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20.08.2004
 

Ungeprüft durchgesetzt
Die Rechtschreibreform an den Schulen

„Erhebungen und Umfragen“ bestätigen nach Angabe der Kultusminister, daß die neue Rechtschreibung an den Schulen erfolgreich eingeführt wurde. Es ist aber nicht einfach, über solche Untersuchungen konkrete Auskünfte zu bekommen.

„Weitestgehend ohne Probleme“ werde die amtliche Rechtschreibung an den deutschen Schulen unterrichtet, erklärte das Sekretariat der Kultusministerkonferenz (KMK) am 6. August in einer eilends formulierten Pressemitteilung. In dieser Einschätzung sind sich alle Verteidiger der Rechtschreibreform einig. „Erschreckend wenig interessieren sich die Kritiker für das Wohl unserer Kinder, die seit Jahren problemlos die neuen Regeln lernen“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Steinbrück gegenüber der Illustrierten „Focus“. Daran ist richtig, daß sich die Kritiker weniger für das Allgemeinwohl der Schulkinder interessieren als für ihre Rechtschreibleistungen. Über diese aber liegen nur wenige verläßliche Angaben vor. Reinhard Markner ist den Spuren nachgegangen.



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Kommentare zu »Ungeprüft durchgesetzt «
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.12.2019 um 16.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=80#11063

Natürlich kann die Reformschreibung an den Schulen "problemlos" oder "weitestgehend ohne Probleme" gelehrt werden. Auch die Lehre, daß die Welt vor etwa 6.000 Jahren von Gott geschaffen wurde, kann problemlos weitergegeben werden. Spricht das für sie?


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.12.2019 um 17.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=80#11062

Die im Haupteintrag genannte Pressemitteilung der KMK ist später ausformuliert worden und in der folgenden Fassung veröffentlicht, die sich heute noch gleichlautend auf den Websites der GEW und des Verbandes der Schulbuchverleger (Bildungsmedien e. V.) findet:

Neuregelung der deutschen Rechtschreibung ist in den Schulen
KMK 01.10.2004
Die 1998 in den Schulen eingeführte reformierte Rechtschreibung erfährt in den Schulen hohe Akzeptanz und wird von den am Schulleben Beteiligten ausdrücklich unterstützt. Das unterstrichen Vertreterinnen und Vertreter des Bundeselternrates, der Bundesschülerkonferenz, der DGB-Bildungsgewerkschaft GEW sowie des im Beamtenbund organisierten Verbandes Bildung und Erziehung und des Dachverbandes der Schulbuchverlage, VdS Bildungsmedien, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Doris Ahnen, und ihrer Stellvertreterin im KMK-Präsidium, Karin Wolff.
"Kontinuierlich sind Schülerinnen und Schüler in die vereinfachenden Regeln der neuen Rechtschreibung hineingewachsen", unterstrich der Vorsitzende des Bundeselternrates Wilfried Steinert. Der Vorsitzende der Bundesschülerkonferenz, Dino Maiwaldt, ergänzte: "Bildungspolitik und Bildungsreformen, so auch die Rechtschreibreform, müssen verlässlich und verantwortungsbewusst sein, um jenen gerecht zu werden, für die sie gemacht werden – nämlich die Schülerinnen und Schüler."
Mehr als 14 Millionen Schülerinnen und Schüler haben seit 1998 weitestgehend ohne Probleme die deutsche Rechtschreibung nach dem reformierten Regelwerk gelernt oder erlernen sie derzeit noch. "Die Lehrerinnen und Lehrer unterrichten in den Schulen erfolgreich nach der neuen Rechtschreibung. Eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung wäre unverantwortlich und führt bei den Schülerinnen und Schülern nur zu Verunsicherung", unterstrich die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Dr. Eva-Maria Stange. Auch Dr. Ludwig Eckinger, der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), lehnte eine Rücknahme der Reform ab. "Die Erfahrungen in den deutschen Schulen liefern keine Belege dafür, dass die Reform, wie teilweise behauptet, ´total gescheitert´ ist," sagte Eckinger und ergänzte: "Die derzeitige hysterische Debatte um die Rechtschreibreform ist ein eher erschreckendes Zeugnis dafür, dass der langjährige Diskussionsprozess über sinnvolle Änderungen der deutschen Rechtschreibung nicht ernst genommen worden ist." Dr. Gerd-Dietrich Schmidt, der Vorsitzende des VdS Bildungsmedien, hob hervor, alle Mitglieder des Dachverbandes der Schulbuchverlage, die "mit mehreren Hundert Schulberatern tagtäglich in den Schulen sind", berichteten, das Erlernen der reformierten Rechtschreibung sei Alltag und erfolge völlig problemlos. "Eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung würde bei den Schulbuchverlagen, den Schulen und den Eltern Kosten in jeweils dreistelliger Millionenhöhe verursachen", fügte Schmidt hinzu.
Alle an der Pressekonferenz Beteiligten unterstrichen gemeinsam, dass es sich bei den viel diskutierten Beschlüssen zur Neuregelung der deutschen Rechschreibung um Regelungen für Schule und Verwaltung handle. In diesem Bereich brauche man Verbindlichkeit. Außerdem gehe es um die Schreibweise von Wörtern, nicht um die deutsche Sprache an sich. Dies werde in der öffentlichen Diskussion allerdings immer wieder miteinander vermischt.
"Schülerinnen und Schüler lernen und schreiben nicht nur in Deutschland, sondern insbesondere auch in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein nach den neuen Regeln. Gerade weil die Sprache eine hohe Bedeutung hat, war und ist die internationale Abstimmung bei allen Regelungen unverzichtbar", betonte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen. "Das heißt jedoch nicht, dass sich die deutsche Sprache und ihr schriftlicher Gebrauch in Zukunft nicht mehr verändern werden. Daher hat die Kultusministerkonferenz am 4. Juni 2004 beschlossen, einen neuen international besetzten Rat für deutsche Rechtschreibung einzusetzen, der den weiteren Gebrauch der Schriftsprache beobachten und daraus Folgerungen ableiten soll."
Dieser Rat solle ein plurales Meinungsspektrum repräsentieren und die wissenschaftliche Seite ebenso berücksichtigen wie diejenigen, für die der Gebrauch der Schriftsprache Alltagspraxis sei, stellten die KMK-Präsidentin und ihre Stellvertreterin, die hessische Kultusministerin Karin Wolff, gemeinsam fest. Für die Besetzung und die Kompetenzen dieses Rates habe das KMK-Präsidium erst Anfang dieser Woche einen Vorschlag unterbreitet. Doris Ahnen und Karin Wolff hielten fest: "Den Beschluss zum Ende der Übergangsfrist für die Fehlerkorrektur in den Schulen zum 1.8.2005 hat die Kultusministerkonferenz mit der Verabredung verbunden, einen Rat für deutsche Rechtschreibung einzusetzen. Dieser Vorschlag findet auch bei den zuständigen Stellen in Österreich und der Schweiz Unterstützung." KMK-Vizepräsidentin Wolff ergänzte: "Die Verunsicherung um die Rechtschreibung muss ein Ende haben. Mit der Einrichtung des Rates stellen wir die dringend erforderliche Verlässlichkeit wieder her." Die Vertreterinnen und Vertreter der Eltern- und Schülervertretungen, der Lehrerverbände und der Schulbuchverlage unterstützten diese Positionierung einhellig.
Herausgegeben vom Sekretariat der Kultusministerkonferenz (V.i.S.d.P. Andreas Schmitz), Lennéstr. 6, 53113 Bonn, Tel.: 0228/501-611


Über die Dreistigkeit solcher Texte braucht nichts mehr gesagt zu werden.

Interessant ist, wie die Vertreter der "Verbändeallianz" an den Fäden der Schulbuchverleger zappeln!

Übrigens: Wenn mehr als 14 Millionen Schüler - inzwischen noch viel mehr - die neue Rechtschreibung weitestgehend ohne Probleme gelernt haben, müßten sie doch bei Rechtschreibtests ziemlich gut abschneiden? Oder was heißt "ohne Probleme"?


Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 06.02.2013 um 01.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=80#9265

Fürs Archiv hier noch eine Zeugenaussage von Joachim Güntner (NZZ):

"Das Zauberwort der Reformer ist «Entlastung». Es spielte schon in den Debatten um die Rechtschreibreform seine zweifelhafte Rolle. Ein Referatsleiter im niedersächsischen Kultusministerium erklärte mir damals, man wolle die orthographischen Hürden für die Schüler herabsetzen, damit ihr Kopf frei werde «für Wichtigeres, stilistische Kompetenz zum Beispiel». Die Rechnung ist nicht aufgegangen. Sicherlich kann es manchmal geboten sein, für Entlastung zu sorgen. Kultur und Zivilisation beruhen darauf, dass es Homo sapiens gelang und gelingt, sich von der unmittelbar bedrängenden Existenznot zu befreien.

Zu simpel gedacht

Doch die Entlastung vom Naturzwang zugunsten kultureller Entwicklung ist etwas anderes, als innerhalb der kulturellen Sphäre Differenzierungen über Bord zu werfen, die dieser Sphäre eigentümlich sind. Die Reformer etwa annoncieren eine «Entlastung der Feinmotorik» durch Vereinfachungen der Schreibschrift, als sei dies etwas Gutes. Für Schüler mit Handicap mag das gelten. Wann aber, wenn nicht in der Kindheit, soll unsere Feinmotorik geschult werden? Bildungswege sind wie Wanderwege: Wer die Anstrengung scheut, bringt sich um schöne Aussichten. "

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, www.nzz.ch

Übrigens ein interessanter Artikel über Ausgangsschriften.


Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 23.08.2004 um 10.16 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=80#17

Dieses "Argument" der KMK ist ein Schein- bzw. Sekundärargument und für die Diskussion um die RSR eigentlich irrelevant:
1. ist die "Reform" eine Zwangsreform, von "Akzeptanz" oder Akzeptanzproblemen kann somit keine Rede sein. (Auch die Behauptung, die Erde sei eine Scheibe oder das heutige Leben nicht durch Evolution, sondern durch göttliche Schöpfung entstanden, wäre "problemlos" eingeführt und gelernt worden – Schüler haben weder die Macht noch das Wissen, sich dagegen zu wehren.)
2. erschöpft sich eine Schriftsprache nicht im Ausdrucksvermögen etwa eines Zehnjährigen, sie hat sich zu bewähren im Gebrauch durch Erwachsene: in Wirtschaft, Wissenschaft, Literatur, Politik und im Privaten. Genau dort versagt die "Reform", und dort wird sie bekämpft.



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