10.12.2016 Dankwart Guratzsch Rechtschreibrat: Unfähig! Setzen!Zum dritten Bericht des RechtschreibratesDer Rechtschreibrat hat seinen Tätigkeitsbericht für den Zeitraum 2011 bis 2016 veröffentlicht (PDF-Datei siehe hier). Dieser wird von Dankwart Guratzsch kritisch gewürdigt.Es gehört schon eine beachtliche Portion Ignoranz und Abgehobenheit dazu, wenn der Rat für deutsche Rechtschreibung unter seinem ewigen Vorsitzenden Hans Zehetmair der Kultusministerkonferenz in seinem „3. Bericht“ seit der Rechtschreibreform mitteilt: Im wesentlichen alles in Ordnung, die neue Rechtschreibung bedürfe nur „an zwei Stellen“ einer gelinden Nachbesserung. Die Stellen sind: Für den zur Hälfte beseitigten Buchstaben „ß“ solle eine Großschreibung zugelassen werden, desgleichen für das „Schwarze Brett“. Das ist an Komik kaum zu überbieten. Lesen die Leute keine Zeitung, keine Pisa-Studien, keine Klagen der Wirtschaft, Universitäten und Kommunen? Wissen sie wirklich nicht, wie es um die Rechtschreibung seit der überflüssigen, teuren und chaotischen Reform steht? Haben die Mitglieder des eigens von der Bundesregierung eingesetzten, für deutsche Orthographie zuständigen Gremiums allen Ernstes nicht mitbekommen, dass die Rechtschreibleistungen inzwischen einen Tiefstand erreicht haben wie seit hundert Jahren nicht? In sozialen Medien kann man derzeit immer häufiger lesen: Bitte keine Zuschriften in falscher Rechtschreibung! Das Volk, von dem Martin Luther gesagt hat, man solle ihm aufs Maul schauen, hat längst durchschaut, dass es sich bei dieser „Reform“ um den schlimmsten sprachpolitischen Rohrkrepierer seit des seligen Konrad Dudens Zeiten handelt – und spricht es aus. Doch es geht ja nicht um Petitessen. Das Versagen in der Rechtschreibung verbaut Karrieren, vermasselt Schulleistungen, liefert Bewerber an Universitäten und in Betrieben der Lächerlichkeit aus. Selbst Internet-User, denen man nachsagt, dass sie es mit dem genauen Lesen und erst recht Schreiben angeblich nicht so genau nehmen, greifen inzwischen zur Selbsthilfe. „Bitte nur in korrekter Rechtschreibung antworten!“ ist ein Hilferuf, der vor allem eins dokumentiert: das Reformversagen selbstherrlicher Eliten, die gar nicht daran denken, begangene Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Vor wenigen Monaten hat der Philologe und Pädagoge Uwe Grund unter dem Titel „Orthographische Regelwerke im Praxistest“ die bisher umfassendste, 240 Seiten dicke Studie über „schulische Rechtschreibleistungen vor und nach der Rechtschreibreform“ vorgelegt – eine Arbeit, die zu veranlassen und sorgsamst auszuwerten dem so genannten Rat gut angestanden hätte. Allein aus der Zeit vor der Reform hat Grund dafür 15.000 Schülerarbeiten mit einem Fundus von 90.000 Fehlern aus einem Gesamtaufkommen von drei Millionen Wörtern untersucht, und zwar sowohl aus der Bundesrepublik als auch der DDR. Dieses Datenmaterial konfrontierte der Autor mit Vergleichsdiktaten von Schülern aller Schulformen der Jahre nach der Reform. Obwohl diese unglaubliche Fleißarbeit eines Wissenschaftlers in den Berichtszeitraum des „Rates“ fällt, würdigt sie dieser mit keinem Sterbenswort. Das hat einen leicht durchschaubaren Grund. Die Studie zeigt nichts anderes als die Unfähigkeit des Rates, den ihm erteilten Auftrag zur „Beobachtung des Schreibgebrauchs und der Analyse von Veränderungen und Schwankungen in der Schreibung“ wahrzunehmen. Wie der Philologe nachweist, ist die Fehlerquote in Diktaten nach der Reform um 30-50 Prozent gestiegen. Einer weitverbreiteten Meinung entgegen hat auch und gerade die neue ss-/ß-Schreibung zu einer „erhöhten Fehlergefährdung“ selbst bei oberen Klassenstufen geführt. Von alldem hat der „Rat“ als Wächter der Rechtschreibung nichts bemerkt. Die Reform als das zu bezeichnen, was sie ist: ein Scherbenhaufen, kommt ihm nicht in den Sinn. Man sollte ihm raten, weiterer Ratschläge zu entraten und es seinem Oberrat Zehetmair nachzutun, der am Ende einer ratlosen Beratungstätigkeit zum Jahresende seinen Hut nimmt. Schlechter kann eine Amtszeit sich kaum entwickeln. Quelle: Die Welt Link: https://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article160166147/Rechtschreibrat-Unfaehig-Setzen.html
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