungsschreibungen verändert worden, so wie es mit anderen Werkzeugen auch gemacht worden ist.


Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 10.08.2009 um 22.12 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7946

Aldi legt am 17.08.2009 nach: dann gibt es wieder ein "Neues Deutsches Wörterbuch" von Karl-Heinz Göttert - natürlich "Mit den aktuellen Schreibweisen". Welche das wohl sein werden?


Kommentar von Nürnberger Zeitung, 10. August 2009, verfaßt am 10.08.2009 um 16.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7945

Rechtschreibung: Seit langem ist seit Kurzem ganz egal

Kennen Sie das Gefühl, wenn man glaubt, jemanden bei einem Rechtschreibfehler ertappt zu haben, und dann ist die Schreibweise desjenigen doch richtig? Mir ging es bislang immer so, wenn jemand die festen Wendungen «seit Langem» oder «bei Weitem» schrieb.

Letzte Woche las ich dies in einem Essay eines Kollegen, vom dem ich sonst sehr viel halte, und dachte bei mir: Sieh’ an, auch der Herr Pümpelmann (* Name von der Redaktion geändert) macht schon mal Fehler. Aber von wegen: «Seit Langem» steht schon seit Langem im Duden. Und das große «L» ist nicht nur kein Fehler, sondern aus Sicht des Duden sogar die bessere Variante gegenüber «seit langem».

Über den Fehler, der in Wirklichkeit gar keiner war, hat mich der Erlanger Germanist Theodor Ickler aufmerksam gemacht, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die neuen Ausgaben von Duden und Wahrig schrieb. Darin stellt er fest, dass es im Wahrig – dem konkurrierenden Rechtschreib-Wörterbuch aus dem gleichen Verlagshaus – anders ist als im Duden: Dort wird «seit langem» weiterhin so geschrieben, wie die Deutschen es in den letzten paar Hundert Jahren getan haben. Das gilt übrigens auch für viele andere Wendungen aus Präposition und artikellosem gebeugten Adjektiv wie von nahem, seit neuestem oder bei weitem.

Das Rechtschreib-Wörterbuch des Pons, im Internet unter www.pons.eu kostenlos verfügbar, hält übrigens beides für berechtigt, nennt aber «seit Langem» an erster Stelle – so wie auch im Duden neuerdings Präferenzen ausgedrückt werden.

Was wäre eigentlich, wenn man sich mal ganz unpolitisch fragen würde: Welche Schreibweise bringt denn den Ausdruck näher an den Sachverhalt? Da schneidet die Kleinschreibung des Kurzen eindeutig besser ab! Schließlich legt das große «K» ja nahe, dass dort ein Hauptwort oder Name versteckt ist. «Seit Adenauer werden die Renteneinkünfte falsch berechnet» – okay, aber wer bitteschön ist «Kurzem»? Funktional ist «seit Langem» also doch ein Fehler, wenn auch kein Duden-Fehler. Das beruhigt doch ungemein!

Stefan Brunn

(www.nz-online.de)


Kommentar von Dr. Maria Theresia Rolland, verfaßt am 10.08.2009 um 11.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7942

General-Anzeiger, Bonn, 10.8.2009, S. 17: Leserbrief zur Rechtschreibreform

Endlich wieder Eindeutigkeit und Einheitlichkeit

Im Duden 2009, der zwar zahlreiche neue Wörter enthält, sind jedoch die "Reformschreibungen" als solche nicht mehr gekennzeichnet. Hervorgehoben sind nur noch die Duden-Empfehlungen. Da diese sich vielfach auf Sprachwidriges beziehungsweise grammatisch Falsches beziehen, ist der neue Duden sprachschädigend und für den praktischen Gebrauch ungeeignet.
Das belegen die sogenannten "Variantenschreibungen", die keineswegs, wie das Wort besagt, austauschbare Schreibungen sind, wie zum Beispiel: circa/ zirka. Es handelt sich in Wirklichkeit oftmals um Unterschiede in der Wortbedeutung, zum Beispiel: "Schwarzes Brett (empfohlen)/ schwarzes Brett (Anschlagbrett)". "Schwarzes Brett" meint ein Anschlagbrett, ein "schwarzes Brett" jedoch ist ein Brett, das schwarz und nicht blau oder rot ist. Diese Schreibung hat ihre eigene Wortbedeutung und ist keine "Variantenschreibung".
Beispiele dieser oder ähnlicher Art lassen sich vervielfachen. Mit diesen Falschinformationen hat sich die Dudenredaktion selbst ein vernichtendes Urteil gesprochen. Hinzu kommt noch, daß das von der Kultusministerkonferenz für die Schulen ebenfalls empfohlene Rechtschreibwörterbuch von Wahrig oftmals die gegenteiligen Schreibungen präsentiert wie der Duden.
Die verschiedenen Hausorthographien der Zeitungs- und Buchverlage, die nur eine Auswahl der Neuschreibungen verwenden, zeigen deutlich, daß die Allgemeinheit keineswegs mit den für die Schulen verordneten Neuschreibungen einverstanden ist. Wenn diese Verlage nur noch die sprachlich korrekten Schreibungen verwendeten, könnte die Sprachgemeinschaft darauf hoffen, daß der Rechtschreibfrieden durch die Orientierung am tatsächlichen Sprachgebrauch wenigstens in absehbarer Zeit wiederhergestellt werden könnte und in der deutschen Orthographie endlich wieder Eindeutigkeit, Einheitlichkeit und Sprachrichtigkeit herrschten.
Dr. Maria Theresia Rolland, Bonn

[Erläuterungen: Neben einigen Kürzungen wurden im Zeitungstext: "daß" zu "dass", "Orthographie" zu "Orthografie".]


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 07.08.2009 um 21.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7938

Lieber Herr Achenbach,

in meiner Argumentation habe ich mich bewußt ausschließlich auf das Regelwerk selbst und nicht auf Sekundärliteratur bezogen. Wenn neuerdings nur noch dieses Dokument gelten soll und nicht mehr die Überlegungen einer Wörterbuchredaktion, dann kann man schon erwarten, daß der Text keine so gravierenden Mängel enthält, wie wir sie hier gemeinsam aufgedeckt haben. Da steht »unübersichtlich«, gemeint ist aber etwas anderes? Das geht nicht. Soll denn nun die in § 36 (1.4) aufgeführte Zusammensetzung grünblau mit den »gleichrangigen« Adjektiven grün und blau für ein grünliches Blau oder für das Nebeneinander von Grün und Blau stehen? Solange nicht einmal diese Frage eindeutig zu beantworten ist, kann man sich jede weitere Exegese tatsächlich sparen.

Ein deutschschweizerischer Verlag ist etwas anderes als ein deutsch-schweizerischer. Wenn man die orthographische Unterscheidung solch grundverschiedener Bedeutungen freigibt oder besser fahrenläßt, dann ist es schon ziemlich frech, wenn man zugleich großzügig anbietet, den Unterschied bei Bedarf durch einen Bindestrich kenntlich zu machen. Denn wer – und da bin ich wieder ganz bei Ihnen – soll denn dann noch verstehen, in welchem Sinne der Bindestrich die Bedeutung beeinflussen soll? Daß die Duden-Empfehlung eine bloße Kann-Regel ist, versteht sich. Der ganze Duden ist ja unverbindlich.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.08.2009 um 19.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7935

Lieber Herr Metz,

ich bin weiterhin der Auffassung, daß die Dudenempfehlung mit den Amtlichen Regeln vollkommen vereinbar ist. Nach § 45 kann man einen Bindestrich zur "Hervorhebung einzelner Bestandteile" oder zur Vermeidung von Missverständnissen" setzen – und zwar bei allen Zusammensetzungen, unabhängig von der Wortart. Beide Begründungen sind bei "blau-grau" einschlägig: erstens um eine Verwechslung mit "bläulich grau" zu vermeiden (ob das funktioniert, ist eine andere Frage), zweitens um "blau" als eigenständige Farbe des fraglichen Gegenstands hervorzuheben.

Das Einzige, was man aus § 36(1.4) ableiten kann, ist daß die alte Muß-Regel des Duden zu den Farbbezeichnungen nicht mehr gilt. Ob das ausdrückliche Absicht der Reformer oder nur ein Versehen war, wage ich nicht zu beurteilen. Die einschlägige "Empfehlung" des reformierten Duden ist aber, wie die Bezeichnung schon sagt, eine bloße Kann-Regel.

Der falsche Verweis auf § 45(2) (gemeint ist jetzt § 44(2)) zu "unübersichtlichen" Adjektivzusammensetzungen ist notwendig, weil es sich hier seit 2004 um eine Muß-Regel handelt. Ein Verweis auf die allgemeine Kann-Regel zur Bindestrichsetzung (§ 45) ist dagegen überflüssig, da sie für alle Regeln zur Zusammenschreibung gilt.

Im übrigen sagt § 44(2) überhaupt nicht, was wirklich gemeint ist. Im 4. Bericht der Rechtschreibkommission ist ganz klar gesagt, daß es sich bei diesen Fällen überhaupt nicht um "unübersichtliche" Zusammensetzungen handelt. Vielmehr liege der Grund für den Bindestrich darin, daß es sich um "komplexe" Adjektive handele. Dazu wird noch erläutert, daß "«komplex» als «meist morphologisch komplex» – d. h. aus Stamm und Ableitungssuffix bestehend – aufzufassen ist, z. B. wissenschaftlich, lateinisch, depressiv" – in anderen Worten die alte, noch erweiterte ig-isch-lich-Regel.

Anders gesagt: Die Amtlichen Regeln sind nichts fürs gemeine Volk, sondern nur etwas für Eingeweihte (erinnert das an den Duden 2009?).

Dem Laien erschließt sich nicht ohne weiteres, warum man an einer selbst ausdrücklich als falsch erkannten Formulierung festgehalten hat. Ich kann nur vermuten, daß die Kommission 2004 jeden Eindruck einer "Reform der Reform" vermeiden wollte und die tatsächlich weitreichenden Änderungen als bloße redaktionelle Klarstellungen darstellen wollte – was ihr aber nicht gelungen ist. Vielmehr hat sie sich ihr eigenes Grab geschaufelt.


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 07.08.2009 um 15.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7933

Bestimmt kann der Bindestrich bei verschiedenen Wortarten demselben Zweck dienen. Es ging mir aber nicht um die Frage, ob die Duden-Empfehlung sinnvoll ist, sondern um ihre Vereinbarkeit mit dem Regelwerk, die Herr Ickler verneint und Herr Achenbach bejaht hat.
Ausgehend von der Systematik des Regelwerks, der Formulierung der Regeltexte und der Auswahl der angeführten Beispiele halte ich es für unwahrscheinlich, daß die Verfasser die vom Duden empfohlene Unterscheidungsschreibung intendiert haben, oder anders ausgedrückt: daß diese Empfehlung dem Geist des Regelwerks entspricht. Wer in einer Rechtschreibregel explizit die Fälle blaugrau und grünblau regelt und dabei ausdrücklich auf die Möglichkeit der Bindestrichschreibung aufmerksam macht, dies aber tut, indem er auf eine Vorschrift verweist, nach der der Bindestrich unübersichtliche Wortbilder und eben nicht Mißverständnisse vermeiden helfen kann, der hat offensichtlich die vom Duden empfohlene Differenzierung nicht gewollt, jedenfalls nicht im Sinn gehabt.
Übersehen haben kann er diese Option auch nicht, denn wer ein orthographisches Regelwerk erstellt, das die alten Dudenregeln ablösen soll, weiß natürlich, wenn er bei der Schreibung von Farbbezeichnungen angelangt ist, sehr genau, daß er sich entscheiden muß, wie er mit der in R 40 des letzten unreformierten Dudens geregelten Unterscheidung umgehen soll.
Hinzu kommt, daß die einzige konkrete Bestimmung im Regelwerk, die die Verwendung des Bindestrichs zur Vermeidung von Mißverständnissen vorsieht, nämlich § 45 (3), eine ganz andere Fallkategorie zu erfassen scheint. Denn ein Bindestrich in Druckerzeugnis (um das wohl bekannteste Beispiel aufzugreifen) verändert eben nicht die Beziehung zwischen den beiden Gliedern der Zusammensetzung, sondern macht nur deutlich, aus welchen beiden Gliedern die Zusammensetzung überhaupt bestehen soll. Bei graublau ist klar, daß grau und blau im Spiel sind, die Frage ist nur, in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Bei Druckerzeugnis ist dagegen nicht klar, aus welchen Elementen das Wort zusammengesetzt ist. Der Bindestrich hat also hier eine ganz andere Funktion. Außerdem habe ich den Eindruck, daß § 45 (3) eine ausgesprochene Notlösung für recht seltene Einzelfälle parat hält, während der Duden mit seiner Empfehlung offenbar eine grundsätzliche Lösung für eine vergleichsweise große Fallgruppe darreichen möchte.


Kommentar von Pt, verfaßt am 07.08.2009 um 15.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7932

#7929

Woher, Herr Achenbach, wollen Sie wissen, was die Mehrheit der Leser an orthographischen Unterscheidungen wahrnimmt?

Auf orthographische Unterscheidungen muß man natürlich erstmal aufmerksam werden, und das sollte in der Schule im Deutschunterricht geschehen; natürlich kann man auch selber darauf kommen, aber dafür muß eine solche Unterscheidung eben gemacht werden. Daß das heute ideologisch bedingt nicht mehr – oder nur auf einer verqueren Ebene (political correctness) – stattfindet, ist sehr bedauerlich. Wenn Sie aber – ebenfalls ideologisch bedingt – auf orthographische Unterscheidungen verzichten, weil es ja jemanden geben könnte, der damit nichts anfangen kann, dann endet das – konsequent zuendegedacht – ebenfalls in einem allgemeinen ''Verfall'' der Rechtschreibfertigkeiten.

''Ich halte es für elementare stilistische Forderungen an einen guten deutschen Text, daß er erstens von jedermann auch ohne vertiefte orthographische Kenntnisse sofort verstanden werden kann und daß er zweitens gesprochen genauso verständlich ist wie geschrieben.''

Damit wären viele wissenschaftliche Texte in deutscher Sprache keine guten deutschen Texte. Ihre Forderung scheint mir etwas zu allgemein zu sein. Was guter Stil ist hängt natürlich auch von der Art des Textes ab. Auch muß ein Text nicht von jedem verstanden werden können.

Ein Text mit korrekter Kommasetzung (gemäß klassischer Rechtschreibung) wird von jedem auch ohne vertiefte orthographische Kenntnisse (in klassischer RS) sofort verstanden werden, ebenso seine Aussprache. Trotzdem sind beim Schreiber orthographische Kenntnisse nötig, um die Kommas richtig setzen zu können. Ohne diese Kenntnisse sind wir da, wohin uns die Reform heute gebracht hat: der Text kann mißverständlich bzw. mehrdeutig sein. Ihre Argumentation geht in Richtung derjenigen der Reformer.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.08.2009 um 11.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7931

Es ist durchaus naheliegend, die Regeln für zusammengestzte Substantive bezüglich Grundwort und Bestimmungswörtern auch auf zusammengesetzte Adjektive anzuwenden. Bei zusammengesetzten Substantiven dient der Bindestrich dazu, die Beziehung zwischen Grundwort und Bestimmungswort zu ändern, um eine andere Gesamtbedeutung zu erreichen. Warum soll diese Funktion des Bindestrichs nicht auch auf zusammengesetzte Adjektive angewandt werden dürfen?


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 07.08.2009 um 01.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7930

In § 36 (1.4) des amtlichen Regelwerks sind die Zusammensetzungen blaugrau und grünblau aufgeführt. Bei ihren Bestandteilen soll es sich um »gleichrangige (nebengeordnete) Adjektive« handeln. Das klingt eher nach dem Nebeneinander der beiden jeweiligen Farben als nach der näheren Bestimmung der zweiten durch die erste. Weiter heißt es: »Zur Schreibung mit Bindestrich siehe § 45(2).« Der Verweis ist meines Erachtens falsch und geht zurück auf die Fassung von 1996, in der in § 45 (2) tatsächlich noch gleichrangige Adjektive behandelt wurden. Seit 2004 fallen diese unter § 44 (2). Dort ist aber nicht die Bindestrichschreibung zur Vermeidung von Mißverständnissen geregelt, sondern jene bei »unübersichtliche[n] Zusammensetzungen aus gleichrangigen, nebengeordneten Adjektiven« wie wissenschaftlich-technisch. Diese Regel würde etwa die Schreibung ultramarinblau-zinnoberrot abdecken, sicher aber nicht blaugrau.

Der Duden spricht nur in den – sagen wir: inoffiziellen – Erläuterungen zu seinen Variantenempfehlungen davon, daß die Unterscheidungsschreibung Mißverständnisse vermeiden helfe. Interessanterweise greift er im Regelteil, wo er immer auch auf die einschlägigen Vorschriften des amtlichen Regelwerks verweist, auf eine andere Erklärung zurück: K 23 hebt im Einleitungsteil ausdrücklich auf das Kriterium der Unübersichtlichkeit bzw. schlechten Lesbarkeit ab (und führt zutreffend § 44 an). Als unübersichtlich kann blaugrau aber beim besten Willen nicht gelten. In der Formulierung, die sich speziell auf Farbbezeichnungen bezieht (K 23 Nr. 2), heißt es dann: »Ein Bindestrich wird häufig gesetzt, um das Nebeneinander zweier Farben deutlich zu machen.« Diese Begründung ist mehrdeutig. Was heißt »deutlich machen«: die Lesbarkeit gewährleisten oder Mißverständnisse ausschließen? Bei der empfohlenen Schreibung schwarz-weiß kommt beides nicht in Frage, denn ein Mißverständnis ist hier ja nun nicht möglich, und unübersichtlicher als die in § 36 (1.4) aufgeführten Schreibungen blaugrau, dummdreist, feuchtwarm, grünblau, nasskalt und taubstumm wird man schwarzweiß auch nicht finden.

Alles in allem meine ich, daß der Dudenredaktion durchaus bewußt ist, daß sie sich mit ihrer Empfehlung zu den Farbbezeichnungen außerhalb des Regelwerks stellt, zumindest aber dessen Grenzen überdehnt. Eine ähnliche Eigenständigkeit möchte man ihr wünschen, wenn es um die – noch viel wichtigeren – Fragen der Groß- und Kleinschreibung geht, die der Rat nicht mehr in Angriff nehmen durfte.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 06.08.2009 um 23.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7929

Lieber Herr Wrase,
ich habe ja nichts dagegen, solche feinen Unterscheidungen zu machen; ich frage mich allerdings, ob das sehr sinnvoll ist, wenn man sich an ein breiteres Publikom wendet.
Ich halte es jedenfalls nicht für sehr "leserfreundlich", orthographische Unterscheidungen zu machen, die die Mehrheit der Leser womöglich überhaupt nicht wahrnimmt.
Ich halte es für elementare stilistische Forderungen an einen guten deutschen Text, daß er erstens von jedermann auch ohne vertiefte orthographische Kenntnisse sofort verstanden werden kann und daß er zweitens gesprochen genauso verständlich ist wie geschrieben.
Es ist ja keineswegs so, daß man sich nicht auch klar, ohne orthographische Kenntnisse vorauszusetzen, ausdrücken könnte. Warum von einem "rotbraunen" Kleid sprechen, wenn man genausogut von einem "rötlich braunen" oder "rötlichbraunen" oder "rötlich-braunen" Kleid sprechen (schreiben) kann. Hier kommt es auf die Schreibung überhaupt nicht an; es ist vollkommen klar, was gemeint ist.


Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 06.08.2009 um 21.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7927

"Die feine Unterscheidung zwischen blaugrün und blau-grün war nicht jedermanns Sache; ihre zuverlässige Anwendung erforderte die Kenntnis der Regel." (Wolfgang Wrase)

Derartige Unterscheidungen erfordern in erster Linie die Kenntnis von Farben und Farbtönen. Der erste Teil von blaugrün ist eine Spezifizierung des zweiten, ähnlich wie in petrolblau oder zinnoberrot. Wer das erfaßt hat, der braucht keine Regel, und wer bei blaugrün sich nicht ein blau getöntes Grün vorstellt, dem hift auch eine Regel nicht weiter. Außerdem ist die Unterscheidung zwischen blaugrün und blau-grün nicht "fein". Im einen Fall springt sie ins Auge, im anderen ist sie sinnlos.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.08.2009 um 13.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7925

Jeder Fußball-Fan weiß, daß die Vereinsfarben mit Bindestrich geschrieben werden. Das erste, was ich in Bayern lernte, war, daß "Blau-Weiß" irgendein Fußballverein ist und "Weiß-Blau" die Landesfarben sind. In beiden Fällen gibt es keine Mischfarben. Einige Fahnen beim historischen Hambacher Fest waren übrigens "Schwarz-Gold-Rot".

Vor der Rechtschreibreform wurde am lautesten über die unzähligen Einzelfestlegungen des Dudens geschimpft. Jetzt haben wir die doch wieder.


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 06.08.2009 um 10.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7924

Ein Szenario

Das waren noch Zeiten, als der Duden einfach festlegte, welche von zwei konkurrierenden Schreibungen als richtig zu gelten hat, und als normalsterbliche Leser, die sich etwas näher für die Zusammenhänge interessierten, den Regelteil des gelben Klassikers aus der Kurpfalz zu Rate zogen. Offensichtlich ist die Redaktion von dem Wunsch beseelt, diesen Zustand wiederherzustellen. Und die Chancen stehen gar nicht schlecht. Die Einzelfallfestlegungen heißen heute »Empfehlungen«. Sie sind zwar formal nicht verbindlich, der Duden setzt aber – vermutlich zu Recht – auf das geradezu blinde Vertrauen des Durchschnittskäufers in seinen Sachverstand. Ohne sie als solche zu bezeichnen, definiert die Redaktion ihre Hauptzielgruppe in den Benutzungshinweisen als »alle, die sich nicht selbst zwischen den erlaubten Schreibvarianten entscheiden möchten«. Nur allzugern nimmt sie den Ratsuchenden die Entscheidung ab. Die Rechnung könnte sogar aufgehen. Denn mit jeder neuen Korrektur des Regelwerks steigt die Zahl derer, die an ihrer eigenen rechtschreiblichen Kompetenz zweifeln und sich nur noch eines wünschen: ein Buch, in dem drinsteht, was Sache ist!

Die Empfehlungspraxis des Dudens ist – auch – eine indirekte, subtile Kritik an der ungeliebten Reform und damit ein geschickter Versuch der Solidarisierung mit der genervten Kundschaft. Eine fremde, anonyme Macht hat den Käufern wie der Redaktion das Problem beschert, mit einer Unmenge von Varianten zurechtkommen zu müssen. Zum Glück gibt es die erfahrenen Dudenleute, die dem Laien den Weg durch das immer dichter werdende Regeldickicht weisen. Der Verzicht auf den Abdruck jenes Machwerks, das als Quelle allen Übels erscheint, ist da nur folgerichtig. Er ist der erste Schritt auf dem Weg zur Rehabilitierung der Dudenregeln als einzige in der Praxis konsultierte Quelle. Am Ende dieses Weges könnte ein Duden stehen, der nicht mehr alle nach dem Regelwerk zulässigen Varianten verzeichnet, sondern nur noch die von der Dudenredaktion präferierten. Der Ratsvorsitzende wird ein bißchen zehetern, ein Häufchen »Sprachpuristen« wird protestieren, aber sonst wird wenig geschehen, zumal dem Wörterverzeichnis ein entsprechender Hinweis vorangestellt sein wird, eventuell ergänzt um einen kleinen Kasten, in dem pro Fallkategorie eine Handvoll regelkonformer Variantenpärchen exemplarisch aufgelistet ist.

Die Entfernung der Rotmarkierung von Reformschreibungen rundet das Bild ab. Der Duden distanziert sich von der Reform, indem er sie lautlos umsetzt und zugleich möglichst alles, was daran sonst erinnert, aus dem Wörterbuch verbannt.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 06.08.2009 um 08.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7923

Herr Achenbach, Sie haben mit Ihrem Zweifel recht, wenn Sie sich auf die breite Grundlage "Sprachgemeinschaft" beziehen. Die feine Unterscheidung zwischen blaugrün und blau-grün war nicht jedermanns Sache; ihre zuverlässige Anwendung erforderte die Kenntnis der Regel.

Das ändert aber nichts daran, daß es leserfreundlich ist, das Nebeneinander zweier Farben mit Bindestrich auszudrücken, wenn andernfalls der Leser mit einer Mischfarbe rechnen würde. Deshalb gab es diese Unterscheidungsschreibung, und sie wurde von guten Schreibern angewendet.

Eine vernünftige Rechtschreibung geht immer an einigen Stellen über den allgemeinen Schreibgebrauch in der Bevölkerung hinaus, sie enthält Tricks und Kniffe, die nicht jedem Gelegenheitsschreiber geläufig sind. Das betrifft auch gerade Kleinigkeiten wie z. B. das Leerzeichen vor bzw. nach Auslassungspunkten oder die Regel, daß man keinen zweiten Punkt setzt, wenn der Satz mit einer Abkürzung (zum Beispiel u. a.) aufhört. Hier machen Laien häufig Fehler. Natürlich ist die subtile Handhabung des Bindestrichs bei der Schreibung von Farbkombinationen um so weniger der Allgemeinheit bekannt.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 05.08.2009 um 19.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7922

Mir scheint die Duden-Empfehlung zur Unterscheidung von Farbtönung und Nebeneinander von Farben durchaus innerhalb des von den Amtlichen Regeln eröffneten Spielraums bei der Setzung des Bindestrichs zu liegen. Die Amtlichen Regeln schreiben eine solche Unterscheidung zwar nicht mehr vor, verbieten sie aber auch nicht.
Nach § 45 kann man in Zusammensetzungen "zur Vermeidung von Missverständnissen" einen Bindestrich setzen. Der Duden behauptet ja gerade, daß seine Empfehlung "hilft, Missverständnisse zu vermeiden". Auf einem anderen Blatt steht, daß der Duden im Wörterverzeichnis und auch im Duden-Korrektor die eigene Empfehlung nicht berücksichtigt.

Darüber hinaus stellt sich allerdings die Frage, ob die Duden-Empfehlung in der Praxis wirklich etwas taugt. Ich bezweifle, daß diese Unterscheidung in der Sprachgemeinschaft jemals sehr verbreitet war. Mir scheint auch nicht, daß zwischen "rotbraun" und "rot-braun" ein klarer Betonungsunterschied gemacht wird. Um wirklich "Mißverständnisse zu vermeiden", muß man sich schon anders ausdrücken: ein "Kleid in rot und braun" oder ein "rötlich braunes Kleid".

Eine weitere Frage ist, wie man mit Bezeichnungen von Farbabstufungen, wie "rötlich" umgehen soll. Mein Duden von 1961 schreibt einerseits "rötlich-braun", andererseits "bläulichgrün". Beide Male beruft er sich auf ein und dieselbe Regel! Dieser Widerspruch ist spätestens im Duden von 1980, der durchgehend zusammenschreibt, beseitigt.
Der Duden von 2006 schreibt nun hierfür - ohne nähere Erläuterung - Getrenntschreibung vor: "rötlich braun".
Persönlich neige ich hier auch zur Getrenntschreibung, weil ich "rötlich" hier eher als adverbiale Bestimmung zu "braun" und nicht als eigenständige Farbbestimmung empfinde.


Kommentar von Michael Schuchardt, verfaßt am 05.08.2009 um 14.40 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7921

Herr Wrases Ausführungen finde ich auch richtig. Am auffälligsten sind wahrhaftig das Weglassen der RSR-Regeln. Schließlich sind die Reformer einmal angetreten, damit Rechtschreibung dank entsprechender Regeln sich quasi logisch wie in der Mathematik erschließen läßt. Die Entfernung der Regeln beinhaltet gewissermaßen, daß die Anwendung der Regeln nichts bringt. Vermutlich wollte der Duden seinen Umfang beibehalten und dennoch paar tausend Wörter mehr gegenüber dem Wettbewerber vorweisen.

Nun druckt der Duden diese gar nicht mehr ab und kehrt zurück zu dem, was vorher (vereinfachend) auch schon galt: jedem Wort und jeder Redewendung ihre eigene Schreibweise.

Prof. Ickler hat es ja angedeutet. Vielleicht wird es so kommen, daß man den Duden einstellt und dem Wahrig (aus PR-Gründen) den Namen des Duden gibt. Das ist ja bei vielen Produkten heute in Mode.


Kommentar von Bernfried Janas, verfaßt am 05.08.2009 um 09.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7920

So ein "Duden" ist nicht nur unbrauchbar und absurd, sondern schädlich. Wird Zeit, daß auch bei Büchern auf Risiken und Nebenwirkungen hingewiesen werden muß: "Fragen Sie Ihren Buchhändler oder Bibliothekar". Aber die gehören, erschreckenderweise, auch alle zur schweigenden Mehrheit. Tendenzen zu einer schleichenden, klammheimlichen, langsamen Rückbesinnung werden jedenfalls nochmals drastisch konterkariert.


Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.08.2009 um 08.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7919

Die drei wesentlichen Neuerungen werden von Professor Ickler ganz richtig herausgearbeitet. Man beachte, daß es sich um drei erhebliche Verschlechterungen des Produkts handelt:

1. Das amtliche Regelwerk ist nicht abgedruckt, obwohl es im Regelteil des Duden von Verweisen darauf wimmelt. Der Käufer bekommt weniger fürs Geld.
2. Es wird nicht mehr ersichtlich, welche Schreibweisen reformiert sind und welche nicht. Dabei wollen das die Schreiber in vielen Fällen wissen! Ein gewaltiger Verlust an Information.
3. Durch die aufdringliche Voranstellung der vom Duden bevorzugten Schreibweisen geht die Orientierung verloren, welche Schreibweisen üblicher, beliebter oder aus sonstigen Gründen geeigneter sind. Das Duden-Wörterbuch wird so vollends von einem Arbeitswerkzeug zu einem Instrument der Manipulation.

Den einzigen positiven Nebeneffekt sehe ich im Verbergen des amtlichen Regeltextes. Man versteckt etwas, was man aus irgendwelchen Gründen verstecken möchte. Ein dem Blick der Öffentlichkeit vielleicht auch aus Scham entzogenes Ungetüm läßt sich leichter der Veränderung und irgendwann der Entsorgung zuführen.


Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 04.08.2009 um 23.12 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7918

So ist es leider, lieber Germanist. Solange muss und dass in einem Buch drinstehen, geht es als "reformiert" durch. Außerdem trenne man s-t auf Deibel-komm-raus (ich weiß gar nicht, ob man das nach deformierter Schreibe so schreiben darf, nach traditioneller darf ich, denn ich schreibe nach Kopf und nicht nach irgendwelchen abstrakten Regeln). Die Damen und Herren der KMK haben sich noch niemals mit der Sache an sich befaßt und nur Parolen wiederholt. Sie geben sich damit zufrieden, daß der Buchdeckel sagt: "entspricht den neuesten / aktuellen [weitere Wortfindungen sind willkommen] Regeln". Und schon ist ein Werk "schultauglich"; das hatten wir hier als Thema schon, soweit ich mich erinnere. So geht es wohl auch mit den inzwischen schnellebigen (und bald eben auch schon wieder wertlosen) Wörterbüchern. Mal eine Preisfrage: wann kommt der nächste Duden oder Wahrig?


Kommentar von Aus Gründen namenlos, verfaßt am 04.08.2009 um 22.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7917

Man kann also die bisher üblichen Schreibweisen nicht mehr erschließen. Von ihnen behauptet der Verlag, es gebe sie praktisch nicht mehr.

Schulbuchverlage und ihre Autoren behaupten das und noch mehr: Die üblichen Schreibweisen habe es niemals gegeben: Auch in den neuesten Schulbüchern erscheinen nämlich Texte in Reformschreibung, die laut Quellenangaben nicht in Reformschreibung sein dürften, denn die angeblich zitierten Texte stammen z.T. deutlich aus der Zeit vor der Reform.

Viele Schulbuchautoren sind nicht nur ihrem Verlag verpflichtet, sondern gleichzeitig auch noch im Kultusapparat tätig, haben dort Mitspracherecht und Entscheidungsgewalt hinsichtlich der Kernlehrpläne und Richtlinien. Anscheinend ist de jure nichts dagegen einzuwenden – doch äußert sich hier deutlich der Unterschied zwischen dem, was Recht ist, und dem, was recht ist.
Wie leicht ist es unter diesen Umständen, so etwas wie die RSR zu verankern.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 04.08.2009 um 20.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=631#7915

Anscheinend war genau das mit der "Abschaffung des Duden-Monopols" gemeint. Rechtschreibwörterbücher brauchen keine Schulbuchzulassung, wenn "Neue Rechtschreibung" draufsteht. Jetzt haben wir schon drei unterschiedliche "Neue Rechtschreibungen", und es können leicht noch mehr werden. Es gilt die Vereinigungsmenge aus allen. Es bleibt schwierig.



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