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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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14.12.2006
 

FAZ stänkert
Aber mit einer Stimme spricht sie nicht

Die FAZ polemisiert auf der ersten Seite wieder einmal gegen das geplante Rauchverbot. „Sogar der verfassungsrechtliche Grundsatz der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland wurde bemüht: Die Bundesrepublik dürfe kein 'qualmender Flickenteppich' werden.“

Aber die FAZ selbst begründet ihr Einknicken in der Rechtschreibfrage mit Hinweis auf die Einheitlichkeit. Und die „Nichtraucherlobby“, die der Kommentator im Namen der „Freiheit“ in die Schranken weist, gibt es gar nicht, sondern nur eine Tabaklobby, vertreten durch den „Verband der Cigarettenindustrie“. Sie verbreitet seit Jahrzehnten „Gutachten“, in denen das Rauchen verharmlost und der Suchtcharakter bestritten wird. Auch Leserbriefe dieses Verbandes hat die FAZ schon des öfteren abgedruckt. In der Redaktion scheint eine Mehrheit für Rauchverbote zu sein, aber die mächtigeren Herren aus dem Wirtschaftsteil und auch der politischen Redaktion setzen sich durch und bestimmen den tabakfreundlichen Kurs. Sie sind in falsch verstandenem Liberalismus auch gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen, Umweltschutz und Familienlastenausgleich („Subventionierung“ der Privatsache Kinderaufzucht). Das wichtigste Anliegen der FAZ überhaupt war mehrere Jahre lang der Kampf gegen die Abtreibung, wozu noch immer viele unterstützende Leserbriefe gedruckt werden. Mir ist das immer etwas unproportioniert vorgekommen.

Zur Rechtschreibentscheidung hat die FAZ noch keinen Leserbrief veröffentlicht, obwohl sie Tausende bekommen haben muß. Dafür erscheinen fast täglich Leserbriefe, die irgendeine Version des Kreationismus gegen einen angeblichen Absolutheitsanspruch der naturwissenschaftlichen Biologie verteidigen. Auch aus dem bayerischen Gymnasium ist zu erfahren, daß der Religionsunterricht Jahr für Jahr den Schülern einprägt, die Naturwissenschaften behaupteten zu Unrecht, „alles erklären“ zu können. Autoren wie Teilhard de Chardin stehen hoch im Kurs. Ob es gerade das ist, was die Kinder brauchen?



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Kommentare zu »FAZ stänkert«
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 21.06.2014 um 16.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=747#26103

"In Hamburg gelang dem Zoll ein großer Schlag gegen mutmaßliche Steuersünder: Er beschlagnahmte zwei Container voller Unterlagen, welche Richtung Cayman Islands verschickt werden sollten." (Einführung bei FAZ.de heute). Lt. dem Artikel selbst dann aber "seien zwei Container mit mehr als 1000 Kartons mit Daten beschlagnahmt worden, die zum Teil von den Cayman Islands stammten, berichtete die „Welt am Sonntag“ vorab. Danach handelt es sich um Dokumente der Filiale der Schweizer Bank Coutts auf der Karibik-Insel südlich von Kuba." Selbst wenn ich die reinen "Daten" vom Papier da wohl herauslöse, meine ich immer noch, FAZ.de hat's nicht ganz klar. Halt schwache FAZ auch bei einfacher Berichterstattung. Zum bei denen nur "Schlimmes befürchten" ist's wohl zu spät.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.06.2014 um 04.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=747#26101

Im Feuilleton der FAZ (20.6.14) ein großer Artikel von Melanie Mühl über Eltern, die sich übertriebene Sorgen wegen ihrer Neugeborenen machen, deren Schlaf elektronisch überwachen usw. Alles sehr von oben herab. Sie läßt die Angst um das Kind gar nicht erst an sich herankommen. (Ich habe Eltern kennengelernt, die ein Kind durch den plötzlichen Kindstod verloren hatten und deren Leben dadurch dauerhaft verdüstert war.) Daß die FAZ für solche Themen keinen anderen Mitarbeiter zu haben scheint, läßt Schlimmes befürchten.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 14.01.2014 um 10.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=747#24847

Frau Mühls linkischer Satireversuch führt letztlich nur die Oberflächlichkeit vor, die trotz ständigen öffentlichen Geweses über den Anspruch auf mehr Familienleben, Babyjahr, Elternteilzeit, Kitas, Spaßschule und finanzielle Anreize der Grund für den Kopfstand unserer Alterspyramide sein dürfte. Ich habe Freunde im Süden, ein arbeitsloses junges Paar, das sich nur mit familiärer Unterstützung über Wasser hält. Es fehlt bitter an allen Ecken und Enden, und doch war es für beide keine Frage, was das Wichtigste sei: ein Kind.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.01.2014 um 05.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=747#24843

Die FAZ stellt ihre Leser manchmal vor Rätsel, z. B. gestern durch den Abdruck eines unsäglich naiven Geplappers ihrer Mitarbeiterin Melanie Mühl über die Freuden der Kinderlosigkeit. Er beginnt so:

Kinder sind lästig. Ich bin froh, dass ich keins mehr bin und, vor allem: dass ich keins habe. Zumindest ist das im Moment so. Besonders schön ist es am Wochenende. Aber auch unter der Woche bringt es große Vorteile mit sich, wenn nachts keine schlecht träumenden oder unter Übelkeit leidenden Kinder zu einem ins Bett kriechen. Dabei habe ich gar nichts gegen Kinder, solange sie anschmiegsam sind und nicht schreiend durch Zugabteile rennen. Einmal, ich stand gerade im Gang eines Flugzeugs, drückte mir eine wildfremde Frau tonlos ihr etwa zwei Jahre altes Kind in die Hände und verstaute in aller Ruhe ihr Handgepäck. Ich schaukelte das Kind hin und her, durchaus zugewandt, denn es sah mich unfassbar niedlich an mit seinen sehr großen braunen Augen; bis es auf meine Schulter spuckte.

Ich möchte hier auf die Ausdrucksweise aufmerksam machen: drückte mir eine wildfremde Frau tonlos ihr etwa zwei Jahre altes Kind in die Hände und verstaute in aller Ruhe ihr Handgepäck. Kann man jemandem ein Kind in die Hände drücken wie ein Plüschtier? Und tonlos? Gemeint ist wohl wortlos. Mühls Ekel vor Kindern ist so groß, daß sie die belanglose Episode nicht einmal angemessen ausdrücken kann. Wahrscheinlich hat sie sich auch im Alter des Kindes verschätzt. In anderen Ländern kümmert sich jeder um die kleinen Kinder, nicht nur seine eigenen, und es bedarf in der Tat keiner Worte. In einem überfüllten Überlandbus in Indien kann man schon mal unversehens ein Kind auf den Schoß gesetzt bekommen, und nach einer Weile pinkelt es einem auf die Hose. Na und? Mit Kindern erlebt man Schönes und Schweres, aber das Schwere besteht nicht darin, daß Kinder spucken und schreien, und das Schöne nicht im Niedlichsein.
Manche haben Kinder, manche haben keine, es gibt keinen Grund für Beschuldigungen und Rechtfertigungen - abgesehen von einem kleinen Problem bei der Altersversorgung. Mühls Artikel hat gleich an die 300 Leserbriefe hervorgerufen, weil das Thema eben doch sehr belastet ist, und das ist wiederum ganz interessant. Heillos verfahrene Diskussion, vor allem wegen des platten Maßstabs von "Glück", den Mühl vorgegeben hat. Daß es noch etwas anderes geben könnte, wird sie niemals begreifen.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 17.12.2006 um 19.16 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=747#7016

Kreationismus und Orthographie

Die "meinungsbildenden" Blätter und solche, die sich dafür halten, werden ihre Spalten immer offen halten für das Volk bewegende Fragen wie Kreationismus oder Wissenschaft, Dackel oder Dogge, Senf oder Mostricht usw. Leserbriefe zur Schreibung des Deutschen und ihre staatlich durchgeprügelte Deformation fallen als niemanden interesierende Marginalien grundsätzlich in den Papierkorb der Redaktion, besonders einer kindgerecht schreibenden.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 15.12.2006 um 08.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=747#6990

Die FAZ schickte mir gestern eine Karte, mit dem Text "...Jede Kündigung ist für uns ein Grund, uns noch intensiver mit den Wünschen unserer Leser zu beschäftigen. Was können wir anders machen? ... Vielen Dank für Ihre Mühe."

Ich fülle aus: "Rechtschreibumstellung nein danke." Gebühr zahlt Empfänger.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.12.2006 um 12.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=747#6983

Man möchte doch wissen, ob es in Ordnung ist, wie man lebt, was man tut, was man denkt. Der Staat kann das begutachten, also am besten mal beim Staat klingeln und fragen. Wo muß ich denn da hin?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 14.12.2006 um 10.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=747#6981

Ein Staat, der seinen Bürgern vorschreibt, wie sie zu schreiben haben, muß ihnen natürlich auch das Rauchen verbieten wollen. Die F.A.Z. sollte das einsehen.
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 14.12.2006 um 10.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=747#6980

Auch aus dem bayerischen Gymnasium ist zu erfahren, daß der Religionsunterricht Jahr für Jahr den Schülern einprägt, die Naturwissenschaften behaupteten zu Unrecht, „alles erklären“ zu können.

Liebe bayerische Religionslehrer: Alles können die Naturwissenschaften nicht erklären, aber das ist ja auch gar nicht ihre Aufgabe: sie können zumindest sehr viel beschreiben.
Die Frage nach dem Warum können sie nun einmal nicht immer beantworten, die nach dem Wieso aber schon eher.
Tut aber der Sache doch keinen Abbruch, ist nämlich durchaus "im Sinne des Erfinders".
...

Die Leute können (oder wollen?) einfach nicht mehr methodisch denken. Deshalb wird auch von beiden Seiten her immer wieder eine vermeintliche grundsätzliche Kluft zwischen Geistes- und Naturwissenschaften herbeigeredet, die gar nicht besteht. Man tanzt da recht eng aus dem Grund; das kapieren aber weder verquaste Geistes- noch verbohrte Naturwissenschaftler. Habe das beim Studium an zwei Fakultäten (philosophische und mathematisch-naturwissenschaftliche) immer wieder feststellen können.
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 14.12.2006 um 08.09 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=747#6979

Bei der FAZ fehlte nur noch in der Rechtschreibfrage die Annäherung an unsere reformfreudigsten Ministerinnen. Karin Wolff hat man schon Wortwahl aus dem Arsenal des Kreationismus vorgeworfen, und Annette Schavan hat gerade das nächste Jahr zum „Jahr der Geisteswissenschaften“ ausgerufen, sicher mit ähnlicher Zielrichtung.
Geisteswissenschaften bauten eine Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und sorgten für das kulturelle Gedächtnis des Landes.“ (WELT.de/KNA, 13.12.06) Für den Widersinn der orthographischen Demontage des letzteren scheint ihnen das Wahrnehmungsorgan zu fehlen.
 
 

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