13.10.2010


Theodor Ickler

IDS und Europa

Bemerkungen zu einem Großprojekt

Aus der Beschreibung des Projekts "Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich" (IDS):

"Die Wahl europäischer Kontrastsprachen ist auch auf kulturpolitischem Hintergrund zu verstehen: Das Projekt soll Einsicht in die bei aller Verschiedenheit bestehenden grammatischen Gemeinsamkeiten zwischen dem Deutschen und bestimmten Kontrastsprachen oder den europäischen Sprachen insgesamt verschaffen. Diese beruhen nicht nur auf genetischen, sondern auch auf arealen und kulturellen Beziehungen. Das Projekt soll daher auch einen Beitrag zum europäischen Sprachbewusstsein und zur kulturellen Identität Europas leisten."

Ich bezweifle, daß es eine "kulturelle Identität Europas" gibt. Wie soll das "europäische Sprachbewusstsein" aussehen? Wenn es eine gemeinsame Prägung der europäischen Sprachen gibt, dann durch das Griechische und Lateinische. Typologisch, wie die Verfasser es sehen, wären andere Vergleiche als ausgerechnet mit dem Englischen, Französischen, Polnischen und Ungarischen sinnvoll.

Wie beim IDS üblich, werden auch die Belange des Faches "Deutsch als Fremdsprache" genannt. Das ist aber bei diesen Kontrastsprachen nicht besonders dringend, und man fragt sich auch nach den bisherigen Ergebnissen, was für den Deutschunterricht dabei herausspringen soll. Es ist wohl wieder mal nur vorgeschoben.

Das IDS sucht seit Jahrzehnten nach sinnvollen Aufgaben, findet sie aber nicht – oder macht solche riesenhaften Projekte, daß sie von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Man fragt sich, wie lange der Staat ein so üppig ausgestattetes Institut noch finanzieren will. (Diese Bedenken haben natürlich nichts mit der Qualität einzelner Beiträge zum genannten Projekt zu tun.)


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