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09.04.2005
Die Rechtschreibreform ist entzwei
Wer ehrlich ist, erklärt die großspurigen, unausgegorenen Reformpläne für gescheitert.
Das empfiehlt jedenfalls die Berliner Zeitung, die auch, auf Vermittlung unsichtbarer Strippenzieher, Friedrich Denk in der Leitung hatte und damit insgesamt das Lokalderby gegen den Tagesspiegel klar für sich entscheiden kann.
Daß bei der Welt der Abgang von Dankwart Guratzsch eine große Lücke hinterlassen hat, spürte man unlängst bereits bei den Aufzeichnungen des Gesprächs, das Uwe Wittstock mit Dieter E. Zimmer geführt hatte.
Das Neue Deutschland nimmt die Sache heiter und geht ihr auf den Wiesengrund.
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Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 18.04.2005 um 12.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#629
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Ich bitte Herrn Prof. Jochems um Entschuldigung, daß ich ihm das Wort "propagieren" unterstellt habe. Es war meinerseits ein Mißverständnis, auf jeden Fall war es nicht abwertend gemeint.
Nur bei "für jemanden einen Platz frei halten" paßt das Betonungskriterium nicht, es spricht für "einen Platz freihalten". Bei den übrigen Beispielen paßt es zur Schreibweise.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 18.04.2005 um 12.14 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#628
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Liebe Freunde, laßt uns nicht in den Fehler der lautstarken Apologeten der Rechtschreibreform verfallen, nämlich eine Sache zu verteidigen, mit der man sich nicht gründlich beschäftigt hat. Vor allem sollten wir von allen persönlichen Verurteilungen absehen. Herr Augst mag ein Sonderfall sein. Wer "belämmert", "sich schnäuzen", "gräulich" und den "Tollpatsch" zu den am dringendsten benötigten Schreibreformen erhebt, kann nicht hoffen, in einer seriösen Diskussionsrunde ernst genommen zu werden. Herr Schaeder ist da von anderer Qualität. Seine Steigerungsproben (zur Emittlung der "idiomatisierten Gesamtbedeutung" - Revisionsentwurf April 2004) sind ein ernsthafter Versuch, das Chaos im Bereich der Verbzusatzkonstruktionen zu bändigen, im Ergebnis freilich nicht befriedigender als der frühere Zustand. Sehen wir uns noch einmal die Belege aus dem "Zauberberg" an. Aus dem Leipziger Duden von 1967, also dem Erscheinungsjahr der hier zugrunde gelegten Werkausgabe bei Fischer, habe ich folgendes zu "frei + Verb" und "offen + Verb" exzerpiert:
freihaben (Urlaub, Ferien haben); 10 Tage freihaben; aber: frei (ohne Einschränkung) haben
freihalten (für jmdn. bezahlen), aber: frei halten; ich kann das Gewicht frei (ohne Stütze) halten;
ich werde die Rede frei (ohne Ablesen) halten; einen Platz frei (unbesetzt) halten
freikommen (loskommen)
freilassen (in die Freiheit entlassen), aber frei (unbesetzt, unbedeckt, offen) lassen
freilegen (entblößen; deckende Schichten entfernen), aber: frei (ohne besondere Stütze) legen
freimachen Briefe freimachen; aber: frei machen; Plätze frei machen; sich (Akk) [von Vorurteilen] frei machen
freischwimmen, sich(eine Schwimmprüfung ablegen); du hast dich freigeschwommen; aber: frei schwimmen (ohne Hilfeleistung schwimmen)
frei sein
freisprechen(von Schuld), aber: frei sprechen (ohne Ablesen sprechen)
freistehen (gestattet sein); ein freistehendes (leeres) Haus, aber: frei steh[e]n (ohne Stütze stehen); ein frei stehendes (alleinstehendes) Haus
freistellen (überlassen, erlauben); jmdm. etwas freistellen; aber: frei stellen (ohne Stütze stellen)
frei werden
offenbleiben es bleibt offen ; offengeblieben; offenzubleiben; diese Frage muß offenbleiben; aber: offen bleiben (ehrlich bleiben); er soll so offen (ehrlich) bleiben, wie er war
offenhalten jmdm. eine Stelle -; die Fenster -; die Hand - (freigebig sein); aber: offen halten (allen sichtbar halten)
offenlassen eine Frage -;die Fenster
Sehr herzlich bitte ich nun, diese Einträge unvoreingenommen durchzugehen und sich die Frage zu stellen: Wie kommt der Schüler, wie der normale erwachsene Schreiber dabei weg? Übrigens besitze ich in meinem Studierstübchen in Hinterwaldia auch den gesamtdeutschen Duden von 1937, den ich nicht einscannen kann, da er noch in Fraktur gedruckt ist. Ich habe aber auf Treu und Glauben ermittelt, daß beim VEB Bibliographisches Institut in der Sache nichts verändert wurde.
Da wir einmal dabei sind, drucke ich auch noch die Leipziger Einträge für "letzt" ab:
letzt; -en Endes, dafür meist endlich, letztlich, im Grunde u. ä.
I. Kleinschreibung:
a) K120: der letzte (der Reihe nach); er ist der letzte, den ich wählen würde; das letzte, was ...; der erste ... der letzte (für jener ... dieser)
b) K114: am, zum letzten; bis zum letzten (hartnäckig, bis aufs äußerste) sich einsetzen; bis ins letzte (sehr eingehend) prüfen; fürs letzte (zuletzt)
II. Großschreibung:
a) K 100: der Letzte, bis zum Letzten des Monats; das Letzte aus der Flasche; das Erste und das Letzte (Anfang und Ende); im Letzten (in allen Kleinigkeiten) getreu sein; es geht ums Letzte; sein Letztes hergeben; ein Letztes habe ich zu sagen; er ist Letzter, der Letzte (der Leistung nach) in der Klasse; die Ersten werden die Letzten sein; vgl. aber Letzt
b) K 258: der Letzte Wille (Testament); die Letzte Ölung (Sakrament)
III. Zus: K 176: zum letztenmal, aber K175: zum letzten Male; letztmals; allerletzt, zuallerletzt; der allerletzte, der allerallerletzte; vgl. auch zuletzt, Letzt
This is the state of the nation. Noch ein Wort zu den Beiträgen von Herrn Markner und Herrn Koch. Natürlich gibt es im Englischen einige Variation bei der Zusammensetzung. Die Tendenz geht bekanntlich eher zum Verzicht auf den Bindestrich, also layby statt lay-by "Parkstreifen", aber daraus macht niemand einen Kult. Lernen muß man freilich, daß man jeopardy und people mit "eo" schreibt - sonst in keinem anderen englischen Wort, und daß die Aussprache außerdem noch sehr verschieden ist. Aber Hand aufs Herz: Hat einer der Leser Schwierigkeiten mit der Schreibung von neudeutsch Business, hinter der sich im Englischen eine interessante kulturgeschichtliche Entwicklung verbirgt? In diesem Zusammenhang eine Anmerkung in eigener Sache: Ich propagiere nichts, sondern stelle fest. Wenn sich die verbissenen Verteidiger wie die entsprechend enragierten Kritiker darauf einigen könnten, sich aller Vorurteile zu entledigen, dann, ja dann könnte ein "konstruktives" Gespräch mit dem Ziel der Überwindung der deutschen Rechtschreibmisere beginnen.
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Kommentar von Reinhard Markner, verfaßt am 18.04.2005 um 09.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#627
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Die englische Orthographie ist auch auf den Gebieten GKS und GZS schwierig. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Varianten wie z. B. anti-Semitic neben antisemitic. Ähnlich sieht es in anderen germanischen Sprachen aus. Ob es Det kongelige Bibliotek oder Det Kongelige Bibliotek heißen muß, dürften die meisten Dänen nicht wissen.
Die Zusammenschreibung von kennenlernen ist sehr jung, wie sich auch an Mann sehen läßt. Sie ist aber so gut begründet, daß man sie ruhig zur Norm erklären kann.
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Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 18.04.2005 um 08.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#626
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"Die der Aussprache nahe Wortschreibung", die Herr Prof. Jochems propagiert, kann wohl nur die Getrennt- und Zusammenschreibung betreffen, wo sie auch wirklich sinnvoll ist, aber nicht die Laut-Buchstaben-Zuordnung und nicht die Groß- und Kleinschreibung. Selbst bei der Kommasetzung gibt es zwei Richtungen: Kommasetzung nach Sprechpausen (wie im Englischen) oder nach grammatischen Satzgefüge-Kriterien (wie bis 1996 im Deutschen).
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 17.04.2005 um 22.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#624
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Lieber Herr Isleif,
im Jahre 1967veröffentlichte der Fischer Verlag in seiner Reihe "Moderne Klassiker" eine Taschenbuchausgabe der Werke Thomas Manns in zwölf Bänden, darunter natürlich "Der Zauberberg" (ursprünglich, ebenfalls bei Fischer, 1924 erschienen). Wie immer das Manuskript orthographisch ausgesehen haben mag, es war von Katja Mann mit der Schreibmaschine abgeschrieben worden, die Lektoren in Berlin hatten es durchgearbeitet, die Setzer und Korrektoren auf Richtigkeit geachtet, dies alles zweiundzwanzig Jahre nach dem Inkrafttreten der Beschlüsse der Zweiten Orthographischen Konferenz, also in der Rechtschreibung, die vor der Reform von1996 galt. Zwischendurch gab es verschiedene Neuausgaben, immer mit dem Durchlauf Lektor-Setzer-Korrektor, so daß man beim Lesen des Textes von 1967 nicht annehmen sollte, er sei fehlerhaft oder präsentiere eine historische Orthographie.
Bei der kürzlichen Lektüre fielen mir jedoch folgende Schreibungen auf:
S. 408: daß bloß Konfusion herauskommt beim Reden und Meinungen haben
S. 438: das ganze ist eine ungeheure, ekelhafte Schweinerei
S. 630: daß ich sie kennen lernte
S. 436: an dem er den Zu-Besuch-Kommenden von Station 'Dorf" abgeholt hatte
S. 443: die nichts wußten vom Thermometer, von der Kunst des Sicheinwickelns
S. 455: umsichgreifende Löcher fressen
S. 412: Herr Naphta lasse bitten, näher zu treten, meldete er
S. 450: um ihm schönzutun
S. 473: da sie eine durcheinandersprechende Gruppe bildeten
S. 498: die allergebräuchlichsten Pfade notdürftig frei zu halten
S. 614: die wenigen Wege, die offenstanden, waren dicht begangen
S. 614: und hinzu kam ein Letztes und Feinstes, eine leichte, schwer greifbare Gehässigkeit
S. 623: den hin und her springenden Funken
S. 415: das hat keinen wunder wie individuellen Monsieur zum Autor
Bei der Durchsicht wird Ihnen auffallen, daß die ersten drei Sätze Schreibungen enthalten, die im Sinne der Duden-Orthographie schlichtweg falsch sind. Würden die entsprechenden Textabschnitte in der Schule als Prüfungsaufgabe diktiert, müßte der an die "amtliche Rechtschreibung" des früheren Duden gebundene Lehrer sie als Fehler anstreichen. Die dann folgenden drei Sätze hat der Lektor wohl in der Meinung durchgehen lassen, Thomas Mann habe sich etwas dabei gedacht. Die Ausrede könnte der Schüler nicht geltend machen; Fehler, natürlich, wie vorhin. Schließlich bleiben Fälle mit ungewöhnlichen Schreibungen, die aber der Duden-Orthographie entsprechen. Von "Wegen": "frei halten", aber "offenstehen"; "näher treten", aber "schöntun" - arme Schüler. Ich habe immer "Schüler" gesagt; normalen gebildeten Erwachsenen würde es nicht anders gehen. Sollte man nach dieser kleinen Feldstudie nicht den deutschen Beckmessern ihren Duden um die Ohren hauen?
Das Wort "Reform" ist inzwischen allenthalben so ruiniert, daß es für den Appell zu einem vernünftigen Umgang mit der deutschen Rechtschreibung eigentlich nicht zu gebrauchen ist. Herr Eisenberg rät, sich an Intuition und Leseerfahrung zu halten, und Herr Ickler empfiehlt ganz ähnlich, alle Schreibungen als "üblich" anzusehen, die in sorgfältig redigierten Texten vorkommen. Kann man dem "Zauberberg" diese Qualität absprechen?
Man beachte, daß - wie die obigen Beispiele vor Augen führen - die deutschen Rechtschreibschwierigkeiten sich auf die Groß- und Kleinschreibung und die Getrennt- und Zusammenschreibung beschränken. Das ist der "Überbau", von dem ich rede. Hätten die deutschen Kultusminister 1996 den amtlichen Charakter des Duden aufgehoben und als Ersatz Korrekturrichtlinien erlassen, die zwischen falschen Einzelwortschreibungen und ungewöhnlichen Schreibungen in den Bereichen GKS und GZS unterscheiden, wäre das Problem aus der Welt gewesen. Nur an diesen Stellen haben die Reformer mit ihren Retortenregeln Chaos angerichtet. Bei "fff" und "ss" statt "ß" handelt es sich um ästhetische Phänomene, über die man so oder so denken kann. "Zurück zur Rechtschreibnormalität" kann nicht bedeuten "Zurück zur Duden-Beckmesserei. Das ist das Problem, vor dem Herr Zehetmair mit seiner Handvoll Gutwilliger steht.
Die Situation im Englischen ist ganz anders. Die Schreibform jedes einzelnen Wortes muß natürlich gelernt werden, was etwas schwerer ist als im Deutschen, aber dann ist der Rest nur ein Klacks. Daß in "referred" das "r" vedoppelt werden muß, hört man sogar, und die Großschreibung in Überschriften ist wohl auch kein Kunststück. Daß jedoch ein Rechtschreibwörterbuch die Bestseller-Listen anführen kann, wie bei uns der Duden, spricht ein vernichtendes Urteil über unsere Schreibkultur.
Mit einem schönen Gruß aus Hinterwaldia
von Helmut Jochems
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Kommentar von Karl-Heinz Isleif, verfaßt am 17.04.2005 um 16.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#623
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".... auf diese Frage geantwortet: "Was ist mit der deutschen Rechtschreibung los, daß sie sich nicht aufgrund einer guten Schulbildung von jedermann rein nach Intuition und Leseerfahrung schreiben läßt? Warum verspielt man im Deutschen die Leichtigkeit, welche die der Aussprache nahe Wortschreibung bietet, indem man einen Überbau darüberstülpt, der an Schwierigkeit weder vor der Reform zu überbieten war noch heute zu überbieten ist? Warum sperrt sich die große Koalition der Prinzipientreuen gegen eine vernünftige Lösung der deutschen Rechtschreibproblematik? ...."
Lieber Herr Jochems,
ich höre aus Ihren Zeilen, (obschon nicht zum ersten Mal), daß Sie der Meinung sind, eine Reform sei notwendig gewesen, nur eben nicht diese.
Ich teile diese Meinung nicht und möchte, selbst auf die Gefahr, mich zu wiederholen, das laut kundtun. (Sonst würde ich womöglich noch zu einer schweigenden Minderheit gezählt werden!)
Unserer Rechtschreibung hat nichts gefehlt. Sie war vielleicht schwer erlernbar, aber sie war erlernbar, und zwar für jeden Durchnittsmenschen. Die Lektoren in den Verlagen sind übrigens der beste Beweis: Mir ist bis heute in der Berufsgruppe noch kein geistiger Ausnahmeathlet begegnet. Einen ‘Überbau’, der Schülern das Leben schwer macht, gibt es in allen mir bekannten Sprachen; die Probleme mögen dort ein anderes Gesicht haben, aber es gibt sie. ‘Spelling’, also Rechtschreibung, ist im Englischen ein gewaltiges Hindernis, für ALLE Schüler, nicht nur für die Ausländer. (Ich weiß, wovon ich rede, ich bin in Amerika zur Schule gegangen.) Und gegen die Anforderungen, die die japanische Schrift an die Schüler stellt, erscheinen die Probleme der deutschen Rechtschreibung lächerlich. (Ich weiß auch das aus eigener Erfahrung.) Die deutsche Rechtschreibung war also nicht reformierbedürftig, jedenfalls nicht mit der Begründung, sie habe einen zu komplizierten ‘Überbau’ gehabt. ‘Schwierig’ kann keine Begründung für Reform sein. Alles Anspruchsvolle ist schwierig. Diese Reform war unnötig - und jede andere wäre auch unnötig gewesen.
Ich bin mir darüber im klaren, daß wir wahrscheinlich nicht mehr zurückkehren werden zu der Rechtschreibung, wie sie vor 1996 galt. Das bedaure ich. Was immer aber als Ergebnis der gegenwärtigen Auseinandersetzung herauskommen mag, ich habe mich nicht gegen diese unnötige Reform gewehrt, um nachher eine andere unnötige Reform zu akzeptieren.
Trotzdem natürlich freundliche Grüße aus Tokyo!
Karl-Heinz Isleif
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Kommentar von Johannes Hauberger [= Helmut Jochems], verfaßt am 17.04.2005 um 12.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#622
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Von Gerhard Augst und Mechthild Dehn stammt die klassische Beschreibung der deutschen Rechtschreibmisere:
Ist sonst für alle sprachlichen Theorien der sprachlich kompetente Erwachsene das Maß aller Dinge, so ist es in der Rechtschreibung das amtliche Regelbuch. Ja, der Schreiber selbst kann und darf sich im kritischen Entscheidungsfall nicht trauen, auch er muss im amtlichen Regelbuch oder in einem daraus abgeleiteten Rechtschreibwörterbuch nachschlagen. Genauer formuliert: Der Schreiber muss nicht den einzelnen amtlichen Regeln folgen, es bleibt ihm überlassen, wie er das macht. Nur das Resultat, die normierte Schreibung, ist amtlich bindend. (Rechtschreibung und Rechtschreibunterricht, Stuttgart, 1998, S. 49)
Peter Eisenberg und Theodor Ickler ziehen jetzt an einem Strang. Wird es ihnen gelingen, sich mit ihrem gemeinsamen Konzept durchzusetzen, "Einfachheit" der Rechtschreibung bestehe darin, "Intuition" und "Leseerfahrung" der Schreibenden als die entscheidende Instanz anzuerkennen?
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 17.04.2005 um 10.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#621
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Der Mensch bleibt ein Affe, in den der Virus namens Sprache eingedrungen ist. Und deshalb will er sich von "bundesdeutsch verfetteten Gesäßen in den Ministerien" nicht diktieren lassen, wie er zu schreiben hat, sagt Friedrich Kittler, Professor für Ästhetik und Geschichte der Medien an der Humboldt-Universität Berlin.
Drucke, Schriften und auch Alphabete sind alle irgendwelche Galaxien, Medien, lang vor Gutenberg und lange nach ihm. Aber nur soweit sie diesem Haus des Seins, des Gliederns, Scheidens, Fügens irgendwie entsprechen, find ich, sollten bundesdeutsch verfettete Gesäße in den Ministerien weniger an ihnen rühren dürfen als wir alle. Wir werden im Moment von Leuten aus dem zweiten Bildungsweg regiert und die möchten unsere Bildung aus dem ersten Bildungsweg abschaffen.
Es ist ja bekannt, dass die Reformer die Abschaffung der Großschreibung zu ihrer allerdringlichsten Aufgabe gemacht haben. Das haben sie nicht durchgekriegt. Den politisch sozialen Grundgedanken der Rechtschreibreform sieht man in diesem Teil, der nicht durchgesetzt wurde, am deutlichsten. Es ging um die Abschaffung des Hierarchischen am Deutschen und das kann man ja schon deshalb nicht abschaffen, weil die Ministerpräsidenten der Bundesländer de facto die direkten Rechtsnachfolger der Fürsten sind und diese verhalten sich in der Förderalismusdiskussion ganz so, als ob sie immer noch der Herzog von Sachsen oder von Baden oder von Bayern wären.
(Interview: Antje Wegwerth, Telepolis, 17.04.2005 - Auszug)
Geistreich und unterhaltsam, zweifellos - aber hilft das in der jetzigen verhärteten Situation weiter? Die Amtskontinuität trotz aller Wechsel in der politischen Großwetterlage und die entsprechend "bundesdeutsch verfetteten Gesäße" der Ministerialräte in den deutschen Kultusministerien erklären allein nicht das sture offizielle Festhalten an der mißratenen Rechtschreibreform, noch hat der Fortbestand der Substantivgroßschreibung etwas mit feudalen Traditionen in den Bundesländern zu tun. Einigen Kultusministerinnen den zweiten Bildungsweg vorzuwerfen, ist geradezu infam. Zum Glück bleibt es bei der Andeutung, der "politisch soziale Grundgedanke" der Rechtschreibreform habe (leider) nicht durchgesetzt werden können. "Sozial" geben sich immerhin die meisten der Amtsinhaberinnen, unabhängig von ihrer politischen Couleur. Doris Ahnen und Annette Schavan unterscheiden sich in ihrer Stimmlage, nicht aber in ihrem Habitus und ihren Argumenten.
Nachdenkenswert ist immerhin diese Bemerkung der Interviewerin: "Vielleicht gibt es diese Reform, nicht weil sie nötig ist, sondern weil sie möglich ist." Professor Kittler bezieht sich in seiner Antwort auf die Programmiersprachen: "Diese Schreibsysteme, die Sie mit Recht alphanumerisch nennen, sind eineindeutig und jedes Element ist wichtig, unersetzlich und unänderbar." Spricht er damit nicht auch unser Problem an? Wer darauf besteht, an der Duden-Norm von 1991 dürfe kein Jota geändert werden, begibt sich auf die Ebene der datentechnischen Diskussion, möge noch soviel von "gewachsen", "bewährt" und "klassisch" die Rede sein. Frau Wegwerth hat ihre Bemerkung gewiß umfassender gemeint. Was hätte Professor Kittler aber auf diese Frage geantwortet: "Was ist mit der deutschen Rechtschreibung los, daß sie sich nicht aufgrund einer guten Schulbildung von jedermann rein nach Intuition und Leseerfahrung schreiben läßt? Warum verspielt man im Deutschen die Leichtigkeit, welche die der Aussprache nahe Wortschreibung bietet, indem man einen Überbau darüberstülpt, der an Schwierigkeit weder vor der Reform zu überbieten war noch heute zu überbieten ist? Warum sperrt sich die große Koalition der Prinzipientreuen gegen eine vernünftige Lösung der deutschen Rechtschreibproblematik?
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Kommentar von H. J., verfaßt am 14.04.2005 um 13.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#609
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Potpourri - 6. und letzte Folge (14.4.05)
Kulturstaatsministerin Christina Weiss lobte die jüngsten Vorschläge des Rechtschreibrates. Damit zeichne sich "endlich ab, dass sich Befürworter und Gegner des bisherigen Regelungspaktes aufeinander zu bewegen und die ärgsten und unsinnigsten Änderungen noch einmal bedenken". (StuttgZ)
Aber müssen alle, die ein Fremdwort nicht nur als Lautmalerei empfinden, wider besseres Wissen zu diesem Blödsinn gezwungen werden? Wer jetzt meint, er müsse diese Ausführungen als Ausdruck eines unzulässigen Elitedenkens ablehnen, der sollte sich ins Bewußtsein rufen, daß Schriftsprache eben nicht das phonetische Stenogramm des gesprochenen Wortes ist, sondern dauerhaft festgehaltene Dokumentation von Gedanken. (FAZ-Leserbr-Neubauer)
Die neue Rechtschreibung soll auf den 1. August in Deutschlands Schulen und Behörden nur in jenen Teilen verbindlich werden, die unbestritten sind. Diesen Teilrückzug gaben die Kultusminister bekannt. Der 1. August 2005 galt bisher als «Tag X», an dem die Übergangsfrist ausläuft und alte Schreibweisen als falsch geahndet werden. Die Schweizer Erziehungsdirektorenkonferenz EDK hält dagegen, wie sie auf Anfrage erklärte, am Termin fest. (Tagblatt.ch)
"Der Rat für Rechtschreibung ist bemüht, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung in den deutschsprachigen Ländern zu bewahren und sucht deshalb nach Kompromissen zwischen den verschiedenen Interessen", erklärt der Direktor des deutschen Pädagogischen Instituts, Rudolf Meraner. "Während die Vertreter der Schule sich vor allem für wenige und breit anwendbare Regeln aussprechen, wünschen sich Journalisten und Schriftsteller, dass möglichst alles genau geregelt wird", so Meraner. Das würde aber zu einer Zunahme der Regeln und der Ausnahmen führen. (Südtirol Online)
In der hier vorliegenden Fassung des amtlichen Regelwerks sind alle Modifikationsbeschlüsse der zuständigen staatlichen Stellen umgesetzt; sie ist die Grundlage für die Arbeit an der Weiterentwicklung der deutschen Rechtschreibung. - Die Zwischenstaatliche Kommission dankt allen, die sie in ihrer Arbeit unterstützt, konstruktive Kritik geübt und Verbesserungsvorschläge unterbreitet haben. Sie dankt insbesondere auch dem Institut für Deutsche Sprache in Mannheim, das die Geschäftsstelle beherbergt hat. - Mannheim, im November 2004 - Die Zwischenstaatliche Kommission (Vorwort der "Überarbeitung 2004")
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Kommentar von H. J., verfaßt am 13.04.2005 um 13.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#602
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Potpourri 5 13. April 2005 mittags
Neue Verwirrung um die Rechtschreibreform: Zum neuen Schuljahr am 1. August sollen nur die unstrittigen Teile in Kraft treten. Darauf haben sich die Kultusministerkonferenz und der Rat für Rechtschreibung geeinigt. Nach Angaben von Niedersachsens Kultusminister Bernd Busemann (CDU) müssen alle jetzt noch strittigen Punkte später per Erlass von den Ländern geregelt werden. Er habe die Hoffnung, dass bis zum Herbst alles geklärt sei, sagte Busemann am Dienstag in Hannover. Bis dahin könne es eine „Kann-Regelung" für die Korrektur von Diktaten geben. Neue Schulbücher brauche man deswegen aber nicht. (NW-Zeitung)
Ob es angemessen ist, den verstorbenen Papst Johannes Paul II. zum Heiligen zu erklären, vermag er zwar nicht zu entscheiden. Ein Wörtchen mitzureden hat der Rat für deutsche Rechtschreibung jedoch bei der, wie es bisweilen scheint, weitaus brisanteren Frage, ob man ihn »heilig sprechen« oder aber »heiligsprechen« müsste. An solchen sprachlichen Feinheiten scheiden sich seit Jahren die Geister von Studienräten und Dozentinnen des Landes, von Literatinnen und Maurern, Architektinnen und Kaufmännern. Selbst jene, und manchmal könnte man meinen, vor allem jene empören sich über die neue Rechtschreibung, welche die alte niemals beherrschten. (Jungle World)
Die seit Jahren heftig umstrittene Rechtschreibreform wird am 1. August nur teilweise für die deutschen Schulen und Behörden verbindlich. Zunächst sollten nur die unstrittigen Teile der Reform in Kraft treten, teilte die Kultusministerkonferenz (KMK) gestern in Bonn mit. Die nach wie vor strittigen Schreibweisen würden erst dann für die Schulen relevant, wenn sie von der KMK beschlossen seien. (HmbAB)
Es gehört zum Schicksal der Rechtschreibreform, dass sie nicht nur viel Verwirrung gestiftet hat. Vieles, was mit ihr zusammenhängt, klingt zudem verwirrender, als es tatsächlich ist. Die Kultusministerkonferenz zieht mit ihrer Mitteilung, dass zum 1. August nur die unstrittigen Reformteile für den Schulunterricht verbindlich werden, lediglich die Konsequenz aus der bisherigen Arbeit des Rats für deutsche Rechtschreibung. (Mannheimer Morgen)
Ausgerechnet die viel gescholtene Kultusministerkonferenz (KMK) beweist derzeit, dass Vernunft und Politik keine Gegensätze sein müssen. ... Diese Reform hat manches vereinfacht, einiges verbessert und vieles verschlechtert. Inzwischen haben mehrere Schülerjahrgänge nach den neuen Regeln das Schreiben gelernt. Doch viele Verlage blieben den alten Regeln treu. Es herrscht ein großes Regel-Kuddelmuddel. Vorrangiges Ziel jeder Reform der Reform muss es deshalb sein, das Kuddelmuddel zu beenden. Dies scheint zu gelingen. Der neue Rat für deutsche Rechtschreibung und die KMK haben sich darauf geeinigt, die weithin akzeptierten Teile der neuen Regeln beizubehalten, dem Unsinn der zwanghaften Getrenntschreibung ("krank schreiben") und anderem jedoch ein Ende zu machen. Das ist ein guter Kompromiss. Damit sollte das Thema für lange Zeit erledigt sein. Duden, übernehmen Sie! (WAZ-Knüfer)
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Kommentar von H. J., verfaßt am 13.04.2005 um 00.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#592
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Potpourri 4 - 12. 4. abends
Laut Werner Hauck von den Schweizerischen Sprachdiensten ist die Vorlage trotz manchen Einwänden bei den Mitgliedern des Rates letztlich "sehr gut angekommen". Von einem Kompromiss, der keine rigorose Rückkehr zur alten Schreibung bedeute, jedoch starke Züge eines Rückbaus trage, sprach der Linguist Peter Eisenberg. (NZZ)
„Sinn ist erst dann sinnvoll, wenn er in Verbindung mit etwas auftritt, also irgendetwas einen Sinn gibt." Das letzte Mal, dass ich an einen vernünftigen Zusammenhang als Sinnstifter geglaubt habe, war das vor der Rechtschreibreform. Seitdem bin ich, was Rechtschreibung betrifft, Agnostiker: Ich kann mir zwar vorstellen, dass die neue Rechtschreibung Sinn macht, mir fehlen aber die Möglichkeiten, ihn auch zu erfassen… (KielerN-Jan Ullrich)
Knapp vier Monate ist der Rat für deutsche Rechtschreibung erst im Amt, da entziehen die deutschen Kultusminister dem von ihnen selbst eingesetzten Organ offenbar schon das Vertrauen. Gleich zweimal bedanken sich die Kultusminister in einer am gestrigen Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung beim Rat und bei dessen Vorsitzenden, dem ehemaligen bayrischen Kultusminister Zehetmair: "für die von ihm in so kurzer Zeit geführte Diskussion sowie die erarbeiteten Vorschläge, vor allem zur Getrennt- und Zusammenschreibung". Tatsächlich aber bleibe alles, wie es ist: "Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung bleibt nach dem Ende der für die Fehlerkorrektur in den Schulen eingeräumten Übergangszeit am 1. August 2005 verpflichtende Grundlage des Unterrichts." (Süddeutsche Zeitung)
Nach Darstellung der KMK zählen zu den unstrittigen Neuschreibungen die Laut-Buchstaben-Zuordnung (also Doppel s statt ß), das Zusammentreffen dreier Konsonanten (Schifffahrt) und die Fremdwortschreibung. Verbindlich werden sollen auch die neuen Regeln für die Schreibung mit Bindestrich sowie die Groß- und Kleinschreibung. Als noch strittig gelten laut KMK dagegen die Getrennt- und Zusammenschreibung, die Zeichensetzung und die Worttrennung am Zeilenende. (Mitteldeutsche Zeitung/dpa)
Ungestraft sollte jedoch der unselige Tropf nicht davonkommen, der den Kultusministern einflüsterte, die Reform I zum 1. August endgültig festzuschreiben mit Ausnahme der in der Reform II zu ändernden Regeln, die so lange weiter als vorläufig gelten dürfen, bis über sie verbindlich befunden ist, damit dann irgendwann alle Regeln wieder gelten können, aberkeinermehrdurchblicktundjederschreibtwieerwill. Schwachsinn mit Methode. (Mitteldeutsche Zeitung)
Vor wem haben die Kultusminister eigentlich Angst? Vor Eltern, Lehrern oder Schulbuchverlegern? Offenkundig wollen sie um jeden Preis retten, was nicht mehr zu halten ist. Was in den Schulen schon so lange gelernt wurde, kann doch nicht falsch sein - so die kurzschlüssige Logik. Mit ihrer voreiligen Festlegung angeblich unstrittiger Teile der Reform wollen die Kultusminister offenbar schon wieder eine Diskussion beenden. (FAZ-oll)
Vermutlich wissen manche Schulminister gar nicht, was ihre Schüler alles schreiben müssen: "Seit Langem, vor Kurzem, bei Weitem, das Meiste" - das ist sprachgeschichtlich ein Rückfall ins 19. Jahrhundert. Im Zuge der letzten Revision der Rechtschreibung wurde sogar eine sinnwidrige Schreibung wie "morgen Früh" eingeführt, vom ohnehin üblichen "heute Abend" und "morgen Nacht" ganz abgesehen. Doch die Kultusminister dekretieren, daß solche grammatikalisch falschen Schreibungen unumstritten seien. (FAZ-oll)
Ursprüngliche Widerstände gegen punktuelle oder grundsätzliche Reformen der Rechtschreibung hatten den Rückzug in die Redaktionsstuben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und einzelne germanistische Institutsräume angetreten. Schulen, eh durch öffentliche Diskussionen über Gewalt und Medien und schließlich auch in bis dahin nicht gekannter Manier durch vielfältige Studien mehr als gebeutelt, konnten sich wenigsten wieder auf eindeutige Richtlinien zum fehlerfreien Schreiben berufen. (Bildungsclick)
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Kommentar von H. J., verfaßt am 11.04.2005 um 22.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#584
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Potpourri 3 - 11. 4. abends
Bei einem Gespräch der für Schule zuständigen Kultusminister mit dem Vorsitzenden des Rates für deutsche Rechtschreibung, Zehetmair, wurde am Montag vereinbart, die Teile der Rechtschreibreform am 1. August 2005 in den Schulen verbindlich inkrafttreten zu lassen, die unumstritten seien. Alle strittigen Fragen wie die Getrennt- und Zusammenschreibung, Silbentrennung und Interpunktion, sowie weitere Problemfälle würden erst dann für die Schulen relevant, wenn sie abschließend beschlossen seien. (FAZ-oll)
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Johanna Wanka (CDU), sagte an Montag im Deutschlandfunk, man werde die Änderungsvorschläge "sehr, sehr ernst nehmen". Die KMK wäre froh, wenn von dem Gremium "kluge Vorschläge" kämen, die auch "ein Stückchen Aussöhnung" zwischen den Gegnern brächten. Wanka betonte, die Änderungen dürfte nicht zu Lasten der Schüler gehen. Eine völlige Rücknahme der neuen Regeln schloss die KMK-Präsidentin aus. (Focus)
Der Generalsekretär der KMK, Thies, zeigte sich erfreut über die rasche und intensive Arbeit des Rates. Die Vorschläge zeugten von einer hohen Sensibilität für Sprache und Sprachentwicklung. Er hoffe auf möglichst klare Beschlüsse im Juni und rechne damit, daß die KMK die Vorlagen des Rates entsprechend würdigen werde, sagte Thies im Gespräch mit dieser Zeitung. (FAZ-oll)
Die baden-württembergische Kultusministerin Schavan (CDU) verwies darauf, daß die KMK den Rat eingerichtet hatte, weil sie Korrekturen für wichtig halte. In jedem Fall müsse der Zeitplan für die Schulen so ablaufen, daß sich mögliche Änderungen vernünftig einführen ließen und Verunsicherungen bei Schülern, Lehrern und Eltern vermieden würden. (FAZ-oll)
Der saarländische Kultusminister Schreier (CDU) kündigte an, die beschlossene Rechtschreibung werde in seinen Schulen erst verbindlich gemacht, wenn Einigkeit über die zukünftigen Schreibweisen herrsche. In der Zwischenzeit werde nötigenfalls die bisherige Übergangsregelung, wonach die alte und neue Rechtschreibung weiterhin gültig blieben, im Saarland Bestand haben. Das Kultusministerium könne keine Rechtschreibregelung für die Schulen verbindlich machen, von der man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wisse, daß sie bald wieder korrigiert werde. Das sei Schülern und Lehrern nicht zuzumuten. (FAZ-oll)
Lehrerverbands-Präsident Josef Kraus plädierte dagegen für eine Verlängerung der Übergangsfrist. Der August wäre bei tiefgreifenden Änderungen «nicht zu packen». Man sollte «ein, zwei Jahre dazugeben». Der Rat sollte nicht unter Druck gesetzt werden. (ddp)
Der Deutsche Philologen-Verband (DPHV) nannte die Vorschläge "vernünftig und realisierbar". Die vom Rat für Rechtschreibung vorgelegten Änderungen bei der Getrennt- und Zusammenschreibung "sind nachvollziehbar und führen, da sie nur zirka 0,1 Prozent des Wortschatzes betreffen, kaum zu neuer Verunsicherung an den Schulen", sagte der DPHV-Vorsitzende Heinz-Peter Miedinger in Berlin. (Focus)
Auch der prominente Gegner der Rechtschreibreform, Friedrich Denk, begrüßte die geplanten Korrekturen. "Ein Teil der Kritik ist jetzt anerkannt und wurde als berechtigt angesehen", sagte der als Rechtschreib-Rebell bekannt gewordene Deutschlehrer der "Berliner Zeitung". Im Klartext heiße das, "dass die Regelung von 1996 neu umgeschrieben werden muss." Der erst im vergangenen Sommer neu aufgelegte Duden sei unbrauchbar geworden. Von der großen Rechtschreibreform werde nur noch das Doppel-S übrig bleiben, prognostizierte Denk. (Spiegel)
Mit ihrer bisherigen Änderungsverweigerung hat die KMK den Duden geradezu gezwungen, sämtliche Korrekturen klammheimlich von Auflage zu Auflage in Form von Varianten durchzusetzen. Das hat die allgemeine Verwirrung nur gesteigert und die fatale Auffassung verfestigt, es sei ohnehin gleichgültig, wie geschrieben werde. Für die Schulen ist das genauso ruinös wie jede Form von Rechtschreibdogmatismus. (FAZ-oll)
Der Cornelsen Verlag als einer der bedeutendsten Schulbuchverlage will zunächst die endgültigen und gesamten Vorschläge des Rates abwarten. «Erst dann werden wir genau prüfen, was das für uns bedeuten würde», sagte Sprecherin Irina Pächnatz. Auch der VdS Bildungsmedien - vormals Verband der Schulbuchverlage - wollte zunächst keinen Kommentar zu «noch nicht beschlossenen» Änderungen abgeben. (ddp)
Nach dem Statut über die Arbeit des Rates ist es erforderlich, dass zunächst Vertretern der Schulen, insbesondere der Lehrer- und Elternvertretungen sowie den für die Verwaltungssprache zuständigen Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden soll. Außerdem sollen Vertreter solcher Einrichtungen angehört werden, die aufgrund ihres Umgangs mit Sprache und Rechtschreibung deren Fortentwicklung beurteilen können oder voraussichtlich an der Umsetzung der Beschlüsse des Rates beteiligt sein werden. (KMK)
Das Herumsitzen in Gremien zweifelhaftester Zusammensetzung mit dem Zweck, an der Sprache von 100 Millionen herumzubasteln, oder vielmehr an dem leichtfertigen Anschlag auf diese Sprache, das ist doch wirklich grotesk. Aus formalen Gründen müssen wir immer so tun, als reparierten wir das amtliche Reformwerk. Warum treten wir das Ganze nicht wirklich in den Müll (wie eine große Zeitung neulich vorschlug) und vergessen es so schnell wie möglich? Sogar verzeihen würden wir es, wenn wir es nur bald los wären. (S&R-Ickler)
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Kommentar von H. J., verfaßt am 11.04.2005 um 14.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#580
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Potpourri 2
Aber Zehetmair hat auch keinen Zweifel daran gelassen, daß die Rückkehr zu bewährten Regeln nicht länger kategorisch ausgeschlossen wird. Damit ist in die Debatte um die Rechtschreibung eingekehrt, was ihr allzulange vorenthalten wurde: Sachlichkeit, Besonnenheit und Verantwortungsbewußtsein. (FAZ-Spiegel)
Und wenn die Kultusministerkonferenz der Länder nicht überwiegend aus weltfremden Ignoranten besteht, wird sie sich dem Votum des Rates nicht verschließen. Denn wenn wir noch länger so krank schreiben, sollten wir uns krankschreiben lassen! (Lausitzer Rundschau)
Die Neuregelung der Getrennt- und Zusammenschreibung war wegen des geradezu dogmatischen Regelungswahns, der sich in ihr zeigte, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Das Bedürfnis nach erschöpfenden Regeln war nie eines der Schreibenden oder gar der Schüler gewesen, sondern lag im Interesse einiger Sprachwissenschaftler. (FAZ-Schmoll)
Auch wenn das Ergebnis der Beschlüsse sich noch nicht mit Sicherheit vorhersagen läßt, hat der Rat bisher allen Befürchtungen zum Trotz erstaunliche Unabhängigkeit bewiesen. Im Unterschied zum Vorgängergremium, der Zwischenstaatlichen Kommission, läßt der Rat sich nicht von Erwartungen der Kultusminister leiten. (FAZ-Schmoll)
Dennoch wird jetzt mancher klagen und den alten Schlachtruf wiederholen, das ewige Hin und Her müsse endlich einmal ein Ende haben. Wer so argumentiert, übersieht, daß es kein ewiges Hin und Her gegeben hat. Im Gegenteil: Die Reform tritt seit Jahren auf der Stelle. Das ist ihr großes Problem, und darin liegt ihr Scheitern begründet. (FAZ-Spiegel)
Wer Logik in eine Sache bringen will, die nicht nach den Gesetzen der Logik entstanden ist und ihnen auch nicht folgt, tut sich naturgemäß schwer. So haben auch die Probleme der Rechtschreibreform zu einem großen Teil damit zu tun, daß die Sprache nicht logisch aufgebaut ist und sich nicht disziplinieren läßt. Keine Sprachgemeinschaft läßt sich an die Leine der Theorie legen. (FAZ-Spiegel)
„Eine linguistische Theorie", so hat es der Sprachwissenschaftler Gerhard Augst einmal formuliert, „die nicht die üblichen Schreibungen erzeugt, ist falsch." Zu dieser Einsicht ist der Rat für deutsche Rechtschreibung nun offenbar zurückgekehrt. (FAZ-Spiegel)
Und gerade im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung kommt dem Sprachempfinden eine besondere Bedeutung zu. Denn wer sich fragt, ob er „kennenlernen" oder „kennen lernen" schreiben soll, hat sich weder vor der Reform noch nach ihr irgendwelche Regeln ins Gedächtnis gerufen. Entweder werden die Entscheidungen rein intuitiv getroffen oder man folgt dem optischen Gedächtnis und entscheidet sich für das vertrauter wirkende Schriftbild. (FAZ-Spiegel)
Die Sprache und die Sprachgemeinschaft lassen sich nun einmal keine Vorschriften machen. Das hätten die Politiker vorher wissen können. Es ist ja auch noch keinem Dompteur gelungen, ein Kamel durchs Nadelöhr springen zu lassen. (FAZ-Spiegel)
Vergangenen Freitag hat sich nun der Rat für deutsche Rechtschreibung der Sache angenommen. Ende letzten Jahres eingesetzt von den Kultusministern, um die notwendigsten Sicherungsarbeiten an der Reformruine vorzunehmen, hat er damit begonnen, sie abzureißen. (ND-Markner)
Tatsächlich hat die unter der Anleitung des Potsdamer Grammatikers Peter Eisenberg entworfene Vorlage mit der verunglückten Version von 1996 praktisch nichts mehr gemein. Von jenem »ersten durchstrukturierten Gesamtregelungsversuch«, dem eigentlichen Kernstück der Rechtschreibreform, wird man in Zukunft nur noch sprechen, wenn wissenschaftliche Hochstapelei das Thema ist. (ND-Markner)
Die Verabschiedung der Reform durch die politischen Vertreter mehrerer deutschsprachiger Staaten stand 1996 am Ende eines Verfahrens, das seine demokratische Legitimität bloß simulierte. So ist es nur konsequent, wenn das Abschiednehmen von der Reform nun durch eine Runde vorgenommen wird, der zwar ein Vertreter Liechtensteins, aber keiner aus den ostdeutschen Bundesländern angehört. (ND-Markner)
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 11.04.2005 um 14.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#578
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Herrn Zehetmairs Wandlung zum Paulus des Unternehmens ist nun wohl unumkehrbar. Im Deutschlandradio Berlin (http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/364760/) war er im Originalton zu hören, leider ohne die Aufklärung, ob die Zitate aus der Pressekonferenz selbst stammten. Dort stellt er einen flexibleren Umgang mit den neuen "Regeln" fest und warnt davor, alles in "Regeln zwängen zu wollen". Er wehrt sich dagegen, die Rechtschreibung dem Computer zu überlassen, und empfiehlt, "nach der Sinnhaftigkeit des geschriebenen Wortes zu schauen". Er empfinde Unbehagen darüber, daß sich die Politik bislang so stark eingemischt habe. "Meine früheren Kolleginnen und Kollegen [i.e. in der KMK] haben dasselbe Empfinden." Der Kommentator beim DRB bezeichnete den Termin 1. 8. 2005 übrigens als "Makulatur". Hoffentlich behält er recht.
In den Agenturberichten über die Pressekonferenz herrscht eine erstaunliche Variationsbreite, was die Aussagen Herrn Zehetmairs angeht. Die Zeitungsredaktionen satteln da noch eins drauf. Leider hat Herr Zehetmair nicht der Versuchung widerstanden, sich volkstümlich zu geben. Daß "vollquatschen" überhaupt unter den Beispielwörtern eine Rolle spielt, ist nach "belämmert", "schnäuzen" und "Tollpatsch" merkwürdig genug; die Journalisten mußten sich jedenfalls an dieser Stelle wie bei Herrn Augst vorkommen. Eher sachlich sind auch andere in den Berichten zitierte Beispiele problematisch. Bekanntlich hat der Duden immer "auseinander setzen" (im wörtlichen Sinne) und "auseinandersetzen" (im übertragenen Sinne) unterschieden, und so soll nun wieder verfahren werden. Warum aber? Wenn die "einander"-Komposita zu denen mit Verbzusätzen/Verbpartikeln zählen und sich dies für beide Bedeutungen durch den Hauptton auf dem ersten Bestandteil der Verbindung bestätigt, gibt es für die Kennzeichnung der "idiomatisierten Gesamtbedeutung" eigentlich keine Möglichkeit. Von "Betonung" will der Entwurf jedoch nichts wissen, sieht aber für diesen Fall zwei Proben vor, wovon eine ganz neu ist: "Das selbstständige (sic!) Wort kann im Aussagessatz vor dem Verb an erster Stelle stehen, die Verbpartikel hingegen nicht." Also: "Auseinander werde ich euch Lausbuben setzen", dagegen nicht *"Auseinander muß der Rat sich noch mit manchem Problem setzen". Hier spricht das Ergebnis der Probe für die alt/neue Regelung und gegen die von der Betonung suggerierte Lösung. Überprüfen wir nun aber die Probe selbst, indem wir einen Satz mit einer ähnlichen Verbindung bilden, z. B. mit "aufeinanderstapeln". Nach Duden 1991 war es zusammenzuschreiben, und nach der Revision natürlich auch wieder - obwohl nur der schlichte Wortsinn gemeint sein kann. Probe: "Aufeinander lassen sich so viele Kisten überhaupt nicht stapeln", Folge: eigentlich Auseinanderschreibung. Selbst wenn die Sache sprachwissenschaftlich in Ordnung wäre, käme damit kein normaler Schreiber zurecht. Haben wir im übrigen nicht der Neuregelung immer wieder vorgehalten, sie zwinge zu kontraintuitiven Schreibungen? Auch sonst gibt es neuerdings wieder viel Spiel mit dem Feuer. Dazu gehört "übrig bleiben"/"übrigbleiben". Noch hat sich kein in Rechtschreibfragen kompetenter Journalist die Neufassung des Paragraphen 34 angesehen. Wenn aber der Eindruck entstünde, jetzt ginge es wieder los mit den alten Haarspaltereien und Spitzfindigkeiten, wäre das für die Rückkehr zur Rechtschreibnormalität sehr abträglich.
Der Ausschluß der Betonung ist aber selbst in sprachwissenschaftlicher Hinsicht eine Merkwürdigkeit. "Akzent" ist nach alter strukturalistischer Lehre ein suprasegmentales Phänomen und hat einen Anspruch darauf, bei der Erklärung von Schreibweisen berücksichtigt zu werden. In der Fremdsprachendidaktik geht man bei der grammatischen Erklärung möglichst von solchen konkret faßbaren Kriterien aus, die für die jeweilige Verwendung im tatsächlichen Sprachgebrauch bestimmend sind. Rechtschreibregeln für Muttersprachler können sich eigentlich nicht anders orientieren. Es geht ja nicht um eine linguistische Theorie, sondern um Handlungsanweisungen. Die aber können nicht "gegenstandsnah" genug sein.
Herr Zehetmair will offenbar mit weniger Regeln auskommen, und zwar solchen, die der Schreibende nach seiner Intuition und Leseerfahrung ohne Zögern anwende. Intuition und Leseerfahrung stehen in der Tat in einem Wechselverhältnis, aber das ist nicht alles. Intuition, d. h. vorbewußte Einsicht in sprachliche Regelmäßigkeiten, ist bewußtseinsfähig, knapp formuliert sogar als schlichte Regel. Nun sage man nicht, ein "amtliches" Regelwerk müsse seiner Natur nach eine entsprechende abstrakte Höhenlage haben. Doch auch sonst spricht vieles gegen ein solches Dokument. Selbst Herr Nerius gestand 1997, daß es die freie sprachliche Entwicklung behindere. Zum Vergleich: Gibt es eine im Amtsblatt veröffentlichte Verfügung, die den Genitiv vor dem Dativ schützt?
Natürlich ist die Generalrevision vor dem 1. 8. 2005 nicht zu schaffen, auch wenn man die Akzente richtig setzt. Der Paragraph 36 müßte als nächstes drankommen, schon wegen seiner Verzahnung mit dem Paragraphen 34. Wichtiger als alles andere wäre dann die Groß- und Kleinschreibung. Grotesk bliebe auch dann das Unternehmen noch, denn nach der "endgültigen amtlichen Einführung" müßte das Revidieren ja munter weitergehen - mit "Experten"gruppen, die ebensowenig den gesamten hierzulande vorhandenen Sachverstand einbezögen wie Herrn Augsts Arbeitskreise und Kommissionen vor und nach 1996. Die Bestandsaufnahme, die zwanzig Jahre lang versäumt wurde, läßt sich so oder so nicht in wenigen Wochen nachholen.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 11.04.2005 um 14.00 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#577
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Interaktiver Teil: Die Neuregelung enthält in § 34 E3 2 eine Übungsaufgabe. Dort stehen nämlich folgende Beispiele:
aneinander denken, aneinander grenzen, aneinander legen, aufeinander achten, aufeinander hören, aufeinander stapeln, auseinander gehen, auseinander laufen, auseinander setzen, beieinander bleiben, beieinander sein, beieinander stehen, durcheinander bringen, durcheinander reden, durcheinander sein
Aufgabe: Welche Verbindungen sind nach dem Betonungskriterium zusammenzuschreiben, welche nach der "Entwurfs"probe? Und schließlich: Welche schrieb der Duden bis 1995 zusammen?
Da wir einmal dabei sind, lesen wir auch Herrn Icklers Kommentar zu § 34 E3 2:
Die erste Gruppe umfaßt nur Zusammensetzungen mit einander, ohne daß dies jedoch ausdrücklich gesagt würde. Die Gruppe vereinigt völlig Unvergleichbares, auch durch die Betonung leicht zu Unterscheidendes. Bei achten ist die Präposition von der Valenz des Verbs gesteuert, bei stapeln nicht. Der Eintrag "aufeinander achten (stapeln)" ist absurd, da er den Unterschied zwischen Präpositionalobjekt und Richtungsangabe übergeht. Auch im Wörterverzeichnis findet man solche heterogenen Gruppierungen unter den Stichwörtern aneinander, aufeinander usw. (Man kann sich übrigens darüber wundern, daß all diese Wörter nicht auch noch in die Präposition und einander zerlegt wurden.) Dieser Fehler ist selbst dann zu kritisieren, wenn man aus anderen Gründen bezweifelt, daß ein solcher Unterschied durch die Schreibung zum Ausdruck zu bringen sei. Die Sprachgemeinschaft ist sich allerdings seit langem weitgehend einig, daß die graphische Unterscheidung des hörbar Verschiedenen dem Leser nützt. Die Reformer wollen das nicht anerkennen. Zwischen Geschwistern, die liebevoll aneinander hängen, und solchen, die unglücklicherweise aneinanderhängen (also siamesischen Zwillingen), soll in der Schrift nicht mehr unterschieden werden. Ob man Schüler auseinander setzt oder eine Sache auseinandersetzt bzw. sich mit einer Sache auseinandersetzt - in Zukunft soll einheitlich getrennt geschrieben werden: auseinander setzen. Gallmann und Sitta (1996a s. v.) sehen darin den Unterschied zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung aufgehoben; es geht aber um den auch grammatisch faßbaren Unterschied zwischen reziprokem Pronominaladverb (= "den einen Schüler vom anderen wegsetzen") und nichtreziprokem Verbzusatz. Bei sich mit etwas auseinandersetzen gibt es ja gar kein "anderes", worauf sich das pronominale Element beziehen könnte. (Im Wörterverzeichnis des Duden war das bisher im wesentlichen richtig dargestellt.) Wie störend sich die neue Regelung auswirken kann, sei an einem reformierten Schulbuch erläutert: Wie sich schon früher die Menschenaffen und die Menschenvorfahren auseinander entwickelt hatten ... Der Schüler muß hier schon sehr aufmerksam lesen, um zu erkennen, daß sich die Affen und Menschen keineswegs auseinander entwickelten (die einen aus den anderen), sondern auseinanderentwickelten - im Sinne der "Auseinanderentwicklung", von der einige Zeilen später korrekterweise die Rede ist.
Was folgern wir Normalschreiber aus alledem? Vielleicht ist die deutsche Rechtschreibung doch ein hoffnungsloser Fall. Auf alle Fälle sollten wir Herrn Zehetmair und seiner Crew eine glückliche Hand wünschen. Sie haben es nötig.
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Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 11.04.2005 um 12.13 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#575
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Verben der Bewegung in Verbindung mit bleiben und lassen:
Prof. Ickler hat wiederholt darauf hingewiesen, daß es sich hier bei Getrenntschreibung um eine (fort-)dauernde und bei Zusammenschreibung um eine einmalige Tätigkeit handeln kann, jedenfalls in den infiniten Formen: stehen bleiben - stehenbleiben, laufen lassen - laufenlassen, sitzen bleiben - sitzenbleiben und andere.
Es handelt sich um eine Art von Verbalaspekten: imperfektive (unvollendete oder andauerne) Handlung bzw. perfektive (vollendete oder einmalige) Handlung.
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 10.04.2005 um 16.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#573
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Und immer wieder diese "Heysesche" Verwirrung.
Ich lese gerade in einer (guten) Biographie eines renommierten Verlages* folgenden Satz:
"Sie [die Lügen] seien einem Pamphlet entnommen, dass der Kommunistische Bund herausgegeben habe."
Im Vorwort eines wissenschaftlichen Buches* ist folgender Satz gedruckt:
"Aber solche Erwägungen lagen nicht im Trend und stiessen in den Gremien ... auf wenig Einsicht ..."
Noch unbarmherziger als in Presse, Büros oder bei Verlagen schlägt die Verwirrung der s-Schreibung in Schriftprodukten jener Personenkreise zu, denen man in „sozialer Verantwortung“ die Heysesche s-Schreibung als besonders logisch und orthographieerleichternd "serviert" hat. Wenigleser und –schreiber sowie die Schüler verfahren in ihrer Ratlosigkeit beim Schreiben von s und ss inzwischen mehr und mehr nach dem Prinzip der Zufallsverteilung.
Würde der Vorsitzenden der Lehrergewerkschaft GEW, Eva-Maria Stange, tatsächlich das Wohl von Lehrern und Schülern am Herzen liegen, so müßte sie sich froh und dankbar zeigen über die angestrebte Beendigung der unsäglichen „Verwirrung“, welche durch die vorschnelle Einführung einer unausgegorenen Pseudoreform seit dem Jahr 1996 über Schule und Gesellschaft gekommen ist.
Wer die unübersehbaren und ständig zunehmenden Lese- und Schreiberschwernisse der Reformschreibung bis heute lautstark negiert, dessen Wahrnehmungs- und Denkfähigkeit scheint dem Wahn seiner Ideologie völlig zum Opfer gefallen zu sein.
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*Die Quellenangaben können bei mir persönlich erfragt werden.
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Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 10.04.2005 um 13.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#572
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Jetzt ist die Katze also endlich aus dem Sack: Der Rat für deutsche Rechtschreibung reformiert die Rechtschreibreform. Kein Wort mehr der Reformer von "Präzisierungen" oder "noch eindeutiger Umsetzung des Regelwerks", sondern offen zugegebene Änderungen, die das gesamte Reformwerk in seine Bestandteile zerlegen. Die Abrißbirne wird mit voller Kraft geschwungen, kein Stein des Werkes bleibt auf dem anderen. Die gesamte Getrennt- und Zusammenschreibung steht als erstes zur Disposition, gefolgt von der Kommasetzung sowie der Trennung am Zeilenende. Grammatische Schnitzer wie "es tut mir Leid" oder "die Firma geht Pleite" sind damit demnächst wieder passé, ebenso "hier zu Lande" statt "hierzulande" oder "eine Hand voll" statt "eine Handvoll" sowie viele weitere Torheiten der Reform.
Offen wird nun vom Rat eingestanden, daß eine Revision aller Wörter- und Schulbücher erforderlich wird, die eine Einhaltung des Endes der Übergangsfrist zum 1. August 2005 unmöglich macht. Diese Notwendigkeit war von den Reformern in der Vergangenheit immer als ein Kernargument gegen ein Ende der Reform ins Feld geführt worden, wenngleich mit der Zeit zahllose Änderungen, in Wahrheit Rückbauten zur bewährten Rechtschreibung, unterderhand Eingang in die Wörterbücher gefunden haben.
Alle reformierten Wörterbücher, egal um welche Ausgabe es sich handelt, sind nun mit einem Schlage Makulatur und müssen demnächst überarbeitet werden. Mit dieser Einsicht des Rates ist für die Zukunft wieder alles offen. Es ist nicht einzusehen, warum die Torheiten der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Trennungen am Zeilenende und der Interpunktion beseitigt werden sollen, andere aber, von der Groß- und Kleinschreibung über die Augstschen Etymologien bis zur offensichtlich fehlerträchtigen s-Schreibung beibehalten werden sollen. Vielleicht dämmert es dem Rat und dann auch der Kultusministerkonferenz endlich, daß die Rückkehr zu der normalen deutschen Orthographie nicht mit der Wiederherstellung des alten Dudenprivilegs verbunden sein muß. Die Weichen sind in die richtige Richtung gestellt, der Weg muß jetzt nur noch zielstrebig zu Ende gegangen werden.
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Kommentar von BILD am Sonntag, verfaßt am 09.04.2005 um 23.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#571
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»Und sie bewegt sich doch!
Von HELMUT BÖGER
Millionen Schüler müssen wieder neu lernen, Lehrer neu lehren. Doch das ist gut so.
Am Freitag hat der Rat für Deutsche Rechtschreibung, ein Expertengremium mit Befürwortern und Gegnern der Orthographiereform, empfohlen, Teile des verkorksten Regelwerks zu stoppen, bevor es im August an den Schulen verbindlich wird. So soll „heiligsprechen“, „richtigstellen“ oder „vollquatschen“ wieder wie zuvor zusammengeschrieben werden.
Die Konferenz der Kultusminister sollte sich die Empfehlungen der Experten zu eigen machen. Sie hat die Schlechtschreibreform selbstherrlich und ohne jede parlamentarische Legitimation gegen die überwältigende Mehrheit der Bürger durchsetzen wollen.
Nun muß sie auch für die Reform der Reform geradestehen. „Und sie bewegt sich doch“ ist dabei nicht das schlechteste Leitmotiv.
Viele Bürgerinitiativen, die gegen das Diktat der Kultusminister gekämpft haben, können sich freuen. BILD am SONNTAG ist ein wenig stolz darauf, daß wir seit dem 3. Oktober 2004 als erste Zeitung der Axel Springer AG wieder zur bewährten klassischen Rechtschreibung zurückgekehrt sind.
Doch trotz aller Genugtuung über diesen Erfolg muß darüber debattiert werden, ob eine so wichtige Entscheidung wie die über unsere Sprache nicht besser vom Parlament gefällt werden sollte. «
( BILD am SONNTAG, 10. April 2004 )
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Kommentar von H. J., verfaßt am 09.04.2005 um 20.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#570
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"Vollquatschen" und die "Idiomatisierte Gesamtbedeutung"
Kleines Potpourri zum denkwürdigen 8. April 2005
"Die Tendenz geht eindeutig wieder zur Zusammenschreibung", sagte Ratsvorsitzender Hans Zehetmair in München. Der Rat sei jetzt "stärker von der gewachsenen Sprache ausgegangen". (Wiesbadener Kurier-dpa)
Über manche Folgen der Rechtschreibreform macht sich das gemeine Volk gar keine Gedanken. Das kann fatal enden. Ob sie etwa selbstgebrannte oder selbst gebrannte CD’s verkaufen, macht schon einen Unterschied. Im ersteren Fall droht ihnen eine Strafe, im letzteren tun sie etwas Erlaubtes. (Neues Deutschland)
Er sei sicher, dass die Vorschläge einige der "Ungereimtheiten zwischen Bevölkerung und Experten beseitigen" würden, sagte der frühere bayerische Kultusminister. (Financial Times Deutschland)
Nach dem Vorschlag des Rates, einige Neuregeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung zurückzunehmen, sagte Wulff der «Bild am Sonntag»: «Die Richtung stimmt. Wenn künftig wieder zusammengeschrieben wird, was zusammengehört, trägt das zur Befriedung im Rechtschreibstreit bei.» (dpa)
Kritik übte die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Eva-Maria Stange: "Das ist ein Roll-back, der nicht zur Klärung beiträgt, sondern Verwirrung schafft", sagte sie der taz. (taz)
Auch Schüler sind nicht begeistert: "Jede Veränderung bedeutet, dass wir wieder umdenken müssen", sagte Stephan Ruhland, Vorsitzender der Berliner Landesschülervertretung. (taz)
Dagegen frohlockten die Reformgegner. Mit den Änderungen zur Getrennt- und Zusammenschreibung werde die Rechtschreibreform nahezu vollständig zurückgenommen, meinte Theodor Ickler, Mitglied der Arbeitsgruppe, welche die Vorschläge erarbeitet hatte, nach Informationen des Tagesspiegels. (taz)
Die Schulbuchverlage werden Änderungen nur sukzessive einbauen, so der Vorsitzende des Verbandes, Gerd-Dietrich Schmidt. "Es ist nicht so, dass jetzt alles umgeschrieben wird", sagte Schmidt der taz. (taz)
Die Arbeitsgruppe wollte die Entscheidungen darüber, ob getrennt oder zusammengeschrieben werden sollte, wieder mehr vom Wortsinn abhängig machen, dabei aber das Prinzip der Orthografiereform, grundsätzlich eher getrennte Schreibungen vorzusehen, unangetastet lassen. (Mannheimer Morgen-Groß)
In Zehetmairs Plädoyer für eine "gewisse pädagogische Sensibiltät" im Umgang mit der Orthografie schwingt Humor mit. Sicher trägt sich mancher Balast mit einem Lachen leichter. (Mannheimer Morgen-Groß)
Es könnte vielversprechende Politiker und zufriedenstellende Antworten geben wie vor der Reform. Auch festkochende Kartoffeln. (Sächsische Zeitung-Großmann)
Die Kultusministerkonferenz (KMK) habe signalisiert, dass sie sich dem Votum des Rates nicht verschließen werde. "Ich rate es auch nicht", sagte Zehetmair an die Adresse der KMK. (Sächsische Zeitung-dpa)
Klärungsbedarf sieht die Arbeitsgruppe noch bei Verben wie laufen lernen oder spazieren gehen. "Es ist ein schwieriger Ritt", sagte Zehetmair. (Sächsische Zeitung-dpa)
Die Kultusministerkonferenz sitzt in der Zwickmühle. Da hatte sie endlich 2004 die allzu eigenmächtige Sprachwissenschaftler-Kommission, die eine neue Rechtschreibung gestalten sollte, durch einen transparenten Sprachliebhaber-"Rat" ersetzt. Doch statt untertänigst Hinweise zu erteilen, ruft dieses Gremium nun nach Änderungen, die an die Substanz dessen gehen, was da seit 1996 als "Reform" im Gange ist. (Mitteldeutsche Zeitung)
Der Verlag Axel Springer, dessen Zeitungen und Zeitschriften Anfang Oktober 2004 zur klassischen Rechtschreibung zurückgekehrt waren, will - wenn das Gesamtpaket vorliegt - zunächst alle Details der Vorschläge genau prüfen, bevor er über weitere Schritte entscheidet. AP/HA
Das Gremium war von den Kultusministern als Ersatz für die umstrittene Rechtschreibkommission eingesetzt worden und hatte die Erlaubnis, Änderungsvorschläge zu machen. Dass der Rat an einem entscheidenden Punkt des Reformwerkes – nämlich der Getrennt- und Zusammenschreibung – quasi die Rückkehr zur alten Orthografie vorschlagen würde, haben sie vermutlich nicht vorausgesehen. Mit Prognosen für ein Happy End sollte man zum jetzigen Zeitpunkt wohl besser vorsichtig sein. Nur eines steht fest: Fortsetzung folgt. (NW-Zeitung-Jerichow)
Geleitet wurde die Arbeitsgruppe vom neuen Direktor des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache, Eichinger. Mitgearbeitet haben außerdem der Schweizer Germanist Gallmann, der österreichische Germanist Schrodt, der Leiter der Duden-Redaktion Wermke, der Vorsitzende des Journalistenverbandes Hein, das österreichische Ratsmitglied Lusser sowie Peter Eisenberg als Externer, der die Reformvorschläge maßgeblich erarbeitet hat. (FAZ-oll)
"Die klare und fachliche Verlässlichkeit sind ein höheres Ziel als das Datum 1. August", sagte Zehetmair. Er rate der am Ende entscheidenden Kultusministerkonferenz ab, sich dem Rat zu widersetzen, der endgültige Empfehlungen am 3. Juni formulieren wird. (KölnerStA)
Kritisiert hat er [ = der RfdR]die österreichische Entscheidung, die Literatur in der früheren Schreibung nicht mehr zuzulassen. Je mehr sich die Politik aus der Sprachentwicklung heraushalte, desto intensiver könne der Rat die Sprachentwicklung begleiten, sagte Zehetmair. (FAZ-oll)
Wie etwaige Änderungen erfolgen sollen, ist noch nicht klar. So gehen laut dem Wiener Landesschulinspektor Karl Blüml im Rat etwa die Meinungen auseinander, ob nur Wahlmöglichkeiten gewährt werden oder genaue Vorgaben erfolgen sollten. "Die Schriftsteller wollen eher mehr Freiheiten, Korrektoren oder Lehrer wollen's genauer haben", so Blüml gegenüber der APA. (Kurier.at)
"Eine Rolle rückwärts kann auch ein Fortschritt sein", sagte er [ = Hans Zehetmair]. (Reuters)
"Wir sind der Meinung, dass Eis nicht ein Gegenstand ist wie ein Ski", sagte Zehetmair. Daher solle "Eis laufen" wieder zusammengeschrieben werden. (Reuters)
Denn Schüler und Bücheretats sollten nicht zusätzlich belastet werden. Das war das Ziel der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, die für die Regeln zuständig war – bis sie dem öffentlichen Druck zum Opfer fiel und durch den Rat für deutsche Rechtschreibung ersetzt wurde. Ihm gehört eine Reihe von Reformfeinden an, die sich nun zur Geltung bringen. (Tagesspiegel-Kühne)
Die Schulbuchverlage hoffen, dass sich der Rat für deutsche Rechtschreibung noch auf moderatere Änderungen einigt. Er gehe davon aus, dass es reiche, die neuen Regelungen in den Neuauflagen zu berücksichtigen, sagte der Geschäftsführer des Verbandes der Schulbuchverlage VDS-Bildungsmedien, Andreas Baer. (Tagesspiegel)
Welche Reichweite der "Kompromissvorschlag" der Arbeitsgruppe hat, geht schon aus der Befriedigung hervor, die Theodor Ickler, die Speerspitze der Reformfeinde, äußert. Die "sogenannte Rechtschreibreform", stellt der Sprachwissenschaftler voller Genugtuung fest, werde in der Getrennt- und Zusammenschreibung "nahezu vollständig zurückgenommen". (Tagesspiegel-Kühne)
Für den Berliner Historiker Reinhard Markner, Vorsitzender der Forschungsgruppe Deutsche Sprache, eine der Speerspitzen in der Front der Rechtschreibgegner, bedeuten die Änderungsvorschläge das erstmalige volle Eingeständnis, dass "ein wesentlicher Teil der Reform nicht haltbar ist. Die Reformer sind auf die Nase gefallen", sagte er uns gestern. (Aachener Zeitung-Hoog)
Selbstverständlich sind wieder Stimmen zu hören, die ihre Interessen hinter der Berufung auf Schüler oder fertige Duden verstecken. Diese "Reform" war ein Trauerspiel - und sie bleibt es bis zuletzt. Reformiert werden muss keine Rechtschreibung, sondern die Kulturpolitik hierzulande. (Mitteldeutsche Zeitung)
Die Rechtschreibreform ist ein Stück aus dem Tollhaus. (Tagesspiegel-Kühne)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.04.2005 um 09.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#568
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Was Thomas Groß im Mannheimer Morgen schreibt, ist nicht von dieser Welt. Es steht in der Vorlage, und es wurde vom gesamten Rat einhellig so gesehen: Künftig soll sich die orthographische Norm wieder am Usus (natürlich vor 1996) orientieren, daher wieder mehr zusammengeschrieben werden. Es handelt sich um einen verítablen Aufstand gegen die Reform. Die gesamte Lehre vom Verbzusatz ist fast hundertprozentig auf der Linie, die zum Beispiel in meinem Wörterbuch vertreten wird. Über ein paar Einzelheiten wird weiterdiskutiert. Aber ich bin zufrieden aus München zurückgekommen, und das besagt ja einiges ...
(Einzelheiten aus München später, sobald ich Zeit finde.)
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Kommentar von Mannheimer Morgen, verfaßt am 09.04.2005 um 07.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#567
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»Keine erneute Reform
Von Thomas Groß
Die Reform der Rechtschreibreform bleibt aus. Dass der Rat für deutsche Rechtschreibung eine "massive Änderung" der neuen Schreibweisen vorgeschlagen hätte, kann nur ein hartnäckiger Reformkritiker wie Theodor Ickler meinen, der seinen Standpunkt nun mal bestätigt sehen will. Tatsächlich ging es nie um mehr als um einige, allerdings wesentliche Nachbesserungen. Die Arbeitsgruppe wollte die Entscheidungen darüber, ob getrennt oder zusammengeschrieben werden sollte, wieder mehr vom Wortsinn abhängig machen, dabei aber das Prinzip der Orthografiereform, grundsätzlich eher getrennte Schreibungen vorzusehen, unangetastet lassen. Genau dies hat sie nun vorgeschlagen. Doch selbst diese, durchaus nachvollziehbaren Ergänzungen will der Rat für deutsche Rechtschreibung erst später verabschieden. Das zeigt, wie mühsam dessen Arbeit sich gestaltet. Offenbar gestaltet sie sich auch schwieriger, als der Ratsvorsitzende Hans Zehetmair jedenfalls gehofft hatte.
Sicher ist eins: Die geforderte Klärung nicht zuletzt für die Schulen bleibt (vorerst) aus. Bis zur verbindlichen Einführung der neuen Schreibungen zum 1. August dürften die projektierten Nachbesserungen kaum von der Kultusministerkonferenz abgesegnet sein. In Zehetmairs Plädoyer für eine "gewisse pädagogische Sensibiltät" im Umgang mit der Orthografie schwingt Humor mit. Sicher trägt sich mancher Balast mit einem Lachen leichter. Für Lehrer und Schüler ist der aktuelle Reformstand aber bestimmt ein Grund zum Weinen. Und ob durch die Nachbesserung, wenn sie denn erst einmal verabschiedet ist, mehr Kritiker der Reform sich zu den (nicht mehr modifizierten) neuen Schreibungen bekehren lassen, bleibt offen.«
( Mannheimer Morgen, 9.4. 05 )
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Kommentar von Karin Großmann, verfaßt am 09.04.2005 um 00.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#566
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[. . .] Was daraus wird, entscheidet die Konferenz der Kultusminister. Sie will sich, heißt es in ihren Verlautbarungen, dem Rat des Rates nicht verschließen. Zunächst sollen jedoch die Betroffenen gehört werden, Vertreter der Schulen, Eltern, Lehrer, Verleger. Damit scheint fraglich, ob die Rechtschreibreform wie geplant am 1. August für Schulen und Behörden verbindlich in Kraft treten kann. (Sächsische Zeitung, 9. 4. 2005)
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Kommentar von APA, verfaßt am 09.04.2005 um 00.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#565
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[. . .] Wie etwaige Änderungen erfolgen sollen, ist noch nicht klar. So gehen laut dem Wiener Landesschulinspektor Karl Blüml im Rat etwa die Meinungen auseinander, ob nur Wahlmöglichkeiten gewährt werden oder genaue Vorgaben erfolgen sollten. "Die Schriftsteller wollen eher mehr Freiheiten, Korrektoren oder Lehrer wollen's genauer haben", so Blüml gegenüber der APA.
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Kommentar von Bild, 9. 4. 2005, verfaßt am 09.04.2005 um 00.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=234#564
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Schlechtschreibreform
Wieder mehr Kommas erlaubt
Ein Vorschlag: In doppeldeutigen Fällen soll die bewährte Zusammenschreibung wieder erlaubt werden.
Beispiel: „sitzen bleiben“ (am Ende des Schuljahrs) darf wieder „sitzenbleiben“ geschrieben werden. Auch bei der Zeichensetzung soll die Reform korrigiert werden, z. B. mehr Kommas.
Lehrerverbands-Präsident Josef Kraus: „Ein Schritt in die richtige Richtung. Wir sollten aber nicht auf halbem Wege stehenbleiben, sondern behutsam wieder ganz zur klassischen Schreibung zurückkehren.“ (kug)
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