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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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15.12.2007
 

Werbung und Wirklichkeit
Schön wär’s!

In einer Dudenanzeige heißt es heute sehr sinnig: "Duden – Die Deutsche Rechtschreibung. Das einzige Rechtschreibwörterbuch mit eindeutiger Dudenempfehlung". Das ist ungefähr so gehaltvoll wie "Nur der Duden ist der Duden". Wahrig hat natürlich die eindeutige Wahrigempfehlung, wozu sollte er die Dudenempfehlung haben?

In derselben Zeitung gelesen: Der ehemalige Bremer Schulsenator Willi Lemke soll einen Beraterposten bei den UN bekommen. Dem wird er zweifellos gewachsen sein. Als Vorsitzender der KMK äußerte sich der vielseitige Sportmanager seinerzeit über die von ihm mitbetriebene Rechtschreibreform: "Der Senator für Bildung und Wissenschaft appelliert an die Gegner der Rechtschreibreform trotz ihres Erfolges vor dem Staatsgerichtshof ihr Ziel nicht weiter zu verfolgen. Die Rechtschreibreform sei bereits weit in das Alltagsleben vieler Bürgerinnen und Bürger eingedrungen. 'Die neue Rechtschreibung wird ohne Probleme in den Schulen angewandt, es gibt bereits Schülerinnen und Schüler, die nur die neuen Regeln kennen.'" (Presseinformation Februar 2000)

Die Wirklichkeit sieht bekanntlich anders aus. Im Handelsblatt stand vorgestern:
"Deutsche Sprache, schwere Sprache. Mit der Rechtschreibreform ist vieles sogar komplizierter geworden, etwa die Regeln zur Getrenntschreibung..." usw.

Und im Zweitausendeins-Katalog wird so geworben:
"Gegen die Zweifelsphälle der Rechtschreibunk: Wahrig – Rechtschreibung auf CD-ROM. Nichts hat so sehr zur Rechtschreibunsicherheit beigetragen wie die Rechtschreibreform. Mit dieser CD-ROM können Sie Ihre alte Rechtschreibsicherheit auch in Zeiten neuer Rechtschreibung wiedergewinnen."

Der Speer, der die Wunde schlug, wird sie auch wieder heilen ... Schön wär's!



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Kommentare zu »Werbung und Wirklichkeit«
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Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 15.12.2007 um 22.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=937#11018

Gerade die Werbung stellt täglich die meisten Texte bereit, ob wir sie nun bewußt lesen, oder nur im Vorbeigehen aus dem Augenwinkel wahrnehmen. Das sind auch genau die Texte, mit denen Schüler, deretwillen angeblich ja der ganze faule Zauber veranstaltet wird, ständig konfrontiert werden.

Beim heutigen Konvolut von Werbezetteln (die neudeutschen Flyer), das neuerdings der Briefträger abliefert, war auch der Penny Markt mit einem Faltblatt vertreten. Dort gibt es nächste Woche ab Montag (17.12.) einen Fotodrucker, der einen "USB Anschluß" hat (S. 8). Ohne Bindestrich, aber dafür mit Lapsus-ß. Doch das ist keineswegs eine Ausnahme, denn der halbtrockene Qualitätswein St. Laurent "paßt [...] hervorragend zu dunklem Fleisch, Rind und Wild" (S. 11). Was immer nun auch der Unterschied zwischen dunklem Fleisch, Rind und Wild sein mag, denn dunkel ist das ja alles. Und, um beim Wein zu bleiben, "[d]as Klima läßt diesen frischen Wein mit lebhaften Aromen von Zitrus und tropischen Früchten entstehen", heißt es über den neuseeländischen Takapu Sauvignon Blanc (S. 12).

Daneben gibt es freilich auch Heyse, etwa beim "Schwarzwälder Eisgenuss" (S. 16), einem "Aux-In und Kopfhöreranschluss" beim "Nostalgie-Radio" (S. 3), einer Kinder-Cordjacke mit "Armabschluss" (S. 6) oder Modellautos in hochwertiger "Spritzguss-Qualität" (S. 14).

Nachzulesen ist die bunte Mischung unter www.penny.de/index.php?id=8391&tx_nxangebote_pi1[markt]=2080&cHash=b2d69b747c

Wenn das nun einmal passieren würde, könnte man auf ein Versehen schließen. Aber gleich dreimal! Und wie sind die "Zweifelsphälle" bei Zweitausendeins zu erklären? Das ist keine Supermarktkette, sondern ein Unternehmen, das hauptsächlich Bücher versendet.

Gleicht sich so Lemkes "Alltagsleben vieler Bürgerinnen und Bürger" nach unten an? Wann ist denn das unterste Niveau erreicht? Das weniger irritierende ß kann den armen Schülern also nicht zugemutet werden, aber diese tägliche wilde Mixtur anscheinend durchaus. So gesehen ist tatsächlich nur der Duden der Duden, und nur der tägliche Blödsinn ist wirklich Blödsinn.
 
 

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