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21.07.2006
„Sinnlichkeit des Schreibens“
„Lila auf Weiß“
So stimmt Hellmuth Karasek die Leser eines Sonderheftes von Reader's Digest auf die neuen Rechtschreibregeln ein.
Die neue Rechtschreibung kompakt: kostenloses Sonderheft von Reader's Digest
Bonus-Ausgabe der Zeitschrift Reader's Digest Deutschland in Zusammenarbeit mit Duden und Deutscher Post - Kulturkritiker Hellmuth Karasek plädiert für Eigenheiten und Sinnlichkeit des Schreibens
Stuttgart, 21. Juli 2006. Zum 1. August 2006 findet das Ringen um die Orthografie ein Ende: Die neuen amtlichen Rechtschreibregeln stehen fest. Damit der Umgang mit den neuen Regeln und Schreibungen leicht fällt, erscheint die August-Ausgabe des Magazins Reader's Digest Deutschland mit einem Bonus-Heft. Auf 50 Seiten stellt der kostenlose Ratgeber im kompakten Format die neue Rechtschreibung vor.
Zur Einstimmung plädiert Kulturkritiker Prof. Dr. Hellmuth Karasek für kleine Eigenheiten und die Sinnlichkeit des Schreibens. Der Schriftsteller und Dramaturg schreibt seine Texte am liebsten mit der Hand, und zwar mit Füller und lila Tinte: "Lila auf Weiß, das sieht doch gut aus!"
Im Mittelpunkt der Bonus-Ausgabe stehen - kurz und übersichtlich aufbereitet - die neuen Rechtschreibregeln zum Nachschlagen, zusammengestellt von der Dudenredaktion. Darüber hinaus stellt das Glossar neue und bisherige Schreibweisen häufig gebrauchter Wörter von A bis Z gegenüber.
Die Deutsche Post steuert einen Leitfaden für Briefe aller Art bei. Ob Bewerbung, Beileid oder Bitte: Hier finden Briefeschreiber die richtigen Worte für jeden Anlass.
Wer sich als Journalist ein Exemplar der Bonus-Ausgabe sichern will, schickt eine E-Mail an die Öffentlichkeitsarbeit von Reader's Digest: presse@readersdigest.de.Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spam geschützt. Zur Anzeige muss Javascript aktiviert sein.
Die wichtigsten Inhalte der Bonus-Ausgabe gibt es auch zum Download auf der Homepage http://www.readersdigest.de
Für weitere Informationen zu diesem Reader's Digest-Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Die August-Ausgabe von Reader's Digest Deutschland mit dem Bonus-Heft zur Rechtschreibung ist ab 31. Juli an zentralen Kiosken erhältlich.
(Finanzen.de, 20./21. Juli 2006)
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Kommentar von Stuttgarter Nachrichten/Stuttgarter Zeitung, 20. 7, verfaßt am 22.07.2006 um 20.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=115#347
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Der neue Duden
Er will wieder Maßstäbe setzen
Erstmals Empfehlungen für einheitliche Schreibweise
Frankfurt/Main - Die Dekade der Beliebigkeit geht zu Ende: Zehn Jahre lang herrschte in der Rechtschreibung eine weitgehende oder je nach Lust und Laune auch eine weit gehende Wahlfreiheit. Wenn am 1. August die Reform der Reform in Kraft tritt, gibt es auch einen neuen Rechtschreib-Duden, der wieder einheitliche Maßstabe setzen will.
Mit gelb markierten Schreibweisen für eine vom Duden empfohlene Variante bietet das Nachschlagewerk erstmals eine Orientierungshilfe im Rechtschreib-Dschungel mit seinen rund 3000 zulässigen Schreibvarianten. Die am kommenden Samstag erscheinende 24. Auflage hat aber noch nicht alle Widersprüchlichkeiten überwunden, wie bereits der unveränderte Untertitel des Dudens andeutet: "Das umfassende Standardwerk auf der Grundlage der neuen amtlichen Regeln". Diese amtlichen Regeln waren nun ja gerade nicht in der Lage, Standards zu setzen.
So wird die korrekte Reformschreibweise im Duden nach wie vor mit roter Schrift herausgehoben: "allein erziehend". Direkt dahinter aber folgt die gelb markierte Duden-Empfehlung: "alleinerziehend". Umgekehrt ist die Reihenfolge bei "weitgehend": Auch hier empfiehlt der Duden die traditionelle Schreibweise, die bei diesem Beispiel aber an erster Stelle steht. Erst danach folgt die Schreibweise der "amtlichen Reform" mit roter Farbe: "weit gehend". Die Gründe für die unterschiedliche Anordnung bleiben unklar, zumal die Anleitung zur Wörterbuchbenutzung erklärt, dass die Anordnung der Schreibungen dem Grundsatz "Getrenntschreibung vor Zusammenschreibung" folgen soll.
"Bei ihren Entscheidungen hat es sich die Dudenredaktion nicht leicht gemacht", versichert deren Leiter Matthias Wermke. Er nennt drei Faktoren für die Wahl einer bestimmten Empfehlung: "erstens der tatsächliche Schreibgebrauch, wie ihn die Dudenredaktion beobachtet; zweitens die Bedürfnisse der Lesenden nach einer optimalen Erfassung der Texte und drittens die Bedürfnisse der Schreibenden nach einer möglichst einfachen Handhabung der Rechtschreibung".
Wenn eine Reformschreibweise in roter Schrift gleichzeitig gelb unterlegt ist, deutet dies somit daraufhin, dass die Reform in diesem Fall eine breitere Anerkennung gefunden hat. Zu beobachten ist das etwa beim "Saxofon", aber auch beim "Delfin", beim "Potenzial" oder auch bei der "Kannvorschrift" - bei den Komposita, also zusammengesetzten Begriffen, fällt auf, dass der Bindestrich zunehmend ins Hintertreffen gerät und vom Duden nur noch in schweren Fällen empfohlen wird - etwa wenn wie beim "Kaffee-Ersatz" sonst drei Vokale aufeinander treffen würden.
Die Farbe Blau bringt der Duden ins Spiel, wenn er auf orthografische oder andere Besonderheiten aufmerksam machen will. So lernt der Duden-Leser beim "Fräulein" in einem eigenen Kasten, dass es heute üblich ist, "erwachsene weibliche Personen mit Frau anzusprechen, und zwar unabhängig vom Alter und Familienstand". Herr Litfaß und seine Säule haben Glück gehabt, dass ihnen eine "Litfasssäule" erspart bleibt - ein blauer Kasten erklärt, dass Personennamen nicht von den neuen Rechtschreibregeln betroffen sind.
Unter den mehr als 130.000 Stichwörtern im neuen Duden sind mehr als 3000 zum ersten Mal dabei. Überfällige Neuaufnahmen wie der "Blog" als Kurzform des Weblogs gehören ebenso dazu wie die Feinstaubbelastung, der Publikumsjoker oder das WM-Maskottchen "Goleo VI", an das sich in wenigen Jahren wohl kaum noch jemand erinnern wird. Dass die Duden-Redaktion ein offenes Ohr für gelebte Sprache hat, zeigt die Aufnahme des umgangssprachlich verwendeten Adjektivs "fluffig" - das ist so leicht und luftig, dass es völlig frei von allen Rechtschreibproblemen ist.
(Duden - Die deutsche Rechtschreibung. 24., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Herausgegeben von der Dudenredaktion. Mannheim: Dudenverlag 2006. 1216 Seiten. 20,00 Euro, mit CD-ROM 25,50 Euro)
(Stuttgarter Nachrichten/Stuttgarter Zeitung, 20. Juli 2006)
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Kommentar von GL, verfaßt am 23.07.2006 um 13.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=115#348
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Ob dem Herr der Bücher (Marcel Reich-Ranicki) ein solcher Schwachsinn auch gefallen könnte?
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.07.2006 um 12.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=115#349
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Die neue Beliebigkeit sind die neuen Dudenempfehlungen, die kein System erkennen lassen, keine Analogiebildungen erlauben und in den früheren Dudenfehler der unzähligen Einzelwortfestlegungen zurückfallen. Genau das war das Problem der Rechtschreibung vor 1996.
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Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 26.07.2006 um 20.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=115#350
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Meine Handschrift
von Hellmuth Karasek
Ein Plädoyer für kleine Eigenheiten
und die Sinnlichkeit des Schreibens
(Eben lag „Ihr Ratgeber zur neuen Rechtschreibung“ von Reader’s Digest den Kieler Nachrichten bei, die ich immer von der Nachbarin erhalte.
Wegen der kulturhistorischen Bedeutung habe ich den handschriftlichen Text von Hellmuth Karasek abgeschrieben. Dabei fällt auf, daß er an zwei Stellen zunächst „ss“ geschrieben hatte und nachträglich aus dem ersten „s“ etwas wie ein „ß“ gemacht hat – oder umgekehrt. Der Abstand spricht fürs erste – eine zaghafte Andeutung von Unabhängigkeit? Erst das letzte „dass“ entspricht wohl voll und ganz den Erwartungen der Auftraggeber.)
Hamburg, im Sommer 2006
Liebe Leserin,
lieber Leser,
ich schreibe Ihnen diesen Brief mit der Hand, um Ihnen zu erklären, warum ich diesen Brief mit der Hand schreibe. Noch dazu schreibe ich immer, jedenfalls meistens oder besser: so oft es geht, mit dem Füller. Dabei beginnen die Schwierigkeiten. Schreibe ich Ihnen korrekt mit “lila Tinte“ oder mit “lilaner Tinte“? Lassen wir es dahingestellt.
Daßs ich mit lila-farbener Tinte schreibe, hat keine politischen oder gesellschafts-ideologischen Gründe. Ich habe einmal, aus Zufall, lila geschrieben. Es sah gut aus, auf weißem Papier. Und so ist daraus eine Marotte geworden, eine Altersmarotte. Schreiben lebt von Gewohnheiten, die Marotten werden. Schiller konnte nur beim Geruch fauliger Äpfel schreiben.
Auch ich habe früher, im Schreibmaschinen-Zeitalter mit der Maschine geschrieben, respektive getippt. Dabei haben sich viele Dreher eingeschlichen. Zum Beispiel “dei“ statt “die“ oder “Buach“ statt “Bauch“.
Mein häufigster Fehler war “druch“ statt “durch“, jedesmal “druch“! Beim dreihunderteinundsechzigsten “Druch“ bekam ich einen Tobsuchtsanfall und warf meine Schreibmaschine aus dem Fenster – ich wohne im Paterre und schmißs sie in den Hintergarten. Abgesehen von ihr ging dabei nichts kaputt.
Also reaktivierte ich meinen Füllhalter und von da an schrieb ich mit Füller, so lange ich die Tinte halten konnte. Die lila Tinte.
Musil hat vom Fortschritt geschrieben, dass ihm ein Bein fortschreite und eines zurückhinke. Als Beispiel nannte er die Briefe. Früher, so sagte er, seien die Postzustellungen viel, viel langsamer gewesen. Das lag an den Postkutschen. Dafür wurden früher bessere Briefe geschrieben.
Bei mir hinkt der Fortschritt, was das Schreiben anlangt, auf beiden Beinen. Das heißt: er lahmt. Aber Lila auf Weiß, das sieht doch gut aus! Oder?
Herzlich
Ihr
Hellmuth Karasek
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Kommentar von GL, verfaßt am 27.07.2006 um 06.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=115#353
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Bei mir hinkt der Fortschritt, was das Schreiben anlangt, auf beiden Beinen. Das heißt: er lahmt. Aber Lila auf Weiß, das sieht doch gut aus! Oder? (Hellmuth Karasek)
Herr Karasek
In diesem Fall empfehle ich Ihnen Oliver Sacks (Professor für Klinische Neurologie) Sachbuch unter dem Titel "Der Tag, an dem mein Bein fortging". Eine Sprache, die sich für eine differenzierte, feinste intellektuelle wie emotionale Nuancen verrmittelnde Ausdrucksform eignet.
Freundlich
Galina Leljanowa
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Kommentar von GL, verfaßt am 29.07.2006 um 07.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=115#357
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Anmerkung: Die Marotte mit der lila Tinte muss am "Paterre" liegen. Wie wäre es mit Erdgeschoß, wenn man schon nicht Parterre schreiben kann?
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.07.2006 um 08.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=115#358
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Warum nicht mal lila Tinte? Der Wiener H. C. Artmann wurde berühmt "Med ana schwoazzn Dintn".
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Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 27.08.2006 um 12.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=115#383
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Richtig steht bei Karasek "Parterre" – ein Abtippfehler von mir. Die zeitweilige Kommentarsperre verhinderte die Korrektur.
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