16.09.2015 Theodor Ickler großZu einem grammatischen GrenzgängerAus dem Album grammatischer Grenzgänger könnte man das Adjektiv groß anführen, das als Adjektiv natürlich vollkommen unauffällig ist, aber eine kaum beachtete Sonderfunktion hat:Ich habe nicht groß darauf geachtet. Was ist das schon groß: ein amputiertes Bein; hier werden ganz andere Sachen wieder zurechtgepflastert. (Remarque) Außer Egon hatte niemand Lust, groß zu laufen. (Schnurre) Was tun Sie für Ihr Aussehen? Berger: Was soll man schon groß machen? Man muss realistisch wissen, dass man nichts machen kann. Es ist ein Naturgesetz, dass man älter wird und stirbt. (Abendzeitung 22.10.14, Interview mit Senta Berger) Was kann man schon groß einkaufen in der Mensa? Da gibt es ja nichts von Armani! (Badische Zeitung 18.6.15) (Beispiele teils aus Wörterbüchern) Die Wörterbücher verschweigen meist die obligatorische Unbetontheit, die das Wort mit den Modalpartikeln teilt. Kempcke et al. (Wörterbuch Deutsch als Fremdsprache) geben an, der Satz müsse verneint sein; Langenscheidts Großwörterbuch DaF kennt nur die rhetorische Frage, die durch groß "verstärkt" werde (was immer das heißt) – beides ist falsch. Außerdem sind die Punkte 19 und 20 bei Langenscheidt eigentlich identisch: 19: Was sollen wir groß darüber streiten? 20: Was ist schon groß dabei? Pauls Wörterbuch umschreibt "sonderlich", erwähnt aber nicht die Unbetonbarkeit. Die Zurücknahme der Betonung deutet auf eine Verlagerung in den autoklitischen Bereich. Im Gegensatz zu sonderlich kann daher dieses groß nicht im Fokus einer Negation stehen: Hast du Lust zu laufen? – Nicht sonderlich, aber *Nicht groß.
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