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30.07.2005
Ein Witzbold
Stefan Stirnemann antwortet Rudolf Walther
Nicht alle Feuilletonisten sind für die Qualität ihrer Scherze berühmt.
Auf Rudolf Walther hatten wir in diesem Zusammenhang bereits hingewiesen. Stefan Stirnemann hat nun im Freitag einige besonders mißlungene Pointen einer genauen Kritik unterzogen.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 15.08.2005 um 12.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=71#165
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Wenn demnächst die Zehetmairschen Meliorationen greifen, wird es in der Schweiz schwierig sein, einen Text dem Rechtschreibtyp nach als "alt" oder "neu" zu bestimmen. Schon jetzt funktioniert bekanntlich die "dass"-Probe nicht, die im übrigen deutschen Sprachgebiet die Identifizierung erleichtert. Es bleibt jedoch vorläufig bei der Koexistenz von drei Lösungen für das s-Problem: die Adelungsche, die Heysesche und die schweizerische. Letztere ist eigentlich falsch benannt, denn so verfuhr man allenthalben, als im Buchdruck die Antiquaschrift die Fraktur zu verdrängen begann. Für die lateinischen Schreib- und Druckschriften mußte eigens ein "ß" kreiert werden; der Duden von 1937 enthält noch einen Hinweis, wie man das am besten macht. Ein interessantes Dokument für den Übergang ist Friedrich Gundolfs Shakespeare und der deutsche Geist, verlegt bei Bondi in Berlin, gesetzt und gedruckt von Hesse & Becker in Leipzig, beides 1914 in erster Auflage, die weiteren Auflagen sind unverändert. Im "Vorwort" liest man: "Das heißt nicht daß die Personen in der Geschichte nebensächlich sind, vielmehr daß sie alles sind: nämlich daß nur im individuellen Symbol das Allgemeine überhaupt sich offenbart, daß wir nur am farbigen Abglanz das Leben haben." Ein paar Seiten weiter, in der "Einleitung", heißt es: "Was war natürlicher als dass in die Lücken, aus denen der belebende Gesamtgeist gewichen war, das Fremde einströmte, dass man in demselben Mass als der Stoff sich ringsherum häufte, auch die Lücken spürte..." Vorworte schreibt (und setzt) man zuletzt. Hier können wir also den Zeitpunkt bestimmen, zu dem die angeblich "schweizerische" Lösung bei uns aufgegeben wurde. Auf Schweizer Schreibmaschinen (die "ç" statt "ß" zeigen) gibt es eine weitere Besonderheit: Es fehlen "Ä", "Ö" und "Ü", die also als "Ae" usw. geschrieben werden müssen. Die entsprechenden Kleinbuchstaben sind vorhanden, müssen aber per Umschaltung geschrieben werden; auf ihren Positionen liegen "à", "è" und "é". Genauso verfuhr man am Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Deutschland. Die Festschrift für den X. Rheinisch-Westfälischen Stenographentag Stolze-Schrey am 3., 4., und 5. August 1907 in Lüdenscheid zeigt "Oeffentliche Hauptversammlung" mit dem Tagesordnungspunkt 1: "Begrüssung". Der einleitende "Festgruß" ist freilich schon weiter: "Wo mit des Wissens ernsten Mühen / Sich holde Kunst zum Bund verwebt, / Da muß des Fortschritts Blume blühen, / Die kühn zum Licht der Sonnen strebt..." In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hat Adelung sich also auch der ungebrochenen Schriften bemächtigt, ohne Heyses "Kompromiss" (Floß/floss statt Floß/floß), den dieser 1834 so begründet hatte: "... da aber jene Schreibart, der richtigen Aussprache ganz entgegen, den Ausländer und selbst den Deutschen zur Verwirrung im Lesen und Schreiben führt: ist sie verwerflich." So schlimm kann das mit der Verwirrung allerdings nicht sein, denn nun erfahren wir von Stefan Stirnemann, daß nach gutem Schweizer Brauch dorten zwei s-Schreibungen nebeneinander existieren: "Dass die Schweiz das Eszett abgeschafft habe, ist nicht wahr. Es wird in der Schule nicht unterrichtet und in der Presse nicht verwendet; aber in den literarischen Werken und den Schulbüchern steht es nach wie vor." Vielleicht sind wir dem Rechtschreibfrieden näher, als wir ahnen. Was sprachlogisch und sprachästhetisch eindeutig unhaltbar ist, muß freilich wieder weg. Dann wird man weitersehen.
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