12.03.2006 Theodor Ickler StalkingDuden/Brockhaus ist bei der Werbung nicht zimperlichVor einigen Jahren rief mich eine offenbar noch junge Dame im Auftrag des Brockhaus-Direktvertriebs an (der wenig später an Bertelsmann verkauft wurde) und versuchte mir eine Brockhaus-Enzyklopädie aufzuschwätzen.Ich wies höflich darauf hin, daß ich erstens mit der vorigen Auflage noch recht gut versorgt und außerdem an rechtschreibreformierten Werken dieser Art nicht interessiert sei. Dann legte ich auf. Nach wenigen Sekunden rief sie wieder an und wurde zudringlicher. Ich bat sie, sich nicht weiter zu bemühen, und legte auf. Nach wenigen Sekunden rief sie wieder an, ein ganzes Stück aufdringlicher und geradezu frech. Ich verbat mir weitere Belästigungenn und legte auf. Nach wenigen Sekunden war sie wieder dran. Usw. Ich mußte das Telefon stillegen und wandte mich nach einer Pause an den Brockhaus-Vertrieb, um mich über diesen Telefonterror zu beschweren. Danach hatte ich Ruhe. Ungefähr zur gleiche Zeit kam folgendes Dokument zu meiner Kenntnis: Bayerischer Landtag 13. Wahlperiode Drucksache 13/10986 23. 04. 98/27. 04. 98 Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Schultz SPD vom 19. 12. 97 Besuch von Vertretern des Brockhaus-Verlages in bayerischen Schulen Seit Beginn des Schuljahres 1997/98 suchen Vertreter des Brockhaus-Verlages (Duden) anläßlich der geplanten Rechtschreibreform bayerische Schulen auf und verteilen Gutscheine zum Erwerb von Duden oder anderen Broschüren. Ich frage die Staatsregierung: 1. Stellen diese Vertreterbesuche in bayerischen Schulen Verstöße gegen Art. 84 Bayer. Erziehungs- und Unterrichtsgesetz dar, wonach „der Vertrieb von Gegenständen aller Art, Ankündigungen und Werbung hierzu, das Sammeln von Bestellungen sowie der Abschluß sonstiger Geschäfte in der Schule untersagt ist“? 2. Hat das Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst hierzu dem Brockhaus-Verlag und/oder anderen Verlagen die ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung zu Vertreterbesuchen in den Schulen erteilt; wenn ja, an welche Verlage und in wie vielen Fällen? 3. Sind diese Vertreterbesuche im Zusammenhang mit der geplanten Rechtschreibreform zu sehen und sollen dadurch Fakten geschaffen werden, um die Ablehnungsfront vieler Eltern gegen die Rechtschreibreform aufzuweichen? Antwort des Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst Bei Eingang der schriftlichen Anfrage lagen dem Ministerium keine Erkenntnisse über Vertreterbesuche an bayerischen Schulen vor. Entscheidungen im Zusammenhang mit solchen Besuchen obliegen nach den Schulordnungen den Schulleitern, eine Pflicht zu Berichten an das Ministerium aus solchen Anlässen besteht nicht. Da in der schriftlichen Anfrage auch keine konkreten Schulen genannt wurden, wurden stichprobenweise Schulaufsichtsbehörden bzw. Schulen um Stellungnahme gebeten. Nachdem nunmehr die eingeholten Stellungnahmen eingegangen sind, beantworte ich die schriftliche Anfrage wie folgt: Zu 1.: Vertreter des Brockhaus-Verlages haben sich an eine Reihe von Schulen im Raum Bad Windsheim gewandt und den Schulleitungen oder Schulsekretariaten Postkarten entsprechend der Anzahl der Schüler mit der Bitte um Verteilung an die Schüler und um Wiedereinsammlung übergeben. Die Postkarten waren mit folgendem Text bedruckt: „Gutschein für ein Buchgeschenk – Liebe Schülerinnen und Schüler! Bei unserer Aktion erhält jede/r Schüler/in nach Rückgabe der Gutscheinkarte ein Buchgeschenk aus der Dudenreihe. Für alle Schüler/innen senden wir die Bücher an die Schule. Die Eltern erhalten auf Wunsch Informationen über Brockhaus und Duden. Alles ist völlig kostenfrei und ohne jegliche Verpflichtung. 200 Jahre Brockhaus. Damit Lernen erfolgreich ist.“ Auf der Rückseite findet sich ein großer Hinweis: „Geschenk-Gutschein“, etwas kleiner der Vermerk „Bitte den Eltern vorlegen. Datenschutz.“ Adressiert ist die Karte an die Brockhaus Direkt GmbH in Mannheim. Eine Reihe von Schulen leitete die rücklaufenden Karten an den Adressaten weiter und übergab die versprochenen Buchgeschenke dann den Schülern. An einer Schule trug die Schulleitung – unter Hinweis auf die Regelungen über Werbung an Schulen – das Angebot der Brockhaus Direkt GmbH der Elternversammlung vor, wo einhellig die Meinung vertreten wurde, dass das Angebot wahrgenommen werden sollte. Bei dem verteilten Geschenk handelte es sich um ein Buch von Ulrich Püschel („Wie schreibt man jetzt?, Dudenverlag, Mannheim 1996“); teilweise konnte auch statt dieses Buches ein Nachschlagewerk („Weltraum, Erde, Leben und Geschichte, Meyers Lexikonverlag“) gewählt werden. Für die rechtliche Behandlung gilt Folgendes: In Art. 84 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) werden der Vertrieb von Gegenständen aller Art, Ankündigungen und Werbung hierzu, das Sammeln von Bestellungen sowie der Abschluss sonstiger Geschäfte in der Schule untersagt. Nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 BayEUG regeln die Schulordnungen Ausnahmen im schulischen Interesse. So dürfen nach (z.B.) § 125 Abs. 1 der Schulordnung für Gymnasien in Bayern (GSO) Druckschriften in der Schulanlage an die Schüler nur verteilt werden, wenn sie für Erziehung und Unterricht förderlich sind und keine kommerzielle oder politische Werbung enthalten; über die Verteilung entscheidet der Schulleiter. Nach den Art. 84 Abs. 1 BayEUG konkretisierenden Schulordnungen ist somit die Verteilung von Druckschriften an die Schüler nicht absolut ausgeschlossen. Wenn der zur Entscheidung im Einzelfall berufene Schulleiter bei der Beurteilung der maßgeblichen Kriterien einen weniger strikten Maßstab anlegt, erscheint dies vertretbar, solange die rechtlichen Grenzen nicht überschritten werden. Zu 2.: Über die „Genehmigung“ von Vertreterbesuchen in der Schule entscheidet ebenfalls der Schulleiter, nicht das Ministerium. Demgemäß wurden weder ausdrückliche noch stillschweigende Genehmigungen durch das Ministerium erteilt. Zu 3.: Aus den Ausführungen zu Frage 1 und 2 ergibt sich, dass das Ministerium keineswegs die Schaffung von Fakten veranlaßt hat, um eine etwaige Ablehnungsfront vieler Eltern gegen die Rechtschreibreform aufzuweichen. — Ich füge noch hinzu, daß es sich bei dem Buch von Püschel, wie hier schon nachgewiesen, um eines der schlechtesten Bücher überhaupt handelt.
Den Beitrag und dazu vorhandene Kommentare finden Sie online unter
|