Nachrichten rund um die Rechtschreibreform
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11.04.2005
Mutmaßungen über die KMK
Die Blicke richten sich auf die KMK, und es spricht Besorgnis aus ihnen. Wird sie nun endlich begreifen? – Die KMK aber kapselt sich ab.
Die Zeitungskommentare haben allmählich etwas Sterndeuterisches. »Alles«, schreibt Heike Schmoll im heutigen Leitartikel der F.A.Z., »hängt nun davon ab, wie die Kultusminister mit den neuen Änderungsvorschlägen umgehen.«
Zuzutrauen ist der KMK grundsätzlich alles. Daß sie dem Votum des Rechtschreibrats einfach zustimmen muß, meint Eberhard Fehre in der Westdeutschen Zeitung. Was aber, wenn es zu einer Trotzreaktion kommt? Wiederum in der F.A.Z. verweist Hubert Spiegel auf die zu erwartenden Attacken der Schulbuchverleger, Eltern- und Lehrerverbände und prophezeit, daß »Zehetmair ( . . ) auf wenig Gegenliebe in der Kultusministerkonferenz stoßen« wird. Die KMK erscheint mehr und mehr als eine Art Rechtschreib-Kreml, und also versucht man es mit Beschwörung und Astrologie.
Der morgigen F.A.Z. ist zu entnehmen, daß die Kultusminister ihren Altvorderen Zehetmair gleich ins Gebet genommen haben. Es dürfe kein Zweifel bestehen, daß die unumstrittenen Reformbestandteile zum 1. August notenrelevant würden. Aber was ist an der Reform schon unumstritten?
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Kommentar von ddp, verfaßt am 11.04.2005 um 12.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=237#576
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«Ein Stückchen Aussöhnung»
Wanka sieht Vorschläge zur Rechtschreibreform positiv
Köln/Potsdam (ddp-lbg). Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Johanna Wanka (CDU), begrüßt die angekündigten Änderungsvorschläge des Rats für Deutsche Rechtschreibung zur Rechtschreibreform. Man werde diese «sehr, sehr ernst nehmen», sagte Wanka, die zugleich Wissenschaftsministerin von Brandenburg ist, am Montag im Deutschlandfunk. Das Gremium habe aber noch keine einvernehmliche Entscheidung getroffen.
Gerade die Getrennt- und Zusammenschreibung sei ein besonderer Kritikpunkt in der Diskussion gewesen. Sie finde es «sehr vernünftig», dass der Rat sich gerade mit diesem Thema auseinandersetze. Die KMK sei froh, wenn von dem Gremium «kluge Vorschläge» kämen, die auch «ein Stückchen Aussöhnung» brächten.
Wanka betonte, Änderungen dürften aber nicht zu Lasten der Schüler gehen. Die neuen Regeln sollten nicht einfach zurückgenommen werden. Sie wäre aber für mehr Variabilität.
Zugleich forderte sie, über mögliche Änderungen zügig zu entscheiden. Es wäre nicht gut, wenn der jahrelange Streit nach dem 1. August massiv weitergehe. Deshalb sei sie dankbar für die Vorschläge. Sie gehe im Moment davon aus, dass die Reform bis zu dem Stichtag verbindlich werde. Eine völlige Rücknahme der neuen Regeln schließt die KMK-Präsidentin aus.
Der Rat für Deutsche Rechtschreibung hatte am Freitag bei der Getrennt- und Zusammenschreibung für eine weitgehende Rückkehr zu den alten Regeln plädiert. Der nach der heftigen Kritik an der neuen Rechtschreibung von der KMK ins Leben gerufene Rat soll Verbesserungsvorschläge für die zum 1. August endgültig in Kraft tretende Rechtschreibreform machen.
( freiepresse.de [Chemnitz], 11.4.05 )
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Kommentar von Jörg Metes, verfaßt am 11.04.2005 um 14.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=237#579
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»Auf jeden Fall wäre ich skeptisch«, meint die KMK-Präsidentin Johanna Wanka (CDU), »daß man den Schülern diese neuen Regeln wegnehmen sollte, wo sie - das sind unsere Informationen - bisher sehr gut mit zurechtgekommen sind.« Wir aber wissen, daß sie so gut wie gar keine Informationen hat. Es gibt Untersuchungen, doch die haben ergeben, daß die Schüler mit den neuen Regeln keineswegs zurechtkommen: sie schreiben schlechter als vor der Reform. Solche Untersuchungen freilich nimmt die KMK bis heute nicht zur Kenntnis. Die Zeichen scheinen mir doch eher darauf hinzudeuten, daß die KMK auch ihre »letzte Chance« ( Westdeutsche Zeitung ) nicht nutzen will.
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Kommentar von SR online, verfaßt am 11.04.2005 um 17.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=237#581
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»11.04.2005 17:00
Saarbrücken: Neue Rechtschreibung wird im Land eventuell verschoben
Die alte Rechtschreibung wird im Saarland möglicherweise auch nach dem 1.August noch offiziell gültig bleiben. Das hat Kultusminister Schreier angekündigt.
Erst wenn die Rechtschreibung definitiv feststehe, werde sie auch für Schüler verbindlich gemacht. Schreier sagte, er wolle nicht sklavisch am 1.August als Reformdatum festhalten.
Man könne keine Reform einführen, wenn man annehmen müsse, das es bald wieder Korrekturen geben werde. Seinen Moratoriumsvorschlag will Schreier auch in der KMK diskutieren.«
( SR-online.de )
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Kommentar von F.A.Z., verfaßt am 11.04.2005 um 17.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=237#582
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»Nicht nur Varianten
11. April 2005 oll. Noch vor dem Beschluß ihrer Kollegen über die Rechtschreibreform äußert die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Wanka, recht gewagte Prognosen über dessen Ausgang. Eine Rücknahme der Reform hält sie für ausgeschlossen, obwohl der Rat für deutsche Rechtschreibung erst über einen Paragraphen der umstrittenen Getrennt- und Zusammenschreibung beraten hat. Offenkundig aus Angst vor zusätzlichen Kosten für Schulbücher meidet sie es konsequent, von Änderungen zu sprechen, und will statt dessen nur mehr Varianten zulassen. Mit ihrer bisherigen Änderungsverweigerung hat die KMK den Duden geradezu gezwungen, sämtliche Korrekturen klammheimlich von Auflage zu Auflage in Form von Varianten durchzusetzen. Das hat die allgemeine Verwirrung nur gesteigert und die fatale Auffassung verfestigt, es sei ohnehin gleichgültig, wie geschrieben werde. Für die Schulen ist das genauso ruinös wie jede Form von Rechtschreibdogmatismus. Wenn der Rechtschreibrat, den die KMK gewollt und mit einem politikversierten Vorsitzenden eingesetzt hat, einen Sinn haben soll, dann kann er nicht in der Zulassung weiterer Varianten liegen.«
( F.A.Z., 12.04.2005, Nr. 84 / Seite 12 )
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Kommentar von Johannes Hauberger, verfaßt am 12.04.2005 um 10.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=237#585
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Es ist wie bei einem Riesenpoker. Wichtige Karten liegen zwar schon auf dem Tisch, was sich aber hinter den Stirnen der Spieler verbirgt, das weiß niemand. Ohnehin heißt das große Losungswort der Rechtschreib-Köpenickiade "Kompromiss". Was alles seit 1987 unter dieser Flagge segelt, braucht Eingeweihten nicht noch einmal aufgezählt zu werden. Aber nun geht es weiter. Die KMK hat gerade den knallharten Termin 1. 8. 2005 aufgeweicht - sage niemand, das monolithische Gremium sei nicht "kompromissbereit". Nur die "unstrittigen" Teile der RSR treten an diesem Tage für Schulen und Behörden in Kraft, für die "strittigen" gilt dagegen die tolerante Einführungsphase weiter. Was heißt das? Ein Blick in den letzten (auch vorletzten oder vorvorletzten) Duden genügt, um sich über "strittig" und "unstrittig" Klarheit zu verschaffen: Alles Schwarzgedruckte ist "unstrittig"; wer davon abwich, machte sich auch von 1996 bis 2005 in den Augen unserer deutschen Beckmesser schwerer orthographischer Vergehen schuldig. Das ist übrigens der Teil unseres traditionellen Rechtschreibwortschatzes, an dem die Rechtschreibreformer nichts auszusetzen hatten, also die 98,5 Prozent, die nicht von der Reform betroffen sind. Alles "Rote" ist natürlich "strittig", so strittig, daß die absolute Mehrheit der wahlberechtigten Deutschen, das gewaltige Lager der Literalität, es lieber heute als morgen im Orkus sähe. Vielleicht wird daraus etwas, wenn unserer honorig staatsloyalen deutschen Presse irgendwann der Kragen platzt. Vielleicht gibt es aber wieder einen "Kompromiss": "Küsschen" bleibt, "Brennnessel" verschwindet usw. usw. Stoff hätte die "Kompromisskommission" wahrlich genug. Gerade macht Professor Ickler (der neuerdings den Ehrentitel "Speerspitze der Reformfeinde" führen darf) einen Kompromißvorschlag, der auf der Stelle konsensfähig wäre: Es bleibt bei den 112 Regeln (damit die Kultusminister ihr Gesicht wahren können), alle werden aber mit neuem Inhalt gefüllt. Dazu braucht man natürlich wieder eine Kommission, und das bedeutet: Kompromiss, Kompromiß, Kom... Wie wäre es mit folgender Lösung: Der Bundesanzeiger veröffentlicht am Tage des orthographischen Heils die "Amtliche Neuregelung der deutschen Rechtschreibung in der Fassung vom 1. August 2005", die aber nur aus den Überschriften der Teile, Abschnitte und Paragraphen besteht, weiter nichts - und verkündet damit die große deutsche Rechtschreibfreiheit. Der letzte Kaiser Wilhelm wird sich im Grabe umdrehen. Bricht dann aber das orthographische Chaos aus? Keineswegs. Wenn alle die neue Freiheit ernst nehmen, sieht jedermann und jedefrau nur noch gedruckte Texte in üblicher Rechtschreibung - und richtet sich danach. Den Rechtschreibwörterbüchern bleibt dann nichts anderes übrig, als den guten deutschen Schreibgebrauch zu dokumentieren. Ein paar Ratschläge, woran man sich im Zweifelsfalle zu halten hätte, könnten nicht verkehrt sein. Professor Ickler wird die Lexikographen gerne und wie bisher sine pecunia beraten. Auch wenn es manchem Pedanten leid täte, mehr tut nicht not, es würde uns wirklich sehr weh tun, wenn es mehr würde. Haben es die Leser bemerkt? Unter dem Pontifikat von Johanna Wanka hat wirklich am 11. April 2005 der große deutsche "Rechtschreibkompromiss/ß" seinen Anfang genommen.
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Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 12.04.2005 um 15.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=237#586
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Eine Rückkehr zur alten Schreibung ist unmöglich? Zu teuer, oder warum?
Dabei wäre für den Duden die einfachste und völlig kostenneutrale Lösung doch diese:
Neue Banderole drum mit der Aufschrift "Ungültiges jetzt rotgedruckt" und fertig.
Wo jetzt NUR eine rote Schreibung angegeben ist, wie z.B. dass,, weiß man automatisch auch bescheid.
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Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 12.04.2005 um 18.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=237#587
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Augenscheinlich wollen die Kultusminister der ihnen zu weit gehenden Reform-Reform-Arbeit des Rates einen Riegel vorschieben, indem sie bestimmte Teile der Reform einfach für "unstrittig" erklären und damit Diskussionen über diese Kapitel verhindern wollen.
Die Entscheidung, was an der Reform unstrittig ist und was nicht, steht den Kultusministern nicht zu, denn sie haben nachweislich immer wieder absichtlich gelogen. Hier muß ganz energisch Widerspruch erhoben werden, und diese angeblich "unstrittigen" Teile der Reform müssen sofort auf den Prüftisch.
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Kommentar von Harald Keilhack, verfaßt am 12.04.2005 um 19.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=237#589
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"Die Rechtschreibung macht alle ganz gaga. Ein Expertenrat kündigt Korrekturvorschläge an - und schon steht wieder alles zur Debatte"
So titelt die heutige STUTTGARTER ZEITUNG auf S. 1. Es folgt ein Artikel von Feuilletonchef Tim Schleider, der sich uninteressiert bis flapsig gibt:
"Willkommen zurück, werte Leserschaft, beim allseits beliebten Thema Rechtschreibreform. Wie denn? Was denn? ... Beinahe schon wieder vergessen, dass es sich bei alledem um eines der wichtigsten und schicksalshaftesten Probleme unseres Landes handelt, gleich nach der Visa-Affäre und noch vor dem hundsmiserablen Wirtschaftswachstum?"
Nach einigen mit gönnerhafter Ironie durchsetzten Aufzählungen zum Thema folgt:
"Ob es zu diesen und anderen Änderungen kommt, darüber entscheiden aber die Kultusminister der Länder. Sie wollen sich zuvor auf jeden Fall mit den Lehrer-, Eltern- und Schülerverbänden beraten. Hans Zehetmair warnte derweil die KMK, sich aber auf keinen Fall den Beschlüssen des Rates zu widersetzen. Klar, er weiß ja nur zu gut, wie bunt es in dem Gremium manchmal zugeht. Hat er doch selbst dort 1995 als bayerischer Minister die Rechtschreibreform mitbeschlossen. Damals fand er sie noch viel versprechend."
Schon die Formulierung "ein Expertenrat" ist eine Frechheit. Was aber äußerlich als hingeschluderter, schlecht recherchierter Artikel daherkommt, rückt bei Beleuchtung der Person des Autors in ein ganz anderes Licht. Tatsächlich war Tim Schleider in der Reformzeit 1994/1995 Pressesprecher des Hamburger Kultussenats - eine Rolle, die er quasi als "inoffizieller Mitarbeiter" noch immer auszufüllen scheint. Später sorgte er dafür, daß das "Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt" als eines der ersten umstellte. Nichtsdestotrotz wiederholt er in seinen Artikeln gebetsmühlenhaft, daß es in Zeiten von Wirtschaftsnot, Krieg und Arbeitslosigkeit wichtigeres als die Diskussion um die Rechtschreibreform gäbe.
Man kann schlecht widersprechen - Tim Schleider hätte in seinem Leben wichtigeres vollbringen können, als selbiges in den Dienst einer vermurksten Reform zu stellen.
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Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 12.04.2005 um 22.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=237#591
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Die Kopflosigkeit der heutigen KMK-Pressemitteilung zeigt sich auch darin, daß sie alles Gerede von einer verfahrensmäßig oder sonstwie gesicherten demokratischen Legitimität der Reform mit einem Schlag erledigt. Brecht spottete Anfang der 50er Jahre angesichts einer verkorksten Volkskammerwahl in der DDR, wenn der Regierung das Ergebnis nicht passe, möge sie sich doch ein anderes Volk wählen. Nun, die KMK hat sich mit dem von ihr installierten Rechtschreibrat den Souverän gewissermaßen nach ihren eigenen Bedürfnissen konfektionieren wollen. Selbst das ist offensichtlich gründlich schiefgegangen. Jetzt muß sie sich wohl noch einmal ein anderes Volk wählen.
Urs Bärlein
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Kommentar von Stuttgarter Zeitung, verfaßt am 13.04.2005 um 06.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=237#596
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»Die Rechtschreibung macht alle ganz gaga
Ein Expertenrat kündigt Korrekturvorschläge an - und schon steht wieder alles zur Debatte
Von Tim Schleider
Willkommen zurück, werte Leserschaft, beim allseits beliebten Thema Rechtschreibreform. Wie denn? Was denn? Lange nichts mehr gehört von Schifffahrt, Majonäse und "übel riechend"? Beinahe schon wieder vergessen, dass es sich bei alledem um eines der wichtigsten und schicksalhaftesten Probleme unseres Landes handelt, gleich nach der Visa-Affäre und noch weit vor dem hundsmiserablen Wirtschaftswachstum?
Zum Glück gibt es ja seit kurzem den Rat für deutsche Rechtschreibung mit Sitz in Mannheim. Dieses zurzeit 33 Expertenköpfe starke Gremium hat die Kultusministerkonferenz eingesetzt, um Empfehlungen zu erarbeiten, an welchen Stellen die gültige neue deutsche Rechtschreibung noch korrigiert werden soll, bevor sie am 1. August 2005 in allen Schulen und Behörden letztgültige Verbindlichkeit erlangt. Besagter Rat für deutsche Rechtschreibung hat nun am vergangenen Freitag zwar noch gar keine Empfehlungen beschlossen, aber zumindest schon mal angedeutet, wie denn vielleicht und aller Wahrscheinlichkeit nach ganz bald solche Empfehlungen aussehen könnten. Seitdem rauscht das Schlagwort von der "Rücknahme der Rechtschreibreform" durch einen Teil der Presse, und zwar vorzugsweise in jenen Zeitungen, die seit Monaten versuchen, entsprechenden Druck auf die Politik auszuüben.
Bis zum Sommer will sich der Rat mit vier besonders umstrittenen Abschnitten der Rechtschreibreform befassen: mit der Eindeutschung von Fremdworten (also Delfin statt Delphin), mit der Silbentrennung (Bis-tum statt Bi-stum), mit der Zeichensetzung (vor allem die Kommaregeln) und eben mit dem Getrennt- und Zusammenschreiben (Rad fahren statt radfahren). Just und nur zu Letzterem hat der Vorsitzende des Rates, Hans Zehetmair, am Freitag bekannt gemacht, in welche Richtung die Korrekturvorschläge gehen könnten - nämlich doch wieder die Worte zusammenzuschreiben, wenn sie alsdann eine eigene Bedeutung ergeben, wie etwa bei "vielversprechend".
Ob es zu diesen und anderen Änderungen kommt, darüber entscheiden aber die Kultusminister der Länder. Sie wollen sich zuvor auf jeden Fall mit den Lehrer-, Eltern- und Schülerverbänden beraten. Hans Zehetmair warnte derweil die KMK, sich aber auf keinen Fall den Beschlüssen des Rates zu widersetzen. Klar, er weiß ja nur zu gut, wie bunt es in dem Gremium manchmal zugeht. Hat er doch selbst dort 1995 als bayerischer Minister die Rechtschreibreform mitbeschlossen. Damals fand er sie noch viel versprechend.«
( Stuttgarter Zeitung, 12.04.2005, Seite 1/Leitartikel )
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.08.2016 um 05.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=237#10575
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Der im Haupteintrag verlinkte Text von Eberhard Fehre ist nicht mehr greifbar; hier ist er:
Rechtschreibung: Letzte Chance für eine Reform der Reform
Rat für deutsche Rechtschreibung korrigiert das Jahrhundertwerk. Verbindliche Einführung soll im August folgen.
Düsseldorf. Die Folgen der unglückseligen Rechtschreibreform waren gelegentlich nicht ohne Komik: So verlangten die Behörden von dem Regensburger Rechtsprofessor Reinhard Richardi, seinen Beitrag zu einem vom Bund finanzierten Forschungsprojekt in der neuen, reformierten Schreibung zu liefern. Der Wissenschaftler, überzeugter Gegner der Reform, beschränkte sich darauf, einzig die neue ss-Regel zu praktizieren, sonst aber strikt der herkömmlichen Rechtschreibung zu folgen.
"Dieser Gesslerhut genügte", so Richardi, "um davonzukommen." Die behördlichen Sprachwächter bemerkten den Betrug gar nicht. Wenn es nun so kommt, wie es gestern der Rat für deutsche Rechtschreibung vorgeschlagen hat, dürfte diese ss-Regel anstelle des "ß" das einzig Bemerkenswerte bleiben, was von der Jahrhundertreform am Ende überlebt.
Denn die Vorschläge des Experten-Rates, dem nun auch renommierte Kritiker der Reform angehören, zur Getrenntund Zusammenschreibung sind im Kern nichts anderes als die Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung.
Diese Korrektur hat gute Gründe. Denn die sich jeder sachlichen Begründung entziehende Regel der Reformer, getrennt zu schreiben, was sich nur trennen lässt, war schlicht unsinnig: Wenn uns etwas "schwerfällt", ist das nicht unbedingt auch etwas, das uns "schwer fällt".
Ein "viel versprechender Politiker" ist in der Regel nichts als ein Aufschneider, ein "vielversprechender Politiker" dagegen hat wohl eine Zukunft. Und es ist auch ein großer Unterschied in der Betonung wie in der Bedeutung, wenn ich einem Besucher sage, "du kannst ruhig bleiben", dem störenden Sohnemann aber ein "du sollst ruhigbleiben" zurufe.
Die Beispiele sind Legion, selbst der verstorbene Papst hat nun die Chance, tatsächlich "heiliggesprochen" zu werden. Und auch solch verstörende Überschriften wie "Das tut mir sehr Leid" muss der Leser dann nicht mehr befürchten.
Die Vorschläge der Arbeitsgruppe gehen jetzt in das Plenum des Rates für deutsche Rechtschreibung. Dort müssen sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit finden. Das ist sehr wahrscheinlich, denn diese Korrektur scheint die letzte Chance, im deutschen Sprachraum wieder zu einer einheitlichen Schriftsprache zurückzukehren.
Dem Votum des Rates muss die ulturministerkonferenz zustimmen. Hans Zehetmair, als früherer Wissenschaftsminister in Bayern einst für die missglückte Reform mitverantwortlich und heute Vorsitzender des Rates, der den Schaden beheben muss, hat seine Kollegen schon vor einer Ablehnung gewarnt. Und auch die Zeit drängt: Am 1. August soll die Reform verbindlich an allen Schulen eingeführt werden.
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