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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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11.02.2008
 

Beim Korrigieren notiert
Grundkurs Sprachwissenschaft

In den Klausuren wird ständig „ausserdem“ usw. geschrieben, außerdem natürlich „Nummerus“. Ich bin durch gewisse Antworten auf die Prüfungsfragen auch auf etwas anderes gestoßen:

Die beiden führenden sprachwissenschaftlichen Lexika, Bußmann und Metzler (Glück), beginnen den Eintrag „Konstituentenanalyse“ so: „(auch IC-Analyse < engl. immediate constituent analysis)“ (Metzler) bzw. „engl. immediate constituent analysis. – Auch: IC-Analyse“ (Bußmann).

Das ist offenbar falsch, denn auch die Angelsachsen unterscheiden sehr wohl zwischen unmittelbaren und mittelbaren Konstituenten. Im weiteren Verlauf der Einträge wird das auch halbwegs klar, aber warum dann die irreführende Gleichsetzung am Anfang?

Übrigens: Anfang und Beginn werden in Grundkurs-Klausuren als Fall von strikter Synonymie angeführt. Weit gefehlt! Ein Faden zum Beispiel hat einen Anfang und ein Ende, aber keinen Beginn. Anfang Juni ist nicht Beginn Juni usw. Schon Bierwisch behauptete vollständige Bedeutungsgleichheit und dazu stilistische Neutralität von anfangen und beginnen. Auch das ist falsch, und zwar auch hinsichtlich der Stilistik.



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Kommentare zu »Beim Korrigieren notiert«
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Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 11.02.2008 um 18.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11397

Wird Hadumod Bußmanns Nachname eigentlich mit kurzem oder mit langem u ausgesprochen? Im Internet findet man manchmal die Schreibweise Bussmann. Haben da einige ultraorthodoxe Reformgläubige gemeint, die Heysesche s-Regel auch auf Eigennamen anwenden zu sollen?
 
 

Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 11.02.2008 um 22.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11401

In der Alltagssprache kann man sagen: »Jetzt fang endlich an!«, aber kaum: »Jetzt beginn endlich!«
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 11.02.2008 um 23.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11402

Gibt es Fälle von »strikter Synonymie« (wenn damit absolute Bedeutungs- und Verwendungsgleichheit gemeint sein sollten)?
 
 

Kommentar von T.P., verfaßt am 12.02.2008 um 10.42 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11410

Wenn "Anfang" und "Beginn" sich völlig deckten, gäbe es wohl nach so langer Konkurrenz eines der beiden Wörter heute nicht mehr.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.02.2008 um 13.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11412

Strikte Synonymie gibt es vielleicht am ehesten da, wo regional verschiedene, aber gleichermaßen hochsprachliche Varianten dasselbe bezeichnen: Zündholz vs. Streichholz usw.
 
 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 12.02.2008 um 14.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11414

Also auch "Berliner", "Krapfen" und "Pfannkuchen"?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.02.2008 um 14.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11415

Siehe unten, »gleichermaßen hochsprachliche Varianten«.
 
 

Kommentar von Peter Schmitt, verfaßt am 12.02.2008 um 16.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11417

Wo bedeutet "Krapfen" dasselbe wie "Pfannkuchen"?
Regionale Bezeichnungen für Speisen sind als Beispiele für Synonyme nicht gut geeignet, weil sie sich meistens – auch wenn sie äußerlich ähnlich sind – in der Rezeptur unterscheiden.
(Auch "Pfannkuchen", "Palatschinke" und "Crepe" sind nur ungefähr dasselbe!)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.02.2008 um 17.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11429

Meine alte Freundin Hadumod Bußmann spricht sich mit kurzem u. Manche halten sie wegen des seltenen Vornamens auch für einen Mann, was aber ebenso falsch ist wie bei der Hamburger Germanistin Els Oksaar.

Zur Synonymie: Wenn die Wörter zu verschiedenen Dialekten oder Registern gehören, ist natürlich "strikte" Synonymie konstruierbar, aber das wäre trotzdem ein Kunstfehler, weil sie ja nicht innerhalb desselben Teilsystems gebraucht werden. Konkurrierende Bezeichnungen werden nach dem "Bréalschen Verteilungsgesetz" ausdifferenziert. Das war das Schicksal der meisten Fremdwörter und ihrer puristischen Eindeutschungen. So sollte "Zerrbild" eigentlich "Karikatur" ersetzen, aber ein Karikaturist würde sich mit Recht dagegen wehren, als Zerrbildzeichner bezeichnet zu werden ...
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.02.2008 um 22.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11432

Wo bedeutet "Krapfen" dasselbe wie "Pfannkuchen"?

Die Frage, lieber Herr Schmitt, ist nicht ganz klar zu beantworten, weil natürlich die verschiedenen Bezeichnungen nirgendwo ganz das gleiche meinen.
Ich habe aber den Eindruck, daß Sie unter einem Krapfen eher diese runden, mit Marmelade gefüllten und mit Zucker bestreuten Bällchen verstehen, die zur Faschingszeit Hochkonjunktur haben, und die man oft als Berliner bezeichnet.

Dagegen scheinen Sie unter einem Pfannkuchen so ein flaches Gebäck zu verstehen, aus dem schon Wilhelm Busch seinen Papa Fittig in "Plisch und Plum" eine heiße "Pfannenkuchenmütze" für Herrn Schlich machen ließ. Ich weiß noch, wie ich als Kind beim Lesen dieser Bildergeschichte in meinen Grundfesten erschüttert war, weil ein nach meinem Verständnis kugelrunder Pfannkuchen hier mit einem völlig flachen Eierkuchen gleichgesetzt wurde.

Also falls Sie mal in meine Heimat, das Erzgebirge, kommen und Appetit auf einen Krapfen verspüren, und falls Sie damit einen Berliner meinen, dann sollten Sie unbedingt einen Pfannkuchen verlangen, sonst wird es Ihnen sicherlich nicht schmecken.

Krapfen waren bei uns immer diese sehr pfannkuchenähnlichen (also fast kugelrunden), leicht schrumpligen Dinger ohne Marmeladenfüllung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.02.2008 um 17.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11453

Neulich stieß ich auf das schwache Präteritum "betrügte". Eine Suche bei Google ergab ziemlich viele Belege, Internet-Wörterbücher übersetzen es kaltlächelnd ins Englische (rooked, swindled).
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 16.02.2008 um 19.11 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11454

Ich bin vor einiger Zeit auf "schwörte" und "glimmte" gestoßen. Wie sind diese Formen zu beurteilen?
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 16.02.2008 um 21.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11455

Zu 11454: Naja, Sprache verändert sich. Und in der Vergangenheit hat sie sich so verändert, wie es diese schwachen Formen nahelegen. Ziemlich lange haben wir schon "Die Kerze [v]erlöscht", auch bei Leuten, die viel und sonst akzeptabel schreiben, — wo ich ja gerne "[v]erlischt" sähe, weil das ja eigentlich (nach *meiner* Muttersprache) die zu erwartende Form wäre. (Aber verstünden heute alle gleich, wenn jemand, sagen wir, in einem Märchen, zu einem Brand sagte: "[V]erlisch!"?) Nur fanden die Veränderungen der Vergangenheit zu einer Zeit statt, wo noch keine Handbücher beratend diktierten, wie wir's denn nun sagen sollten/müßten/dürften. In der neuesten Gegenwart haben wir zwar die Handbücher noch, — aber wer richtet sich bei unserm Bildungsverfall und der Überzahl der Handbücher denn schon danach? Auch den neuesten Duden kaufen sich die Leute doch nur noch, um ihn zur Hand zu haben, nicht um ihn wirklich zu benutzen. Ähnlich wie beim Englischen am Beginn der mittelenglischen Zeit, wo sich Wortformen ohne jegliches Vorbild von vorbildlichem Englisch entwickelten und weiterentwickelten, sagen's die Leute heute, wie sie's nach ihrer Meinung halt durchaus sagen könnten. Zwar entsprechen die hier zitierten Formen keiner standardkonformen Kommunikation, aber verständlich sind sie doch... Und Hand aufs Herz: Ist das Imperfekt von "schwören" nun "schwor" oder "schwur"? (Ich bin mal auf dieses Forum hier aufmerksam geworden, weil's um den Konj. II ging, der ja auf der Imperfektform aufbaut [http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=2#100].)

 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 16.02.2008 um 22.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11456

"Er ist ja da. Er ist dader denn je." Edmund-Stoiber-Double Michael Lerchenberg über den früheren Ministerpräsidenten. (Südd. Zeitg. v. 16./17.2.08, München)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 16.02.2008 um 23.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11457

Genauer sollte es vielleicht heißen »gleichermaßen hochsprachliche Varianten regional unterschiedlicher Herkunft«. Idealiter sollte sich also die regionale Herkunft verdunkelt haben und es Sprecher geben, die beide Synonyme zwanglos nebeneinander verwenden. Letzteres ist wahrscheinlich bei Zündholz vs. Streichholz nicht der Fall, aber zumindest dürfte den meisten Sprechern des Deutschen hier die räumliche Zuordnung schwerfallen, und eine inhaltliche Differenzierung à la Bréal zeichnet sich auch nicht ab.

Und von wievielen Teilsystemen innerhalb des Hochdeutschen kann man sinnvollerweise sprechen? Sicherlich gibt es eine österreichische Variante, aber andere Sprachgrenzen überschneiden einander: Wer Fleischer sagt und nicht Metzger, muß deshalb noch nicht Sonnabend statt Samstag sagen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2008 um 17.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11471

Wie sich die Mundarten, die Schriftsprache, die Umgangssprache, die Leseaussprache und vielerlei Register mischen und schon früher gemischt haben, ist wunderbar dargestellt in einem alten Buch von Walter Henzen: Schriftsprache und Mundarten. Wer es irgendwo kriegen kann, sollte es erwerben und lesen. Der Berner Germanist hat auch ein klassische deutsche Wortbildung verfaßt , aus der man mehr lernen kann als aus allen "modernen" zusammen.
 
 

Kommentar von Roger Herter, verfaßt am 20.02.2008 um 20.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#11487

Zur Frage von Herrn Metz (#11402) nach Fällen von "strikter Synonymie":

Ich sehe völlige Bedeutungs- und Verwendungsgleichheit etwa bei "sich in Lebensgefahr = Todesgefahr begeben"; ein Schild "Achtung Lebensgefahr!" warnt vor Todesgefahr, der Totenkopf auf der Giftflasche bedeutet Lebensgefahr. Sieht da jemand einen Unterschied?
 
 

Kommentar von R. H., verfaßt am 02.08.2008 um 18.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#12820

Und noch einmal an Herrn Metz (bzw. zum vorigen Eintrag), da ich beim Übersetzen kürzlich damit zu tun hatte:

Auch wenigstens und mindestens scheinen mir strikt synonym zu sein.
 
 

Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 02.08.2008 um 19.19 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#12821

In dem Satz
Sie hat sich zwar nicht bedankt, aber wenigstens hat sie nett gelächelt
läßt sich wenigstens zwar durch zumindest, aber meines Erachtens nicht durch mindestens ersetzen.
 
 

Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 02.08.2008 um 19.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#12822

Der Satz
Sie hat wenigstens / zumindest nett gelächelt
bedeutet soviel wie: »Sie hat nett gelächelt. Man hätte zwar mehr von ihr erwarten können, aber nett lächeln ist immerhin besser als gar nichts.«

Der Satz
Sie hat mindestens nett gelächelt
bedeutet soviel wie: »Entweder hat sie nett gelächelt, oder sie hat etwas getan, was über ein nettes Lächeln hinausging.«
 
 

Kommentar von Christian Kaul, verfaßt am 16.01.2009 um 01.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#13769

Auch Haindlings (falls der hier jemandem etwas sagt) "I hob wenigstens g'raucht" würde ich nicht durch "I hob mindestens g'raucht" ersetzen, eher durch eine Konstruktion mit "immerhin" oder auch mit dem bereits genannten "zumindest".

Mehr beschäftigt mich im Moment das Wörtchen "zumindestens", das ich in den letzten Jahren immer wieder mal höre, und über dessen Bedeutung sich auch seine Verwender nicht hundertprozentig einig zu sein scheinen. Ein ähnlicher Fall wäre "lohnenswert".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2013 um 10.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=967#22343

Seine Ahnung trügte ihn nicht. (Wolfgang Krischke: Was ist Deutsch? München 2009:157)
 
 

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