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21.07.2005
„Bärgöttin und Vogelgöttin sind wirklich die Bärgöttin“
Urwörter vom Balkan
Ein amerikanischer Keltist glaubt, erstmals einen Satz in der Vinca-Schrift der alteuropäischen Kultur zu entziffert zu haben.
Herausgekommen ist eine theologische Aussage von zweifelhaftem Wert. Die Neue Zürcher Zeitung spricht zurückhaltend von »spektakulären und auch etwas spekulativen Forschungen«. Toby D. Griffen ist jedenfalls zuversichtlich, auf den ältesten jemals geschriebenen Satz gestoßen zu sein.
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Kommentare zu »„Bärgöttin und Vogelgöttin sind wirklich die Bärgöttin“« |
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.01.2012 um 12.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#8877
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Meldung vor einiger Zeit:
„Die Anthropologen Alec Knight und Joanna L. Mountain von der Stanford-University sind davon überzeugt, dass die Khoisan-Sprache auf die älteste Sprache der Menschheit zurückgeht. Auf der 51. Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Humangenetik in San Diego stellten sie ihren neuen Forschungsansatz zur Diskussion.“
Aber alle anderen Sprachen gehen doch ebenfalls auf die älteste Sprache oder die ältesten Sprachen zurück! Niemand glaubt, daß es damals Menschengruppen gab, die keine Sprache hatten, und alle haben sie von ihren Vorfahren übernommen.
Ein Sprachwissenschaftler teilt mit:
„Die vor ca. 40.000 Jahren in beinahe ganz Europa Eingewanderten brachten Sprachen mit, die sehr viel älter waren als die etwa 9.000 Jahre alten idg. Sprachen. Das Baskische ist wohl ein Nachfahre dieser voridg. „alteuropäischen“ Sprachen (und erscheint daher heute isoliert und fremdartig).“
Was haben denn die Vorfahren der Indogermanen gesprochen? Anscheinend wird hier das rekonstruierbare Idg. mit dem Alter der Sprache verwechselt.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.01.2012 um 19.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#8879
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Siehe auch Prof. Vennemanns Baskentheorie.
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Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 31.01.2012 um 19.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#8880
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Der "neue Forschungsansatz" ist, wenn ich nicht irre, die von mir schon (hier) erwähnte Variante der gar nicht so neuen Glottochronologie, alter Wein in neuen Schläuchen also. Leider liest und hört man aber immer wieder diese unsinnigen Behauptungen, diese oder jene Sprache (beliebte Kandidaten waren immer Hebräisch oder Arabisch) sei die älteste der Welt oder besonders alt. Nachvollziehbar ist, daß die betreffende Sprache durch dieses Prädikat geadelt werden soll. Ansonsten rätsele ich auch jedesmal, was die Leute sich dabei denken. Natürlich ist Latein älter als Italienisch, wie auch Althochdeutsch älter als Neuhochdeutsch. Aber um solche Banalitäten geht es offenbar nicht. Vielleicht werden manche Sprachen als sich immer gleich bleibend gedacht, oder spielt die alte Vorstellung vom "Eintritt in die Geschichte" eine Rolle? Auf jeden Fall macht es sich immer gut in der Presse, und das Publikum ist beeindruckt.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.08.2013 um 11.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#9471
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„Die indo-europäische (in Deutschland ‘indogermanisch’ genannte) Sprachfamilie ist vergleichsweise jung, gemessen an dem vermuteten Alter der Menschensprache von mehr als 100.000 Jahren.
(...)
Eine überraschende Wende hat die Frage der Indogermanisten bzw. der Streit zwischen den Theorien durch eine kürzlich berichtete Untersuchung bekommen, die von denselben Daten wie die Glottochronologie ausgeht, aber hoch verfeinerte Computer-Methoden der evolutionären Biologie anwendet. Danach kann der Streit um die Heimat der Indogermanen als gelöst betrachtet werden, und zwar zugunsten der Anatolien-Theorie bzw. im Sinne des Kompromisses von Cavalli-Sforza u.a.
(...)
(Die den Sprachen gemeinsamen Wörter, wie Pronomina, Körperteilwörter u. a., wurden hauptsächlich auf der Grundlage der Swadesh-Liste identifiziert)“
(Dieter Wunderlich)
Die "hoch verfeinerten Computer-Methoden" können, wenn man sie auf die windigen Grundannahmen der Glottochronologie anwendet, auch nichts Genaueres herausbringen. So ähnlich versuchen uns die Klimapropheten mit ihren Supersupercomputern zu beeindrucken, und dann kommt alle drei Wochen heraus, daß sie ganz wesentliche Faktoren ausgelassen haben. Letzte Woche erst wurde berichtet, daß Erdbeben ungeheure Mengen Methan im Meer freisetzen, die man bei Klimaprognosen bisher nicht beerücksichtigt hat.
Zur "Anatolien-Hypothese" s. Wikipedia. Diese umfassenden Theorien stammen übrigens auffälligerweise von lauter Nichtlinguisten.
Beim Alter des Indogermanischen kann es sich allenfalls um eine angenäherte Datierung jener Stufe handeln, die man mit den Mitteln der historisch-vergleichenden Methode rekonstruiert.
Interessant ist die Frage, ob man ein solches Rekonstrukt realistisch deuten darf (also als wirklich gesprochene Sprache) oder nur als praktische Formel für die Methode selbst. Manche nehmen an, daß diese älteste Stufe nur einen Vokal und bis zu 12 "Laryngale" hatte, aber solche Sprachen sind sonst nicht bekannt und typologisch unwahrschenlich bis ausgeschlossen. "Macht nichts!" sagen die Methodiker, es ist ja nur ein Konstrukt.
Es hat auch schon Theoretiker gegeben, die sagten: Selbst wenn sich herausstellen sollte, daß es diese Laryngale nicht gegeben hat, bleiben wir bei ihrer Annahme, weil sie zu einer Vereinfachung der Rekonstruktion beiträgt. Ich glaube nicht, daß das bei einer empirischen Wissenschaft zulässig ist.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 01.08.2013 um 18.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#9472
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Manche Indogermanisten wie z.B. Robert Schmitt-Brandt versuchen, das Ursprungsgebiet der Indogermanen anhand nicht gemeinindogermanischer Wörter einzugrenzen. Die frühen Indogermanen hatten noch kein Wort für die Buche, die sie vermutlich nicht kannten. Das würde auf das heutige Gebiet der Ukraine und Weißrußlands zutreffen, weil die Buche nach der letzten Eiszeit aus dem Mittelmeerraum nach Mittel- und Westeuropa eingewandert ist.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.08.2013 um 04.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#9473
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Eine Schwäche des berühmten "Buchenarguments" beruht darauf, daß oft nicht genau bekannt ist, welcher Gegenstand mit einem bestimmten Wort bezeichnet wurde, sowie auf der bekannten Tatsache, daß Auswanderer neue Objekte mit den vertrauten alten Namen bezeichnen. Ich sehe gerade, daß Wikipedia einen sehr umfangreichen Eintrag zum "Lachsargument" hat, während man sich mit dem Buchenargument auf anderen Seiten vertraut machen kann.
(An Paul Thiemes "Der Lachs in Indien" mußte ich denken, wenn unser Koch in Neu-Delhi uns "Lachs" auftischte – ich weiß bis heute nicht, was das eigentlich für ein Fisch war, wir haben es auch bald aufgegeben, weil Fisch dort eine etwas bedenkliche Speise ist.)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2015 um 12.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#10053
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Man nimmt heute an, dass die Menschen vor ca. 30.000 Jahren das Sprechen gelernt haben. (Hans Burkhardt: http://www.hss.de/downloads/aa47-Geisteswissenschaften.pdf)
Mir ist kein Grund bekannnt, warum die Menschen vor 30 000 Jahren und nicht vor 1 Million oder gar 2 Millionen Jahren mit dem Sprechen angefangen haben sollten. Immerhin haben sie vor über 2 Mill. Jahren schon Steinwerkzeuge hergestellt. Und wenn sie Sprache hatten, gibt es keinen Grund, warum sie nicht den ganzen Tag mit anderen oder mit sich selbst gesprochen und eine hohe Virtuosität entwickelt haben sollten. Diese Sprachen konnten auch "komplexer" sein als die modernen.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.02.2015 um 15.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#10054
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Die schriftlich überlieferten Urformen der heutigen indogermanischen Sprachen haben viel kompliziertere Deklinations- und Konjugationsformen. Waren die Menschen damals intelligenter oder konnten nur die intelligentesten von ihnen sich korrekt ausdrücken?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2015 um 15.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#10055
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Dazu:
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=719#22963
und
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=719#22964
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Kommentar von Pt, verfaßt am 25.02.2015 um 17.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#10056
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Früher haben die Leute den ganzen Abend am Lagerfeuer gesessen und sich unterhalten, heute sitzen sie den ganzen Abend vor dem Fernseher und lassen sich mit Bildern berieseln.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.02.2015 um 07.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#10057
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Voraussetzung für die Entstehung von Religion ist die ausreichende (abstrakte Begriffe umfassende) Sprachfähigkeit. (Wikipedia Steinzeit)
Warum gerade abstrakte Begriffe? Man könnte sich denken, daß magische Praktiken entstanden, ganz ohne Sprache, wie das abergläubische Verhalten der Skinnerschen Tauben. Oder man dehnte die Kommunikation auf eingebildete Wesen aus und verehrte den großen Manitu, mit einem Eigennamen anzureden und keineswegs abstrakt. Usw. - ich meine diese Spekulationen natürlich nicht ernst, bestreite aber den Zusammenhang mit Abstrakta.
Die Frage ist deshalb wichtig, weil von früher Sprache naturgemäß nichts erhalten ist, weshalb man eben von Artefakten z. B. aus der Bestattungskultur, aus der Werkzeugherstelltung oder aus der frühen Kunst Rückschlüsse auf die Sprachfähigkeit ziehen möchte.
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Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 26.02.2015 um 12.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#10058
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Zu Germanists Bemerkung 10054:
Wenn wir die heutigen Mundarten betrachten, spricht dies für eine gewisse "Sprachintelligenz" der ungebildeten Leute. Gerade die "Bildungsfernen", die sich mit der Hochsprache schwertun und im Deutschunterricht bei Diktat und Aufsatzschreiben froh sind, auf eine vier oder vier minus zu kommen, beherrschen intuitiv verwickelte Sandhi- und Ablaut-Regeln. Das gibt immer wieder Gelegenheit zu witzigen Verständnisschwierigkeiten. So etwa im Rheinischen, wenn die Frage "Küste zoröck?" mit einem völlig deplazierten "Ja, ich küsse zurück" bantwortet wird. Richtig wäre "Ja, ich komme zurück", aber bei bestimmten Formen verschwindet der Stammauslaut: ich kumme – do küss – hä/sie/et kütt. Im Bayerischen – Herr Chmela kann sicher genaueres sagen – haben wir i wui, i spui als Formen von wollen, spielen – darauf muß man erst mal kommen! Aber der deppertste Almdödel beherrscht das im Schlaf.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.12.2016 um 06.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=306#10682
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In einem Engadiner Dorf kann man „eine der ältesten Sprachen“ lernen, „älter als Latein“ (FAZ 17.12.16) Wie alt sie ist, zeigt schon die Senter Hymne: Il cumün in silenzi („Das Dorf in der Stille“). Quista bescha es ün chavagl („Dieses Tier ist ein Pferd“) hört sich auch postglazial an.
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