05.08.2004 Die angebliche „Jahrhundertreform“ ist gescheitertEin Chefredakteur zieht BilanzFranz Kadell reicht es jetzt langsam. Wiederholt hat er gegen die Rechtschreibreform Stellung bezogen, nun will er Taten sehen.»Das leidige Thema "Rechtschreibreform" kocht wieder hoch. Nachdem die zuständigen Kultusminister erst im Juni beschlossen hatten, das neue "Regelwerk" solle wie geplant im August 2005 in Kraft treten, haben sich jetzt die Ministerpräsidenten des Themas angenommen. Warum so plötzlich der Eifer? Gibt es da etwa eine neue "Chefsache"? Das kann nur Misstrauen wecken. Zu Recht. [. . .] Der Mehrheit graust beim Begriff "Neue Rechtschreibung". Das ganze Durcheinander, die vielen unlogischen Neuregelungen, die Verhunzungen und Verunsicherungen sind x-mal dargestellt worden und stehen jedermann vor Augen. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki hat jüngst im "Spiegel" abermals in der ihm eigenen Art gegen das "Chaos" vom Leder gezogen. War der Nobelpreis für Günter Grass nun "wohlverdient", oder war er - wie es die neue Rechtschreibung will - "wohl verdient", also nur vermutlich verdient. Auch wenn Reich-Ranicki keine Quelle angibt - die Stelle zu Grass war gemäß der neuen Rechtschreibung gedruckt erschienen, und zwar in einem Beitrag von Joachim Kaiser in der "Süddeutschen Zeitung" am 1. 10. 1999. Reich-Ranicki spricht auch von nun zugelassenen, "absurden" Trennungen und führt an, aus Demo-kratie" könne "Demok-ratie" werden? Wo hat er das denn her? Der Duden, der Bertelsmann/Wahrig wie auch das neue Wörterbuch im Lingen-Verlag führen diese in der Tat absurde Variante (das Wort setzt sich aus dem griechischen "Demos" für Volk und "Kratein" für herrschen zusammen) nicht auf. Wollte Reich-Ranicki provozieren? Mal sehen, wer sich meldet? Oder hat er sich schlicht geirrt und der "Spiegel"-Redaktion ist es durchgegangen? Wie auch immer. Das Beispiel zeigt nur deutlicher, dass durch den großspurig als "Jahrhundertreform" gepriesenen Gewaltakt gegen die Sprache nicht Schwächen beseitigt wurden, sondern ein recht gut funktionierendes Regelwerk zerstört wurde.« ( Magdeburger Volksstimme, 04.08.04 )
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