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Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

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28.08.2010
 

Wenn die Frau allein steht
Aus der Rubrik „Sprachspaltereien“

Inzwischen hat es sogar die Wiener „Presse“ geschafft, ihre Leser auf ein paar Absurditäten der reformierten Rechtschreibung hinzuweisen – allerdings erst auf eine Leseranfrage hin.

Ein Leser bittet mich, den unsinnigen Gebrauch der Getrenntschreibung aufs Korn zu nehmen.

In der Annahme, dass die „neue“ Rechtschreibung dies erfordere, wird heute vieles getrennt, was eigentlich zusammengehört. Obwohl die aktuelle Regelung dies häufig gar nicht erfordert.

Unübersichtlich ist die Lage allemal. „Die Leitung wurde still gelegt“, schreibt eine Zeitung, was den Verdacht nahelegt, dass die Leitung nicht abgeschaltet, sondern geräuschlos gelegt wurde. Aber Vorsicht: Schuld ist nicht die Rechtschreibreform, sondern der Verfasser, denn stilllegen ist auch heute zusammenzuschreiben, allerdings mit 3 L.

„Ein Situationsdrama, das ihn durch die Betten allein stehender Damen führt“, heißt es woanders – was tut der Mann mit einer Frau, die allein im Bett steht? Ist es nicht vielmehr eine Single-Frau, also eine alleinstehende? Allein stehend war tatsächlich im ersten Neue-Rechtschreibungs-Anlauf zu trennen, gehört jetzt aber, nach den Reformen der Reform, wieder zwingend zusammen.

Wenn jemand „vorüber gehend einen Stock benützt“, könnte man die Auseinanderschreibung so argumentieren, dass der vorübergehend Fußmarode das Hilfsmittel ja nur im Gehen braucht. Aber wieder liegt es am Verfasser, denn vorübergehend schrieb man auch vor der Reform nicht getrennt und tut es heute gleichfalls nicht. Ein „Engagement, das schief geht“, muss man sich erst einmal bildlich vorstellen. Vielleicht braucht es ja einen Stock? Die Reformer haben es sich wieder anders überlegt: Schief gehen wurde nur im ersten Anlauf getrennt, sozusagen vorübergehend.

Eva Male


Link: http://diepresse.com/home/spectrum/spielundmehr/590626/index.do


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Kommentare zu »Wenn die Frau allein steht«
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 05.02.2014 um 11.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#9797

„Wichtiger sei doch der zügige Aufbau eines Textes, die feine Klinge des Ausdrucks, die semantische Differenzierung.“ schreibt die Presse (1. 2. 2014).

Grundsätzlich sicher eine nachvollziehbare Gewichtung, ich frage mich allerdings, wie Schreiber, die auf feine Klinge und Differenzierung Wert legen, hinsichtlich Orthographie so vollkommen ambitionslos sein können, wie ihnen unterstellt wird?


Kommentar von R. M., verfaßt am 03.02.2014 um 23.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#9796

Eva Male hat vor Jahren durchaus reformkritisch geschrieben, als der Chefredakteur noch ein anderer war.


Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 03.02.2014 um 19.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#9795

Ich bin da nicht so sicher.
Wenige Menschen erinnern sich unmittelbar an Ereignisse, die ca. 18 Jahre zurückliegen.

Und, die Zahl derer, die die Reform so gut kennen, eigenständig Schlußfolgerungen zu wagen, ist noch geringer. Daher ist das einfache Nachsagen von Agenturmeldungen einfacher und sicherer, als sich durch „Eigenrecherche“ zu exponieren oder gar zu blamieren.


Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 03.02.2014 um 16.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#9794

Im Haus des Gehenkten spricht man nicht vom Seil. Ein intaktes Tabu versteht sich von selbst und bedarf keiner Anweisung, zumal diese mit einer Verletzung des Tabus einherginge. Die Selbstverständlichkeit des Tabus erfordert überdies, daß es auf etwas ganz Offenkundigem ruht. Andernfalls ließe es sich nicht in stillschweigender Übereinkunft herstellen und wahren. Diese Funktionsweise verleitet den Außenstehenden zu Fehldeutungen. Er hält das Tabu wahlweise für einen blinden Flecken in der Wahrnehmung oder für eine absichtliche Betonung durch Aussparung.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.02.2014 um 05.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#9792

In der "Presse" vom 2.2.2014 beschäftigt sich Eva Male mit den nachlassenden Rechtschreibleistungen der Schüler, natürlich ohne die Rechtschreibreform zu erwähnen. Das ist das große Tabu bei all denen, die mitnachen (müssen). Es würde mich interessieren, ob die Journalisten angewiesen worden sind, das Thema nicht mehr aufzugreifen. Die Übereinstimmung so vieler Zeitungen in diesem Punkt fällt schon auf.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.10.2011 um 18.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#8706

Das Wesen der westeuropäischen Kultur besteht darin, daß es immer nur eine Wahrheit geben darf und nicht mehrere, wie es ein Merkmal des Klassischen Islam des Mittelalters war. Für die Physiker immerhin sind die "Gesetze" der Physik nur Wahrscheinlichkeiten.


Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 05.10.2011 um 18.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#8703

Auf einem Bonner Waldweg hat das Forstamt vier Bauschilder aufgestellt, alle gleich gestaltet. Auf dreien davon steht "Dieser Weg wird gerade gründlich instandgesetzt", auf dem vierten aber "Dieser Weg wird gerade gründlich Instand gesetzt". Es lebe die Vielfalt!


Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 24.03.2011 um 17.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#8569

Bild München am 24.3.2011:

"Unfallflucht - 85-Jähriger fast tot gefahren"


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2010 um 11.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#8283

Das ist nicht regelwidrig, sondern seit 1996 eiserner Bestand der Neuregelung:

in Stand setzen
außer Stande sein
zu Stande bringen

– alles fakultativ, aber 1996 mit Sternchen stolz als neu markiert!


Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 23.09.2010 um 23.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#8282

Die Stadt Bonn stellt bei Straßenbauarbeiten regelmäßig (aber regelwidrig) Schilder auf, auf denen zu lesen ist: "Diese Straße wird in Stand gesetzt". In welchen Stand bloß?


Kommentar von MG, verfaßt am 11.09.2010 um 14.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#8269

Der Artikel ist vom 17.08.2010, der Leserkommentar ist vom 21.08.2010. Verbessert ist der Fehler bis heute nicht. Wozu auch? Geschrieben ist geschrieben, und solange man versteht, was gemeint ist, ist das doch egal. Oder?

In jeder Zeitung liest man immer wieder Artikel, in denen über die mangelhaften Rechtschreibkenntnisse "der Jugend" gejammert wird. Aber jede Zeitung gibt jeden Tag ein schlechtes Beispiel.


Kommentar von Germanist, verfaßt am 10.09.2010 um 23.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#8268

Bei der Einführung der Reform haben die Befürworter gespottet über die Gegner, die nur zu faul und zu senil zum Umlernen seien. Fragt man heute Schüler der höheren Klassen über ihre Meinung zu Änderungen, so hört man nur den Unwillen über irgendwelches erneute Umlernenmüssen. Das Festhalten an der einmal erlernten Rechtschreibung ist also keine Alterserscheinung der Reformgegner, sondern gilt für alle Bevölkerungs- und Altersgruppen.
Möglicherweise hat die Staatsräson des Festhaltens an der Reform in Wirklichkeit bewirkt, daß das Volk gemerkt hat, daß die Regierung auch Lügen verbreiten kann.


Kommentar von Romantiker 2.1, verfaßt am 10.09.2010 um 21.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#8267

Ist das wirklich erst in letzter Zeit? Ich bin mir nicht sicher. Ich bemerke nur, der Anteil an Reformschreibung nimmt weiterhin zu, und solche "kritischen" Artikel/Kommentare begegnen mir nicht – im Gegenteil! Und bisher auch nur ein einziger braver Leserkommentar: "Schönes Beispiel von 'Korrekturen' bei twitter [...]"

Zeitgleich: Und die nächste "Front" ist eröffnet, gleiche Ideologie, wieder Elterninitiativen und verquere Statistiken als Unterfütterung. Ich habe das vor 2 Wochen hier eingestellt zur Information, wurde gelöscht, leider kein Kommentar.
(Meinen Sie vielleicht diesen Eintrag? Schauen Sie mal, was der für Reaktionen hervorgerufen hat! – Red.)
In der F.A.Z. war ein leidiger Artikel über die Abschaffung der Schreibschrift (also nach vereinfachter – und beileibe nicht funktionierender – Schulausgangsschrift) an den Grundschulen.

Der Artikel von Herrn Georg Rüschemeyer liest sich wie damals, anno '96!

Interessant wäre es zu wissen, um welche Altersgruppe es sich bei der Leseranfrage handelte. Mich erinnert das an letztes Jahr, als es in der Presse kurzzeitig das Thema wieder aufschaukelte. Das verklang ja – wie Herr Ickler das voraussah – sang und klanglos. Also, verhaltener Protest, da kann man eh nichts mehr machen – und Stille. Halt der übliche Spott auf die Reformschreibungen. Wie auf die Politik und das Leben.

Mehr Laune macht da schon der neue "Pepys", Herr Heiko Arntz als Lektor, scheint gute Arbeit gemacht zu haben – darf so etwas dann in Realschulen gelesen werden (Auszüge versteht sich)? Das ist für mich die interessante Fragestellung. Alles andere ist Marginalie.

Zum Alter: Die Verfasserin der "Sprachspaltereien in kompakter Form", Eva Male, ist Jahrgang '65! (Heiko Arntz ist ebenfalls '65er Jahrgang.) Hab ich mir's doch gedacht. Es bestätigt meine Annahme, daß es nicht die Jungen sind. Alles eine Frage der Zeit meine Herren. Das Durchschnittsalter hier – Verzeihung – dürfte jenseits Jahrgang '65 sein, Junge verirren sich doch nur mal ab und an hier, auch beinah nur ein Männerclub, somit ist Frau Male schon fast ein Fräuleinwunder an sich ;-)


Kommentar von Germanist, verfaßt am 10.09.2010 um 09.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#8265

Es ist ein großer Fortschritt, wenn Leserbriefe zur Rechtschreibreform wieder abgedruckt werden, und die betreffenden Zeitungen verdienen dafür höchstes Lob. Die Meinung "wenn es auch Unsinn ist, ist es doch die reformierte Rechtschreibung" scheint nicht mehr überall zu gelten.


Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 09.09.2010 um 09.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=655#8264

Leseranfragen auch woanders: Einen Bericht der „Stuttgarter Nachrichten“ mit der Überschrift „Bäcker Schuld an teurem Brot“ kommentiert ein „Anonymer Benutzer“ so:

»Neue Rechtschreibung
Wieso wird "Schuld" im Titel eigentlich großgeschrieben? Es handelt sich doch offensichtlich um ein Adverb, das sich auf das Verb "sind" (Bäcker sind schuld) bezieht. Nur weil das Verb hier im Titel "verschluckt" wird, ist das noch lange kein Grund, Schuld groß zu schreiben. Im Gegenteil, es ist ein Beweis, dass der Schreiber die deutsche Grammatik nicht ganz verstanden hat. Dabei ist das nur logisch. Oder ist die Rechtschreibreform daran schuld? Wenn ja, wie begründet man so einen Quatsch?«

(www.stuttgarter-nachrichten.de, 21. August 2010)



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