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30.07.2005
 

„Die neue Rechtschreibung ist akzeptiert. Kinder haben keine Mühe damit“

»Viele platzen fast vor Wut über diesen sinnlosen Monsteraufwand«, berichtet der Blick über die Reaktion seiner Leser auf die Rechtschreibreform.

Der Schweizer Boulevard-Zeitung ist es aber auch gelungen, die letzten Verteidiger der Reform auszumachen. »Die neue Rechtschreibung finde ich gut und sie ist gut so«, schreibt Robert M. »Von den Wortstämmen her wird die neue Rechtschreibung logischer (Aufwand → aufwändig)«, glaubt Werner L. Namen und Anschriften, so heißt es, seien der Redaktion bekannt.




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Kommentare zu »„Die neue Rechtschreibung ist akzeptiert. Kinder haben keine Mühe damit“«
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Kommentar von Calva, verfaßt am 17.09.2005 um 10.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=72#177

Bildungssenator Klaus Böger (SPD) dankt Berliner Kurier und Duden für Rechtschreibbroschüre

"..Noch zu erwartende Änderungen werden eher marginal sein.."

 

Kommentar von Badische Zeitung, verfaßt am 14.09.2005 um 00.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=72#175

»We are crazy, how are you?

Endlich: Die Schule fängt wieder an. Falls Schüler und Lehrer den Ferien nachtrauern sollten, müssen sie sich nur mal bewusst machen: „Wir sind die Auserwählten!“ Sie sind nämlich jene Eingeweihten, die künftig alleine noch wissen werden, wie welches deutsche Wort korrekt geschrieben wird. Nachdem nun auch in Baden-Württemberg die Rechtschreibreform verbindlich wird, aber Spiegel, Bild oder Süddeutsche Zeitung längst ganz oder halb zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt sind, viele andere Zeitungen wiederum der Reform treu bleiben, weiß sowieso bald keiner mehr, was richtig ist und was falsch – außer den Lehrern und Schülern eben, denn die lernen’s ja im Unterricht.

Andererseits: In ein paar Jahren spätestens ist dieser ganze Rechtschreibreformstreit sowieso überflüssig. Bei so viel high tech, coolness, second hand, shopping, sharping, walking, leasing und late-night: Wen interessiert denn da noch ernsthaft, ob Schifffahrt mit zwei, drei oder vier „f“ geschrieben wird? Sicherlich: Man muss nicht für englische Begriffe aus einem Rockkonzert oder einer Jugendveranstaltung krampfhaft deutsche Ausdrücke suchen. Albern wäre es auch, das (obwohl nicht mal in der englischen Sprache existierende) Handy mit aller Sprachgewalt zum „mobilen Fernsprechapparat“ oder das Mountainbike zum „Bergfahrrad“ umzuwandeln.

Aber muss wirklich jeder Termin ein „date“, muss denn jedes Ereignis ein „(mega-)event“ sein und sogar die armen Kinder hartnäckig zu „kids“ gemacht werden? O heilige Einfalt! Irgendwo betet’s irgendeiner vor und überall plappern’s viele nach. (Auch wir Zeitungsschreiber sind da durchaus nicht ohne Sünde). Aber alles muss ja trotzdem nicht sein: So wollte ein Verein im Elztal mal per BZ mitteilen lassen, dass seine „Assessment-Küche“ Sommerpause hat. Von „assessment center“ hat man ja sogar schon mal was gehört, aber „Assessment-Küche“? Da wir unseren Zeitungslesern auch im „Sommerloch“ nicht unbedingt alles zumuten müssen, haben wir uns erlaubt, den Veranstalter um eine Übersetzung zu bitten: Eine „Lehr- und Lernküche“ ist’s, aha! Das klingt zwar nicht ganz so modern und toll wie „Assessment-Küche“, aber dafür versteht's jeder. Ein kleiner Sieg immerhin, aber die kids, das outfit, outdoor & Co. huschen viel zu häufig durch’s Sprachgelände. Fazit: „We are crazy – how are you?“ – frei übersetzt für Elztäler Alemannen: „S’isch halt bal’ alles z’hinterefier“. Bernd Fackler«


( Badische Zeitung, Samstag, 10. September 2005 )

 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 12.09.2005 um 18.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=72#174

Fundgrube LIDL-Newsletter:
Tages oder Nacht Pflege/ Reinigungs Emulsion (und noch mehr dieser Art)/ langanhaltend/ Einklang erholt Körper und Seele/ Erdnuß/ Hexenschuß/ Abschlußkappen/ hochglänzend/ Damen-Slip (muß das jetzt nicht Slipp heißen - wegen slippen?)

 

Kommentar von Neue Rhein Zeitung, verfaßt am 29.08.2005 um 21.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=72#171

»"In vielen Teilen ärgerlich"

INTERVIEW / GEW-Chef Meyer-Lauber zum Gerangel um die Rechtschreibreform.


Andreas Meyer-Lauber, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW und Deutschlehrer, fordert eine schnelle, verbindliche Regelung zur Rechtschreibreform.

NRZ: Welche Erfahrungen macht man an den Schulen?

Meyer-Lauber: Aus Sicht der Schulen und der Lehrer ist die Rechtschreibreform in vielen Teilen außerordentlich ärgerlich. Seit 1996 wird daran herumgebastelt. Heute ist die Verunsicherung groß. Was ist in der neuen Rechtschreibung nun verbindlich und was nicht? Diese Frage ist selbst für viele Lehrer schwer zu beantworten.

NRZ: Welche Folgen hat das für die Schüler?

Meyer-Lauber: Die Mehrheit unserer 2,9 Millionen Schüler in NRW ist auf die neue Rechtschreibung geeicht. Allerdings stoßen sie in Büchern, der Presse und im Internet immer noch auf die alte Schreibweise. An den Schulen haben wir das Problem noch etwa sieben Jahre lang, bis alle Schulbücher mit alter Rechtschreibung ausrangiert sind. Auch die Schulbuchverlage folgen noch nicht alle der Reform, sondern warten teilweise ab, was passiert. Selbst die Lexika handhaben die Rechtschreibung unterschiedlich.

NRZ: Hat die Rechtschreibreform auch positive Seiten?

Meyer-Lauber: Es gibt Vereinfachungen, etwa dass das "ß" durch "ss" ersetzt wurde. Die Zeichensetzung wird erleichtert. Das Getrennt- und Zusammenschreiben ist extrem schwer, weil sich nichts nach dem Sinn richtet. Dann gibt es Grässlichkeiten wie drei Konsonanten hintereinander -siehe: Schifffahrt. (jub/NRZ)«


( Neue Rhein/Ruhr Zeitung, 29.08.2005 )

 

Kommentar von Westfälische Rundschau, verfaßt am 15.08.2005 um 17.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=72#168

»Schüler müssen die verschiedenen Regeln unterscheiden lernen

Halver. (rs) Dass oder daß? Schifffahrt oder Schiffahrt? Komma oder doch kein Komma? Heißt es Frisör oder Friseur? Die neue Rechtschreibung sollte eigentlich ab August in ganz Deutschland eingeführt werden. Doch Nordrhein-Westfalen und Bayern klinkten sich aus dieser Regelung aus.

Noch bevor die Probezeit der Rechtschreibreform im August ausgelaufen war, beschlossen die beiden Bundesländer, sich doch nicht daran zu beteiligen. Selbst größere Verlage schlossen sich an, was die Verwirrung perfekt machte. Die Einführung der neuen Regelungen drohte sogar ganz zu kippen, doch mittlerweile hat man sich einigen können.

In Nordrhein-Westfalen und Bayern darf also nach wie vor sowohl nach den alten, als auch nach den neuen Regeln geschrieben werden, ohne dass (oder: ohne daß) es als Fehler angestrichen wird.

Die Grundschule "Auf dem Dorfe" hatte sich eigentlich schon lange auf den Wechsel eingestellt und deshalb Lehrbücher mit neuer Rechtschreibung angeschafft. Das werde auch jetzt nicht mehr geändert, erklärt Barbara Dorn-Erdogdu, Rektorin der Grundschule.

Man werde weiter so vorgehen, wie gehabt. Die alte Rechtschreibung wird bei den Kindern mit der Neuen überschrieben, ohne dass es als Fehler gilt.

Die Schüler müssten die zwei verschiedenen Regelungen unterscheiden können. Sie lernten zwar nach den neuen Regeln, aber in älteren Büchern, zum Beispiel aus der Bibliothek oder von "Mama" vom Dachboden, steht alles noch in der alten Rechtschreibung. Deswegen ist es auch schwierig, sich von den Eltern helfen zu lassen, die alles noch nach alten Regeln lernten. Es braucht halt seine Zeit, bis man sich an diese Änderung gewöhnt hat.

Für Kinder, die innerhalb Deutschlands umziehen sei es jedoch besonders schwierig. Dinge, die vorher richtig bzw. nicht falsch waren, werden dann als Fehler angestrichen. Barbara Dorn-Erdogdu findet diese Regelung nicht glücklich, auch wenn sich im Primarbereich am Regelwissen der Grundschüler nicht allzu viel geändert habe.

Aber wer weiß, vielleicht ändert sich alles in ein paar Jahren wieder und Bayern und NRW schließen sich doch noch den übrigen Bundesländern an!«


(Westfälische Rundschau, 15. August 2005)

 

Kommentar von Aachener Zeitung, verfaßt am 15.08.2005 um 17.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=72#167

Schüler ringen mit der neuen Rechtschreibung

Stolberg. Wer blickt da noch durch? Wie heißt es denn nun: «kennenlernen» oder doch lieber «kennen lernen»? Das bereitet Kopfzerbrechen, vor allem wenn man mitten im Schreibfluss innehalten muss und sich fragt: Wie schreibt man das denn jetzt?

Kommasetzung, Zusammen- und Getrenntschreibung, «ss» statt «ß», sorgen für Verwirrung bei Stolberger Schülern und Lehrern. «Ich weiß gar nicht so genau, was bei uns gilt», sagt Katrin Wenn (17), «und ich glaube, die Lehrer wissen selbst nicht Bescheid».

Viele Fremdwörter kann man nach neuen Regeln schreiben, also schreiben wie man spricht: «Spaghetti» ohne «h» und «Portemonnaie» heißt jetzt «Portmonee». Ist das sinnvoll? «Bei Fremdwörtern sollte man die alte Schreibweise beibehalten», wünscht sich Hannah Drescher. Sie habe gelernt, Fremdwörter auf eine bestimmte Weise zu schreiben und werde sie auch weiterhin in alter Rechtschreibung schreiben. Die Änderung sei «unlogisch, und ich finde es schwer sich umzustellen».

Ausführlicher Bericht am Montag in den Druckausgaben von Stolberger Nachrichten / Stolberger Zeitung

(Aachener Zeitung online, 14.08.2005)

 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 14.08.2005 um 08.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=72#162

Delfin - aufwändig. Daß Zeitungen immer Beispiele abdrucken müssen, die im Sinnzusammenhang unpassend sind. Auch nach der neuen Rechtschreibung kann man zwischen "Delphin" und "Delfin", zwischen "aufwändig" und "aufwendig" wählen - jeweils beides ist richtig.
Das ist wieder einmal ein Beweis dafür, wie wenig in der Öffentlichkeit von der Reform verstanden wird, was zu Fehl- und Vorurteilen führt. Im Zweifelsfall gilt vorauseilender und übereifriger Gehorsam, also "Delfin" und "aufwändig".

 

Kommentar von Westdeutsche Zeitung, verfaßt am 12.08.2005 um 19.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=72#158

»Erkrath: Wenn Delphine mit Delfinen lernen

Von Arnulf Ramcke


Am Gymnasium Hochdahl sollen die Schüler der sechsten Klasse im kommenden Schuljahr unterschiedliche Ausgaben eines Deutschbuchs benutzen.

Hochdahl. Jost Remmert denkt wirtschaftlich. Als seine elfjährige Tochter Julia, Schülerin am Gymnasium Hochdahl, vor den Ferien mit einer Liste der Bücher für das kommende Schuljahr nach Hause kam, die von den Eltern gekauft werden müssen, sah er, dass eines der Bücher "Die deutsche Rechtschreibung, Normalausgabe" in einem Verlag erscheint, wo er Mitglied im Buchclub ist.

Als Remmert das Buch vor einigen Tagen in der Düsseldorfer Filiale seines Buchclubs kaufen wollte, stellte er schnell fest, dass bei der "Normalausgabe" nicht alles der Norm entspricht. "Die Verkäuferin hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass es sich dabei um die Ausgabe von 2002 handelt, die da von der Schule angegeben worden ist." Die war nicht vorrätig, verkauft wird die aktuelle 2005er-Version. Remmert: "Die haben wir bestellt."

Womit der Vater im Fach "Mitdenken" eine glatte Eins erhalten würde. Oberstudiendirektor Dieter Smolka, von der WZ auf das Problem aufmerksam gemacht, empfiehlt nämlich, die aktuelle Ausgabe zu kaufen. "Eltern, die das ältere Buch, das die Ausgabe 2003 ist, bereits bei Weber gekauft haben, können es umtauschen", so Smolka. Das habe er mit der Buchhandlung so abgesprochen.

Die Umtauschregelung gilt aber nur für Neubücher. Was aber machen die Kinder, die das gebrauchte Exemplar von einem Geschwisterteil nutzen wollen? "Dann kann das benutzt werden", sagte Smolka. Dass durch diese Regelung die Schüler der sechsten Klasse möglicherweise mit unterschiedlicher Rechtschreibung lernen, ist möglich: "Wir müssen uns die Bücher mal angucken", meint Smolka. Sollten unterschiedliche Schreibweisen wie beispielsweise "aufwendig" und "aufwändig" existieren, "wird das thematisiert".

Über diese Regelung will Smolka alle Eltern der betroffenen Schüler in einem Brief informieren. In diesem Schreiben weist der Pädagoge auch ausdrücklich darauf hin, dass in Nordrheinwestfalen alte und neue Rechtschreibformen ja noch beide Gültigkeit besitzen. "Dadurch wird die alte Schreibweise nicht als Fehler gewertet."«


(Westdeutsche Zeitung, 13. 8. 05)

 

Kommentar von WAZ, 2. 8. 2005, verfaßt am 03.08.2005 um 23.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=72#153

Das kleine Chaos mit dem ABC in NRW

Seit gestern ist bundesweit - mit Ausnahme von Bayern und NRW - die Rechtschreibreform in Kraft getreten. Wir fragten Bürger, wie sie zur Rechtschreibung stehen:

Roland Kucharski, 33, erklärte, dass ihn die neue Rechtschreibung nie wirklich interessiert hat. Sollte sie jedoch auch in Nordrhein-Westfalen für verbindlich erklärt werden, so der Projektleiter des Spielmobiles der Ruhrwerkstatt, müsse er sich daran halten. Dies gelte insbesondere in seinem Beruf, in dem er fast täglich mit Jugendlichen und Kindern zusammen arbeitet. Trotzdem: Einige der Regeln seien absolut unsinnig.

Dieser Meinung ist auch Margrit Leupold. Die 30-jährige Personalleiterin des Kaufhofes in der City sagte zwar: "Generell ist es wichtig eine für Schüler und Leute, die die alte Rechtschreibung gelernt haben, verständliche Rechtschreibung zu haben." Dennoch sei der Ansicht, dass die Rechtschreibrefom trotz der unbestreitbaren Vereinfachung eine Verarmung für die deutsche Sprache bedeute. "Dies macht die Sprache weniger interessant und lebendig", erklärte die Halbspanierin, die zweisprachig aufgewachsen ist, weiter. Dies finde sie schade, denn so verliere die deutsche Sprache an Anspruch.

Die 24-jährige Isil Aydin wird aufgrund ihrer Berufswahl (sie ist angehende Grundschullehrerin) unumgänglich mit der neuen Rechtschreibung konfrontiert und musste umdenken. "Für mich war es nicht schwer, mich umzustellen. Und für die neu eingeschulten Kinder ist es leichter, die neue Rechtschreibung zu lernen als die alte", sagte die 24-Jährige. "Deshalb ist die Reform durchaus sinvoll."

Für die 14-jährige Romina Brenk ist das alles nicht so leicht. "Ich habe nur die alte Rechtschreibung gelernt. Die neue kann ich kaum", erklärte sie. Die Realschülerin habe die neuen Regeln "wenig ausführlich bis gar nicht in der Schule gelernt".

Anders Yvonne Jacobs. Die gebürtige Niederländerin, die ihre Schulausbildung sowie ihr Studium zur Bibliothekarin in Holland absolviert hat, lernte dort auch Deutsch nach den alten Regeln. Als sie sich in Deutschland niederließ, lernte sie jedoch nachträglich die neue Rechtschreibung. "Ich habe weniger Probleme als die Deutschen. Diese sind von klein auf mit der alten Rechtschreibung konfrontiert worden", sagte die 36-Jährige.

Den Diplomingenieur Albert Karschti berührt die neue Rechtschrebung wenig. "Mich lässt es kalt", entgegnete er auf unsere Frage. Dann zögerte er kurz, bevor er lächelnd fortfuhr: "Darüber unterhalten wir uns in fünfzig Jahren noch einmal. Mal sehen, was daraus geworden ist."

Von Nadine Nietz (Text) und Ralph Heeger (Fotos)

 

Kommentar von Leipziger Volkszeitung, 2. 8. 2005, verfaßt am 03.08.2005 um 23.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=72#152

"Ich schreibe keinen Brief mehr"

Grimma. Seit 1. August ist die Rechtschreibreform in Sachsen gültig. Schreiben die Leute nach den Regeln? Annette Walter hat sich in Grimma umgehört.

Roswitha Kössler (55): "Ich habe die deutsche Rechtschreibung immer beherrscht und ärgere mich, dass es damit vorbei ist. Für meinen Beruf muss ich die Regeln gezwungenermaßen beachten, ich bilde Chemielaboranten aus. Meiner Meinung nach wurde die Schreibung nicht einfacher. Für Ausländer, die Deutsch lernen, bleibt es genauso schwer."

Henning Steller: "Ich habe heute zu meiner Frau gesagt, dass ich keinen Brief mehr schreibe, nachdem ich die neuen Regeln im Fernsehen erläutert bekam. Naja, vielleicht werde ich nicht so drastisch reagieren. Aber dass Schifffahrt mit drei "f" geschrieben werden soll, leuchtet mir nicht ein. Die Politiker blicken auch nicht mehr durch."

Eva Künne (64): "Ich halte wenig von der neuen Rechtschreibung. Die Neuerungen verdienen den Namen Reform nicht. Im privaten Bereich werde ich die Regeln anwenden, was bleibt einem sonst? Da Bayern und Nordrhein-Westfalen nicht mitziehen, wird es schwierig für Kinder, die innerhalb der Bundesländer umziehen."

Inge Fischer (67): "Ich selbst brauche mich nicht daran zu halten, aber als Oma muss ich die Regeln beachten, wenn ich meinen Enkeln bei den Hausaufgaben helfe."

Gerda Paul: "Die neuen Regeln sind gewöhnungsbedürftig. Allerdings kann ich mich nicht total verweigern. Beruflich betrifft mich die neue Regelung nicht, da ich im Ruhestand bin. Wenn ich Briefe an Behörden schreibe, werde ich mich an die neue Rechtschreibung halten."

Bianka Ende (27): "Mir ist die neue Rechtschreibung egal. Beruflich schreibe ich wenig, da ich in der Montage arbeite. Ich schreibe weiter wie gelernt."

Hansjoachim Meutzner (76): "Ich bin gegen die Reform, da zu viel rumoperiert wurde. Im vereinten Europa wird Deutschland mit seiner unlogischen Rechtschreibung als Amtssprache kaum zum Zuge kommen. Sinnvolle Regeln hätte ich akzeptiert. Ich schreibe künftig wie bisher."

Regine Herrmann (39): "Für Kinder finde ich es furchtbar. Die neuen Sachen sind verwirrend. In der Arbeit verlasse ich mich auf das Rechtschreibprogramm des Computers."

 

Kommentar von Badische Zeitung, verfaßt am 31.07.2005 um 09.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=72#149

»„Das ist alles doch sehr verwirrend“
BZ-Umfrage unter Schülern und Lehrern des Theodor-Heuss-Gymnasiums zur Rechtschreibreform, die am Montag in Kraft tritt


SCHOPFHEIM. Wird „zu Hause“ nun groß und zusammen oder klein und getrennt geschrieben? Schifffahrt mit zwei oder drei F? Bisher waren sowohl alte als auch neue Rechtschreibung erlaubt. Dies führte indes in den Schulen dazu, dass sich kaum einer mehr sicher war, was nun wie geschrieben wird. Ab 1. August soll dies in 14 von 16 Bundesländern anders werden. In Schulen darf dann nur noch die neue Rechtschreibung verwendet werden. Was die Betroffenen am THG davon halten, das erfragte unsere Mitarbeiterin Jana Kapitz.

Matthias Jakobs (18): Ich finde das ganze nicht so toll. Die Umstellung zur neuen Rechtschreibung hätte schon lange laufen sollen. Einigen Lehrern war das bei der Bewertung aber offensichtlich egal. Man hat den Übergang gar nicht richtig mitgekriegt. Wie soll man denn die neue Rechtschreibung lernen, wenn man auch die alte benutzen darf?

Raphael Wyck (16): Meiner Meinung nach sollten alle Bundesländer bei der Umstellung mitmachen, aber erst dann, wenn die Rechtschreibung komplett überarbeitet ist.

Andrea Schall (Lehrerin für Deutsch und Französisch): Viele Sachen sind durch die Reform vereinfacht worden, andere sind oder bleiben eher undurchsichtig. Auch die vielen eingedeutschten Fremdwörter finde ich eher unnötig. Insgesamt sehe ich die Reform kritisch, weil in letzter Instanz keine wirkliche Vereinfachung stattgefunden hat.

Désirée Imbery (18): Ich denke, es ist gut, dass es jetzt nur noch eine Rechtschreibung gibt. Denn jetzt ist endlich wieder klar, was ein Fehler ist und was nicht. Das Problem ist aber, dass kaum einer genau über alle Veränderungen Bescheid weiß.

Jochen Seybold (Lehrer für Deutsch und Sport): Die neue Rechtschreibung beinhaltet Veränderungen, die unumstritten richtig sind. Es ist zwar etwas skurril, dass nicht alle mitmachen und es dann mehrere Rechtschreibungen gibt, aber ich glaube nicht, dass das gravierende Auswirkungen haben wird. Die Schüler hatten jetzt fünf Jahre Gelegenheit, sich mit der neuen Rechtschreibung anzufreunden. Es wäre an der Zeit, das allmählich verstanden zu haben.

Michelle Erbel (16): Ich finde die Rechtschreibreform unnötig. Bisher hat es ja auch funktioniert. Das ist alles doch sehr verwirrend. Viele Menschen verwenden immer noch die alte Rechtschreibung. Ich glaube, das mache ich selbst auch immer noch so.

Michael Gredick (16): Ich gehe jetzt noch drei Jahre in diese Schule. Ich weiß nicht, ob es sich überhaupt lohnt, die neue Rechtschreibung zu lernen. Wir bekommen Fehler angerechnet für Sachen, die wir nicht gelernt haben. Vielleicht lerne ich es, wenn wir alles noch mal im Unterricht durchgehen.

Urs Schreiber (Lehrer für Biologie, Geschichte, Ethik, Philosophie): Das Problem ist, dass es so viele Spielräume zwischen der neuen und der alten Regelung gab. Bei der Komma-Regelung herrschte bisher einfach nur Chaos. Die das/dass-Regelung verwirrte und die Getrenntschreibung ist mir selbst noch nicht so ganz klar. Die Umstellung verlief nicht ganz zügig. Dass sich zwei Bundesländer da heraushalten ist zwar sachlich nachzuvollziehen, diese Einsicht kommt aber etwas zu spät.

Alexa Amann (19): Die Rechtschreibreform ist insofern negativ, als dass wir nicht mehr unterscheiden können, was alt und was neu ist. Manche Lehrer sind sich selbst mittlerweile nicht ganz sicher, ob sie jetzt für die alten oder die neuen Schreibweisen sind. Für uns als Schüler ist es dann noch schwieriger, sich anzupassen.«


( Badische Zeitung vom Donnerstag, 28. Juli 2005 )

 

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