24.09.2005


Christian Eichler

Halbdeutsch auf trapattonisch

Trapattoni, ein Erbe Rossinis. Beide erhielten daheim in Italien den Beinamen „tedesco“: der Deutsche. Beide sind Opern-Stars.

Weil Fußball die Oper des Volkes ist, kopiert in der Weltmeisterschafts-Saison die Hochkultur der Bühne die Alltagskultur des Balls - begierig, sich echtes Leben und große Gefühle in den Spielplan zu holen. So im Oratorium "Die Tiefe des Raumes", das sich im Fundus der Fußballmythen bedient - und natürlich nicht an Trapattonis Bayern-Arie vorbeikam ("Schwach wie eine Flasche leer"). Endlos sind seit 1998 die Blitze und Donner seines Wortgewitters kopiert, wiederholt, benutzt worden; in Reden, Witzen, Zitaten, Gesängen. Der Infobrief "Deutsch als Fremdsprache" prägte sogar den Fachbegriff "Trapattoni-Deutsch". Doch während die Medienmaschine sonst jeden Jux zu Tode reitet, nutzte sich Trapattonis Unterhaltungswert nicht ab. So was nennt man wohl einen Klassiker.

Was für seinen Fußball nicht gilt. Mutig von ihm, zurückzukehren und ein Dakapo zu geben. [. . .] Der Sympathievorschuß half nur kurz. "Gute Tag. Iche schon wieder da. Iche habe noch nicht fertig": die ersten Worte in Stuttgart, ein Lacherfolg. Der Klub nutzte den guten Klang des schlechten Deutsch zum Tip an der Bundesstraße 10: "Wolle Spaß? Fahre rechts!" Aber schon nach dem ersten Heimspiel, 2:3 gegen Köln, wurden Trapattonis Hinweise komplexer: "Soldo okay, wir machen steht, bleiben okay spielen. Waren andere Spiele, waren weit de Ball, mussen näher, näher!" Seit dem zweiten Heimspiel redet er nur noch per Dolmetscher. Das klingt dann so (nach dem 1:2 gegen den Hamburger SV): "Der Lattenschuß in der Anfangsphase von Gronkjar hätte dem Spiel einen anderen Charakter geben können. Die Saison ist sehr lang, und eine Fußball-Mannschaft mit einem guten Charakter kann noch viel bewegen."

Schade drum. Wer erfüllt nun unsere Lust am charmanten Halbdeutsch? Selbst Anleitungen asiatischer Elektrogeräte bieten heute kaum noch Sprachrätsel. Da hilft nur Verreisen. Zum Brüsseler Südbahnhof, wo der Fahrkartenautomat die Option fürs Löschen der Eintragung auf deutsch erklärt: "Abschmieren". Zur Waterloo Station in London, wo ein Schild dem Reisenden einbleut: "Für Sicherheit gefallen Gründe Unterhalt Ihr Gepäck mit Ihnen ständig". Oder gleich in die Heimat des Fußball-Maestros. In Mailand gibt es ein Hotel, dem der Trapattoni-Stifterpreis für Verbalinnovation gebührte, wenn es ihn schon gäbe. Es rühmt sich der Nähe zur Kirche Santa Maria delle Grazie mit Leonardos "Abendmahl"-Fresko - und übersetzt diese Attraktion freundlicherweise dem deutschen Gast auch in dessen Sprache: "Letzter Abendessenanstrich".

F.A.Z., 24. 9. 2005



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