12.10.2008


Theodor Ickler

Plastikwörter

Warum begnügen wir uns mit leerem Stroh?

Gestern machte sich jemand in der Süddeutschen Zeitung über die in der Tat lächerlichen Buchankündigungen lustig, mit ihren Adjektivgirlanden usw. Ich wundere mich auch schon lange, warum wir so vieles hinnehmen, was eigentlich sofort in sich zusammenfallen müßte, wenn man auch nur einen Augenblick genauer hinschaute.

Elke Heidenreich sagt über den gerade ernannten Literaturnobelpreisträger Le Clézio: "Sein Werk ist ein sehr intelligentes, sehr kluges Werk, aber es hat immer eine ganz große menschliche und dichte und warme Dimension."
Gibt es eigentlich andere Sprachen, in denen man ungeniert von "warmen Dimensionen" reden kann? (Das "aber" wäre auch einen Kommentar wert.)

Hier sind noch ein paar Dimensionen, jeweils mit Übersetzung:

"Den mathematischen Verfahren kommt die Dimension der Instrumentalität zu." (Mathematische Verfahren sind Werkzeuge.)

"Der Massenselbstmord der vierhundert in Guyana hatte, bevor es dazu kam, die Dimension der Unvorstellbarkeit." (war unvorstellbar)

"Es steckt ebenfalls eine ausgeprägt autobiographische Dimension in diesem Text." (Der Text ist autobiographisch.)

Es geht mir, wohlgemerkt, nicht um ein paar stilistische Entgleisungen, sondern um die grundsätzliche Haltung gegenüber Texten. Wie gleichgültig muß man das Bildungsgeschwätz hinnehmen, damit so etwas zum beinahe normalen Stil der Sachprosa werden konnte? Es scheint eine verbreitete Scheu zu geben, das Einfache einfach auszudrücken (oder den Mund zu halten, wenn es gar zu einfach ist ...).


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