02.08.2005

Ein düsteres Kapitel

GEW begrüßt ergebenst das In-Kraft-Treten

Das Lehren und Lernen der Rechtschreibung nach den neuen Regeln macht weniger Probleme als früher.

"Das jedenfalls sagen uns übereinstimmend die Grundschullehrerinnen [sic], die nun seit 1998 die neue Schreibweise unterrichten." Mit diesen Worten begrüßte die stellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer die Entscheidung der 14 Bundesländer, die Rechtschreibreform am 01.08.2005 wie vorgesehen in Kraft zu setzen. Obwohl sie umlernen mussten, hätten selbst Lehrkräfte und ältere Schüler „überraschend wenig“ protestiert und die neuen Regeln schnell akzeptiert. „Die Schulen haben schnell gemerkt, dass die Veränderungen so gewaltig nicht waren.“, [sic] so Demmer.

Dass es strittige Fälle bei einer so komplizierten Sprache wie der deutschen gebe, könne nicht verwundern. Die GEW wünsche deshalb dem Rat für deutsche Rechtschreibung „eine glückliche Hand und überzeugende Empfehlungen“ für den „kleinen strittigen Bereich“. Vor allem wünsche sie dem Rat „Standfestigkeit gegenüber den Instrumentalisierungsversuchen der Reformgegner“, die nach ihrer Ansicht mit Hilfe des Rates die Reform generell rückgängig machen wollen. Die Tatsache, dass mittlerweile sieben Schülerjahrgänge in allen Bundesländern nach den neuen Regeln lernten, interessiere dabei offenbar „nicht die Bohne“. Marianne Demmer: „Die jungen Menschen und ihre Lehrer wünschen sich dringend ein Ende des Rechtschreib-Kulturkampfes und dass endlich einmal auf ihre wirklichen Probleme - wie etwa zu große Klassen und zu wenige Ausbildungsplätze - so viel Energie verwendet wird wie auf die Rechtschreibung.“

Die GEW-Vize lobte, dass die große Mehrheit der Bundesländer „standhaft geblieben“ sei und dem jüngsten „überfallartigen Erpressungsversuch von Bayern, Nordrhein-Westfalen und dem Springer-Verlag“ nicht nachgegeben habe. „Aber“, so Marianne Demmer, „wir stellen uns auf eine Verlängerung der Hängepartie ein, denn die Reformgegner spielen auf Zeit und wollen generell zur traditionellen Rechtschreibung zurück“. Im Vorgehen Bayerns und Nordrhein-Westfalens sehe sie eine „bedenkliche Entwicklung und ein düsteres Kapitel des Föderalismus“. Nach Einschätzung der GEW-Vize proben die „großen Landesfürsten“ ihre Macht gegenüber den kleinen Bundesländern und der Bundesebene. Es werde deshalb immer dringlicher, über eine Bundeskompetenz in grundlegenden bildungspolitischen Fragen“ nachzudenken. Demmer: „Es kann nicht sein, dass einzelne Herren den Bildungsbereich zu einem zentralen Kampfplatz parteipolitischer Profilierung und persönlicher Eitelkeiten machen und darüber entscheiden wollen, dass bei ihnen anders als im Rest der Republik geschrieben wird.“ Bayern und Nordrhein-Westfalen hatten ihr plötzliches Ausscheren vor wenigen Tagen damit begründet, sie wollten die Entscheidungen des Rates für deutsche Rechtschreibung abwarten, um eine „Reform aus einem Guss“ zu erhalten. Demmer zeigte sich jedoch überzeugt, dass es sich um eine „vorgeschobene Begründung“ handelt, um die eigentlichen Absichten zu verbergen. Vor allem auch das Verhalten des niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff spreche für diese Einschätzung. Dieser hatte nach der Entscheidung seines Kabinetts, die Reform gegen sein Votum ebenfalls zum 01.08.005 umzusetzen, die Öffentlichkeit umgehend wissen lassen, er bleibe ein Kämpfer gegen die Schreibreform“ und im gleichen Atemzug mehr Kompetenzen für den Rat für deutsche Rechtschreibung gefordert.

An die Schulen gerichtet erinnerte die stellvertretende GEW-Vorsitzende daran, dass Rechtschreibfehler „weder ein Zeichen von Charakterschwäche noch von mangelnder Intelligenz“ seien. Rechtschreibung sei ein Lernfeld, bei dem sich „Sorgfalt und Geduld“ und die Anwendung moderner Vermittlungsmethoden - besonders bei solchen Kindern und Jugendlichen, denen das richtige Schreiben „nicht zufliegt“ - besonders lohne.



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