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Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

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17.08.2006
 

Schwarzrotgelb

Dudens Neuster ist farbig wie nie. Klar, der schreibende Mensch braucht eine Boje im Tohuwabohu der deutschen Orthografie.

Von Max Wey

Alles so schön bunt hier – wir schauen in den Duden 2006. Nach wie vor rot gedruckt sind Schreibungen, die nach der Rechtschreibreform eine Änderung erfahren haben. Blau unterlegte Kästchen informieren über Zweifelsfälle. Dominierend aber ist die Farbe Gelb. Gelb markiert sind die Duden-Empfehlungen bei Variantenschreibweisen.
Goldrichtig liegt Duden damit. Gemäss Farbpsychologe Max Lüscher steht Gelb für Veränderung. Man könnte mit der Farbe noch verschwenderischer umgehen. Neuaufgenommene Wörter hätten es verdient, hervorgehoben zu werden. Warum nicht in Karminrot? Zum Beispiel: Chakra, Einwohnerkontrolle, Guantánamo, Postfiliale, Scheininvalide.
Folgende Verben, die in der 23. Auflage entzweigerissen wurden und nun wieder in einem Wort geschrieben werden, könnte man als Zeichen der Wiedergutmachung jadegrün markieren: achtgeben, beieinanderstehen, fernliegen, vollschmieren.
Was spricht dagegen, Wörter, die sich schämen, so geschrieben im Duden zu stehen, in ein zartes Schamrot zu tauchen? Zum Beispiel Tollpatsch (kommt nicht von «toll») oder Quäntchen (kommt nicht von «Quantum»). Gibt es Wörter mit einem Schleudertrauma? Einigen wurde übel mitgespielt. Vor der Reform: bankrott gehen, dann: Bankrott gehen, jetzt: bankrottgehen. Vor der Reform: leid tun, dann: Leid tun und leid tun, jetzt: leidtun. Vor der Reform: alleinseligmachend, dann: allein selig machend und alleinseligmachend, jetzt: allein selig machend und allein seligmachend. Ein beruhigendes Moosgrün würde ihnen überaus guttun.
Von ihnen hat sich der Duden verabschiedet: Eugen, Irvingianer, Ökofonds, Sippenhaftung. Es wäre nur recht und billig, ihnen im Anhang die letzte Ehre zu erweisen, vielleicht in einem dezenten Grau, der Farbe der Halbtrauer.
Es bleibt dem Rat für Rechtschreibung überlassen, der Kultusministerkonferenz weitere farbige Vorschläge zu machen.

(WELTWOCHE Nummer 33, 17. August 2006)



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Kommentare zu »Schwarzrotgelb«
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Kommentar von Bigorneau, verfaßt am 07.09.2006 um 22.39 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=506#4801

„Dem“ Deutschen gefällt es, möglichst viele Gesetze zu haben, und da, wo es daran mangelt oder zu lange gesetzt war, mit Gesetzerneuerung kräftig nachzuhelfen.
Auf diese Art und Weise durfte ich bereits deutsche Grammatik lernen, lernen, dass es eine neue gab und dass diese neue, nach Probezeit, wiederum erneuert wurde. Nicht genug, einmal Deutsch zu lernen, glaubt „der“ Deutsche, ich werde es dreimal lernen, Porkokahne!

Nun, durch den Trouble angeregt, denkt sich die deutsche Weinszene auch, und zwar mit vergleichbarem Intrigantentalent, gleich mitzuziehen und mitzumachen und möchte gerne, wie die Franzosen, aber das ganze aufs Deutschste, wie man hier und in verschiedenen Artikeln nachlesen kann, mit neuen Bezeichungen, Lagen, Lagenbezeichnungen, Gegenden, das unklare Bild des Deutschen Weins „verbessermachen“. Noch zweimal nach vorne und nach hinten, und kein Mensch mehr versteht, was ist was.

Gott sei Dank, kann Guglielmo mit einer internationalen Orientierungshilfe zu Rate stehen. Und zwar gibt es nur 2 Weinsorten: den guten und den anderen.

Fiat lux. Auf Ewigkeiten und trotz Kakonymie.


Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 06.09.2006 um 21.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=506#4798

Wie mögen wohl die Fragen gelautet haben, z.B. bezüglich der DUDEN-Empfehlungen? Das Ergebnis der Befragung konnte bei dem Auftraggeber leicht vorhergesagt werden. Das sind genau so alberne Spielchen wie die Umfragen der Minister bei den Schulleitungen.


Kommentar von Mika Sander, verfaßt am 06.09.2006 um 20.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=506#4797

Über 90 % der Deutschen finden richtiges und gutes Deutsch im Alltag wichtig

Düsseldorf, 06. September 2006 - Stark verbreitet ist der Wunsch nach Einheit in der deutschen Rechtschreibung

Wie eine aktuelle Studie des Düsseldorfer Marktforschungsinstituts INNOFACT AG im Auftrag des Verlags Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG zeigt, ist für neun von zehn Deutschen richtiges und gutes Deutsch im Alltag wichtig. Rund zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass um die Rechtschreibreform zu viel Wirbel gemacht wurde, und sind froh, dass das vorbei ist. Der Wunsch nach einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung ist ebenfalls sehr verbreitet: Genau 84 % vertreten die Ansicht, dass es nach der Verunsicherung durch die jahrelange Diskussion wichtig ist, dass es durch die Dudenempfehlung wieder eine einheitliche Rechtschreibung ohne Zweifelsfälle geben wird.

Die repräsentative Umfrage wurde von der INNOFACT AG im August 2006 durchgeführt.

Weiterführende Informationen zur Befragung erhalten Sie bei der INNOFACT AG.

(Link)


Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 01.09.2006 um 11.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=506#4786

"Dass die Politik damit betraut wurde, haben wir Kultusminister uns nicht ausgesucht." (Kultusminister Olbertz, #4785)
Nanu, wer hat denn "das ganze Unterfangen", das also "nicht sinnvoll" war, in Gang gesetzt? Und wer hätte denn bis zuletzt diese Sinnlosigkeit auf ihrem Wege anhalten und abführen können?


Kommentar von Magdeburger Volksstimme, 28. 8. 2006, verfaßt am 01.09.2006 um 10.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=506#4785

Kultusminister Olbertz über den Rechtschreibfrieden, Fehler der Reform und eine überflüssige Übergangszeit

Am Donnerstag beginnt in Sachsen-Anhalt das neue Schuljahr. Dann wird die korrigierte Rechtschreibreform, verbunden mit einer einjährigen Übergangsfrist, verbindlich. Schüler, Lehrer und Ämter sollen die Regeln anwenden, die die 16 Kultusminister im März gebilligt haben. Versöhnt mit der Reform zeigte sich Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz im Gespräch mit Volksstimme-Mitarbeiter Nico Binde.

Volksstimme : Herr Minister, nach dem Wirrwarr der letzten Jahre, wie schreiben Sie Delfin ?

Jan-Hendrik Olbertz : Weiterhin Delphin.

Volksstimme : Ihre Schreibweise ist erlaubt, aber der Duden empfiehlt die f-Variante.

Olbertz : Wenn es zwei erlaubte Varianten gibt, ist es kein Drama, wenn es unterschiedlich geschrieben wird. Ich bin in Bezug auf die Rechtschreibung kein Fundamentalist, sondern eher Ästhet. Wie schreiben Sie denn Fotografie ?

Volksstimme : Mittlerweile mit f.

Olbertz : Sehen Sie, bei Delphin bevorzuge ich die konservative Schreibweise, merke aber auch, dass ich im Lauf der Zeit Fotografie nicht mehr merkwürdig finde. Das F setzt sich durch. Wenn wir modern sein wollen, müssen wir uns ein bisschen öffnen. Viele Dinge werden leise akkreditiert. Das ist in einer lebendigen Sprache genau das, was wir uns wünschen müssen.

Volksstimme : Was bedeutet das für Lehrer, die im neuen Schuljahr verbindliche Regeln anwenden müssen ?

Olbertz : Sie müssen die Schüler auf die jetzt verbindliche Rechtschreibung einstellen. In der Sache sofort, in der Anrechnung der Fehler in einem Jahr. Hauptänderung ist dabei die Getrennt- und Zusammenschreibung, die wir nochmals korrigiert haben. Das ist nicht so kompliziert, wie es am Anfang schien. Entscheidend sind ohnehin nicht die Sonderfälle, sondern die Grundregeln.

Volksstimme : Der Duden gibt in seiner neuesten Ausgabe Empfehlungen. Können sich die Schüler und Lehrer danach richten ?

Olbertz : Entscheidend ist das Regelwerk des Instituts für deutsche Sprache. Auch der Duden ist ein geeignetes Werk, um sich die neuen Regeln anzueignen. Er stützt sich auf den neuen Erlass der Kultusministerkonferenz und spricht dort, wo mehrere Schreibweisen möglich sind, Empfehlungen aus. Wenn das zur Einheitlichkeit beiträgt, kann man ein solches Vorgehen nur begrüßen. Und ganz ehrlich : Ich finde das gut. Der Duden ist nicht auf Konfrontationskurs.

Volksstimme : Dennoch fehlt bei einigen Empfehlungen die Differenzierung, etwa bei sitzenbleiben (in der Schule) und sitzen bleiben (auf dem Stuhl).

Olbertz : Viele Wörter sind in beiden Varianten korrekt, es entscheidet allein der Kontext, welche Schreibweise die richtige ist. Das ist am Wortakzent zu erkennen. Das heißt, es ergibt sich immer aus dem Sinnzusammenhang. Die neue Regelung bezüglich der Getrennt- und Zusammenschreibung wird Kinder sogar veranlassen, über Sinnzusammenhänge intensiver nachzudenken.

Volksstimme : Bedeutet das mehr Freiraum für die Lehrer ?

Olbertz : Auf jeden Fall. Sie müssen vor allem erklären : Warum schreiben wir ein Wort in einem Fall zusammen und in einem anderen auseinander. Wichtig ist, dass die Kinder verstehen : Eine Schreibweise ist richtig, wenn der Sinn stimmt und nicht unbedingt, weil eine formale Norm erfüllt wird. Rechtschreibung muss immer auch plausibel sein.

Volksstimme : Gibt es deshalb eine neuerliche Übergangszeit von einem Jahr ?

Olbertz : Wir haben eine einjährige Karenzzeit vereinbart, in der die neue Rechtschreibung gilt, aber Fehler auf die Bewertung noch nicht angerechnet werden. Die neue Rechtschreibung ist seit dem 1. August rechtsgültig, aber in Schulen werden beide Schreibweisen noch ein Jahr toleriert. Das gibt den Schülerinnen und Schülern ausreichend Zeit, sich an die neuen Schreibweisen zu gewöhnen. Ob diese Zeit wirklich nötig ist, wage ich zu bezweifeln. Ich glaube, die Kinder wollen klare Ansagen statt eines längeren Nebeneinanders unterschiedlicher Schreibweisen. Aber das ist kein existenzieller Streitpunkt ; deshalb trage ich diese Übergangszeit mit.

Volksstimme : Wie wirkt das Kultusministerium auf die Schulen ein, gibt es entsprechend vorbereitende Erlässe ?

Olbertz : Es gibt lediglich einen Erlass, der nach dem verabredeten Mustererlass der Kultusministerkonferenz verfasst wurde und direkt nach der Entscheidung der Ministerpräsidenten an alle Schulen in Sachsen-Anhalt gegangen ist. Wir können die weitere Umsetzung jetzt beruhigt den Lehrerinnen und Lehrern insbesondere im Fach Deutsch überlassen.

Volksstimme : Meinen Sie, die Rechtschreibreform ist noch ein Thema an den Schulen ?

Olbertz : Nein. Ich glaube, dieses Thema ist jetzt beendet. Die meisten Lehrer sind über das Ende der mühsamen Diskussionen froh und erleichtert, dass viele Dinge plausibler geworden sind. Ein Beispiel sind die Dreifachkonsonanten, etwa bei "Schifffahrt". Da es sich um ein Kompositum, also zwei unabhängige Wörter, handelt, die aneinandergereiht sind, ist diese Schreibweise viel logischer. Alles in allem bin ich versöhnt mit der neuen Rechtschreibung, obwohl ich ursprünglich ein Gegner der Reform war.

Volksstimme : Sie waren also Gegner der Reform, obwohl Sie sie gebilligt haben ?

Olbertz : Ich bin ja sozusagen unfreiwilliger Quereinsteiger in die ganze Diskussion gewesen. Aber der größte Fehler wäre gewesen, das Rad auf halbem Wege einfach ganz zurück zu drehen, wie einige Fundamentalkritiker dies wollten. Immerhin gibt es jetzt einen sinnvollen Fortschritt in unserer Rechtschreibung – denken Sie an mein Beispiel mit den Dreifachkonsonanten. Insofern ist die neue Rechtschreibung mit den vorgenommenen Korrekturen auch besser lehrbar geworden.

Volksstimme : Trotzdem stiften Duden-Empfehlungen wie einerseits "Kommuniqué", andererseits "Pappmaschee" neuerliche Verwirrung, oder?

Olbertz : Ich persönlich bin für philologische Klarheit. Die Herkunft eines Wortes muss weiterhin erkennbar sein. "Pappmaschee" ist im Grunde Lautschrift. Und die ist problematisch, insbesondere wenn ein Dialekt gesprochen wird.

Volksstimme : Inwieweit kann anhand solcher Beispiele eine Einheitlichkeit zurückkehren ?

Olbertz : Ich bin schon immer ein Kritiker einer Normierung von oben gewesen. Unsere Muttersprache ist ein lebendiges Gebilde, das sich in Bewegung befindet. Früher wurden Veränderungen leise und unspektakulär durch den Duden angepasst. Dass die Politik damit betraut wurde, haben wir Kultusminister uns nicht ausgesucht. Wir haben den Auftrag dazu bekommen. Wir alle sind in diesem Prozess klüger geworden.

Volksstimme : Also sind Veränderungen auch künftig möglich ?

Olbertz : In diesem großen Stil auf keinen Fall. Ich bin mir ganz sicher, dass das die letzte Runde war.

Volksstimme : Was macht Sie so sicher ?

Olbertz : Weil alle Beteiligten aus dem Desaster gelernt haben und wir nicht noch einmal versuchen sollten, auf so hochkomplexem Weg die Muttersprache zu regulieren. Eigentlich war das ganze Unterfangen nicht sinnvoll. Sicher wäre eine leise Anpassung sinnvoller gewesen. Die große Staatsaktion war der eigentliche Fehler. Jetzt, so glaube ich, kehrt Ruhe ein.


Kommentar von Mika Sander, verfaßt am 31.08.2006 um 20.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=506#4783

Lukaschenko will Rechtschreibreform in zwei Wochen

Minsk/Moskau (dpa) - In Deutschland schleppt sich die Reform der Rechtschreibung seit Jahren hin, in Weißrussland will der autoritäre Präsident Alexander Lukaschenko das Problem in zwei Wochen regeln.

14 Tage habe Bildungsminister Alexander Radkow Zeit, um neue Regeln für Orthographie und Zeichensetzung einzuführen, ordnete Lukaschenko nach russischen Medienberichten an.
Die Normen der weißrussischen Sprache seien zuletzt 1957 angepasst worden und bedürften der Überarbeitung, erklärte der Staatschef in Minsk.
Die weißrussische Opposition vermutete dahinter einen Versuch des Präsidenten, sie weiter ins Abseits zu drängen. Die Sprachenfrage ist in Weißrussland politisch. Weißrussisch und Russisch sind beides Staatssprachen, doch die meisten Weißrussen einschließlich des Präsidenten sprechen im Alltag Russisch. «Weißrussisch ist eine arme Sprache», wurde Lukaschenko in der Moskauer Zeitung «Gaseta» zitiert. Es gebe überhaupt nur «zwei große Sprachen in der Welt - Russisch und Englisch».
Weißrussisch gilt als Sprache der Opposition. Der Russland-Freund Lukaschenko wolle die Landessprache dem Russischen noch ähnlicher machen, sagten Regimegegner aus dem Umfeld des Oppositionsführers Alexander Milinkewitsch der Zeitung «Nesawissimaja Gaseta». Viele Nationalisten lehnen sogar die ihrer Ansicht nach sowjetisch geprägte Sprachform von 1957 ab und halten sich an das vorrevolutionäre Weißrussisch.
Der Linguist Alexander Lukaschenez vom Institut für Sprachwissenschaft in Minsk dämpfte indes die Befürchtungen, dass dem Weißrussischen eine Revolution bevorstehe. Wissenschaftler hätten seit zehn Jahren an dem Projekt gearbeitet, die Rechtschreibung zu modernisieren und die Regeln zu vereinfachen.

Lausitzer Rundschau
(Link)


Kommentar von Mika Sander, verfaßt am 27.08.2006 um 09.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=506#4778

Recherchieren? Korrektur lesen?
Beim Thema Rechtschreibung überflüssig?


von RPostwendend

Wie und was an der Reform der Rechtschreibreform in den Medien herumerklärt und nachgeplappert wird
Als wäre die Verwirrung um (und durch) die Rechtschreibreform nicht schon groß genug, wurden in diesen Augusttagen diejenigen Zeitungsleser und Internetbesucher, die sich nach dem Wirrwarr der letzten zehn Jahre überhaupt noch für Rechtschreibung interessieren (oder interessieren müssen), mit Falschinformationen und Halbwahrheiten nur so zugeschüttet. Etwa nach dem (nicht erklärten, aber erahnbaren) Motto „Das Thema ist noch einmal aktuell, wir müssen dazu etwas bringen, auch wenn’s inhaltlich nicht stimmt (wer merkt das schon?).“

„Leidiges“ Thema

So fand man bei wdr.de ein Quiz zur Reformreform, bei dem gleich der Einleitungstext mangelnde Recherchen verriet: „Dann heißt es wieder eislaufen statt Eis laufen und leidtun statt Leid tun“ stand dort. Nach „alter“ Rechtschreibung hieß es stets „leid tun“, getrennt geschrieben. Die Reformer verlangten ab 1996 dann „Leid tun“, und zwar nur noch in dieser Großschreibung. Weil mit dieser „Lösung“ aber die deutsche Grammatik schon in arge Bedrängnis und Erklärungsnot kam („wie Leid mir das tut!“), stellte man dieser Möglichkeit 2004 eine weitere zur Seite, nämlich das neue „leidtun“. Beide Schreibweisen galten für zwei Jahre nebeneinander, bis nun dann das große „Leid“ wieder aus dem (Schreib-)Verkehr gezogen wurde – und „leidtun“ alleine übrigblieb. Das „leidtun“ ist somit der Nachfolger des „leid tun“.

Rote Karte für die rote Karte?

Dann wurden die Kleinschreibungen „rote Karte“ („Der Schiedsrichter zeigt die Rote Karte: Hier gilt die Großschreibung, weil Adjektiv und Substantiv einen festen Begriff bilden.“) und „runder Tisch“ als nicht mehr gültig bezeichnet. Dabei sind die Großschreibungen nur als neue, zusätzliche Möglichkeit eingeführt worden. Man darf übrigens auch dann „runder Tisch“ schreiben, wenn der Tisch zwischen den Gesprächsteilnehmern vier Ecken hat.

Die Aussage „Das Essen warmmachen wird künftig wieder zusammengeschrieben“ stimmt so nicht, denn auch die Getrenntschreibung „das Essen warm machen“ gilt weiterhin. Schließlich wurden mit der Aussage „Unsinnige Worttrennungen sind bald tabu“ die Trennungen „Urin-stinkt“ und „Staatsex-amen“ für falsch erklärt, man habe so zu trennen: „Ur-instinkt“ und „Staats-examen“. Wieder ein Irrtum. „Urin-stinkt“ ist nicht falsch, sondern sollte lediglich vermieden werden.

Recherchieren? Nein danke!

Der neue Test zur Reform der Reform bei Focus-Online („So schreibt man jetzt“) erklärte zunächst die wiedereingeführte Zusammenschreibung „übrigbleiben“ für einzig richtig, dabei gilt die Getrenntschreibung „übrig bleiben“ zusätzlich weiterhin. Und auch er zeigte – wie schon wdr.de – der Schreibweise „rote Karte“ die Rote Karte – völlig zu Unrecht.

Bei Stern.de („Ihre Rechtschreibung unter der Lupe“) ging’s zur Abwechslung mal der „gelben Karte“ an den Kragen, ebenfalls ohne Grund, denn auch die existiert weiterhin so – nur eben neuerdings auch als „Gelbe Karte“ (die sollte man den Stern-Redakteuren mal zeigen). Entsprechendes gilt nun auch fürs gelbe/Gelbe Trikot.

Der Bayerische Rundfunk will auf seiner Seite „Wissen & Bildung“ gar den Delphin mit ph für orthographisch ausgestorben erklären; der aber darf auch nach „in neuer Rechtschreibung erstellter Badeordnung“ seinen „ph-Wert“ behalten – und gleichberechtigt neben den jüngeren Delfinen schwimmen. Bei der Europameisterschaft der Schwimmer sah man übrigens delphinschwimmende, delfinschwimmende, Delphin schwimmende und Delfin schwimmende Sportler einträchtig nebeneinander.

Wenn die Grammatik hinzukommt

Bei waz.de, dem Online-Angebot der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, wurde am 1. August eine dpa-Meldung wiedergegeben, die diesen Satz enthielt: „Nach dem Ende des Reformchaos könnten sich die Schulen nun wieder stärker darum kümmern, dass sich verschlechternde Rechtschreibniveau der Schüler zu verbessern.“
„... und die Zeitungs- und Internetredakteure ‚dass’ ihrer Mitarbeiter ebenso“ ist man da hinzuzufügen geneigt. Man kann in Fällen wie diesem zwar nicht eindeutig sagen, ob nun die mangelnden Orthographie- oder eher die unsicheren Grammatikkenntnisse (hier: Verwechslung von Wortarten) ausschlaggebend waren, wie man das z. B. auch bei den Falschschreibungen „du bist Schuld“ und „ich bin es Leid“ nicht kann. Es ist aber eine traurige und unbestreitbare Tatsache: Fehler dieser Art haben sich im Zuge der Reform enorm vermehrt.

Verun“sick“erung

Sogar Bastian Sick, der populäre „Deutschlehrer“ (mit der größten Schülerzahl) geriet vor kurzem in die Fallen der neuen Rechtschreibung. In seinem neuen Zwiebelfisch-Beitrag „Hossa, die Rehform is da!“ war einen Tag lang zu lesen: „So manchem konnte die Verwirrung, die die Reform mit sich brachte, eigentlich nur Recht sein, verschaffte sie ihm doch die Möglichkeit, seine eigenen Schwächen und Unsicherheiten zu dissimulieren.“

Ist nun das große „Recht“ dem kleinen „recht“ sein Ende – wie der Dativ dem Genitiv sein Tod? Die Reformer wollten ursprünglich (1996) in der Tat statt „du hast recht“ nur noch „du hast Recht“ gelten lassen, selbst in den grammatisch höchst fragwürdigen Fällen „du hast vollkommen Recht“ und „wie Recht du hast!“. Seit dem 1. August gilt nun neben der Großschreibung auch wieder die Kleinschreibung. Aber in der Wendung „es kann ihm nur recht sein“ (s.o.) gab es nie etwas anderes als das kleine recht.

Bildungsklick mit Bildungsknick?

Selbst bei Einrichtungen, die sich die „Bildung zum Thema machen“ (so das Portal bildungsklick.de über sich selbst), wird die Verwirrung eher noch gesteigert als abgeschwächt. Da liest man so etwas:

- „Wird das ‚du’ im Brief jetzt groß oder klein geschrieben...?“
Nach neuer Rechtschreibung heißt es längst nicht mehr „groß oder klein geschrieben“, sondern „groß- oder kleingeschrieben“.

- „Wer sich fit machen will in der Reform der Rechtschreibreform wird jetzt im Netz fündig.“
Wer hier aber nach einem Komma zwischen Neben- und Hauptsatz sucht, wird leider nicht fündig. Und dabei ist dieses Komma durchgehend verpflichtend geblieben, im Gegensatz zu vielen seiner Artgenossen, die in den letzen zehn Jahren fast nach Belieben erscheinen oder fehlen durften. Aber Vorsicht: Neue (verschärfte) Einsatzbefehle liegen vor, die Kommas sind wieder im Kommen!

- „Auf insgesamt 106 Seiten bringt es das aktualisierte Regelwerk, das beim Rat für deutsche Rechtschreibung [als PDF-Dokument] herunter geladen werden kann.“
In richtigem Deutsch heißt das, was jüngere Zeitgenossen nur noch als „downgeloadet“ oder „gedownloadet“ kennen (darüber soll der „Rat für denglische Rechtschreibung“ entscheiden), immer noch heruntergeladen - zusammengeschrieben.

Falsches RTL-Deutsch – vom Duden toleriert?

In der aktuellen Internet-Ankündigung zu seiner Sendung „Der große Deutsch-Test 2006“ schreibt der Sender RTL: „Hat die ganze Diskussion um Pisa-Studie und Rechtschreibreform die Menschen dazu bewegt, sich intensiver mit ihrer Muttersprache auseinander zu setzten?“

Mal abgesehen von dem offensichtlichen Tippfehler bei „setzten“: Was ist mit der Getrenntschreibung „auseinander zu setzen“? Genau diese ist doch gerade erst, nachdem sie völlig unnötigerweise zehn Jahre lang von den deutschen Schülern so verlangt wurde, wieder gestrichen worden. Ab sofort heißt es nur noch „auseinanderzusetzen“ – wie früher. Hat da der Duden, der bei dieser RTL-Sendung beratend und unterstützend mitwirkt, nicht aufgepaßt? Oder es versäumt, sich rechtzeitig mit den zuständigen Redakteuren von RTL „zusammen zu setzen“?

Eines steht fest: Die Verwirrung geht weiter - auch ohne die Medien. Und leider auch in den Schulen – wie ich als Vater eines schulpfllichtigen Kindes immer wieder beobachten kann.
Schade!

(Link)


Kommentar von Badische Zeitung vom Samstag, 26. August 2006, verfaßt am 26.08.2006 um 08.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=506#4776

Der Computer gibt den Oberlehrer
BZ-Softwaretest: "Duden-Korrektor" verhilft zu fehlerfreiem und besserem Deutsch

Wie "Hierzulande" hier zu Lande richtig geschrieben wird, liegt hierzulande nach der Reform der Rechtschreibreform nicht unbedingt auf der Hand. Soll es auch nicht. Denn die beiden letztgenannten Schreibweisen sind nach dem vom Rat für Deutsche Rechtschreibung ausgehandelten Kompromiss ab sofort gleichberechtigt nebeneinander zugelassen. Die soeben erschienene 24. Auflage des Duden listet mehr als 3000 Fälle auf, in denen sich die obersten Rechtschreibhüter nicht auf eine einheitliche Schreibweise einigen konnten oder wollten. Wer nicht gerade ein leicht anarchisches Orthographieverständnis kultiviert, wird Mühe haben, diesem Umstand etwas Positives abzuringen. Gut, dass der Duden für diese Fälle Empfehlungen bereithält.

Für die Arbeit am Computer hat die Dudenredaktion http://www.duden.de nun auch ihre Software "Duden-Korrektor" für Microsoft Office und Microsoft Works auf den neusten Stand gebracht und ihre Empfehlungen für Wörter mit mehreren zulässigen Schreibweisen eingearbeitet. Groß umstellen müssen sich Word-, Excel-, oder Outlookanwender nicht: Der "Korrektor" funktioniert im Grunde wie die Microsoft-Rechtschreibprüfung. Von einer eigenen Symbolleiste aus sind die verschiedenen Funktionen bequem zu erreichen. Neben der Rechtschreibung und der Grammatik überprüft der Duden-Korrektor auch die Zeichensetzung, den Satzbau, entdeckt umgangssprachliche Wendungen, ungebräuchliche Fremd- und Fachwörter, sowie veraltete Begriffe und gibt Alternativvorschläge. Außerdem moniert die Software zu lange Sätze (die Länge kann individuell festgelegt werden) und verfügt über erweiterte Funktionen für die Silbentrennung. Im Test zeigte sich der Duden-Korrektor den Microsoft-Programmen haushoch überlegen. Allerdings scheint die Software einiges an Systemressourcen zu binden, jedenfalls lahmte unser Rechner zum Beispiel beim Setzen von Markierungen bedenklich.

Da der Funktionsumfang des Standardprogramms bereits beeindruckend ist, muten die zusätzlichen Features des "Duden-Korrektor-Plus" auf den ersten Blick bescheiden an. So lassen sich mehrere Dokumente auf einmal überprüfen und mit Korrekturkommentaren versehen ausdrucken. Eine Funktion, die eher für den professionellen Einsatz interessant sein dürfte. Mehr Vergnügen wird der Laie an der Office-Bibliothek haben, die das "Nachschlagen" in drei Duden-Werken "Das Fremdwörterbuch" , "Richtiges und gutes Deutsch" und das "Synonymwörterbuch" ermöglicht.
Karlheinz Schiedel

Duden-Korrektor 19,95 Euro, Duden-Korrektor Plus 49,95 Euro. Systemvoraussetzungen: Prozessor der Pentium-III- oder Athlon-Klasse, Windows 2000 ab SP2 oder XP, MS Office 2000 oder höher, MS Works 2000 oder höher, mindestens 105, bzw. 135 MB freier Festspeicherplatz.



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