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29.09.2006
Halb blind und taub?
Wofür sich der Bund der Steuerzahler interessiert
Der Bund der Steuerzahler tut sich mit Kritik am Etymologischen Wörterbuch der italienischen Sprache hervor.
Von der Internetseite:
»Italienisches Wörterbuch
Bund. Mille grazie! Der Bund und das Saarland sind hoch verschuldet. Aber beide meinen, dass die Herkunft italienischer Wörter einmal gründlich untersucht werden muss. Seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts läuft eine millionenschwere Forschungsförderung, die noch bis zum Jahre 2033 fortgesetzt werden soll. Ziel ist ein etymologisches Wörterbuch der italienischen Sprache bestehend aus über 30 Bänden. Bisher sind zehn Bände erschienen.
In diesem Jahr haben der Bund und das Saarland insgesamt 310.000 Euro bereit gestellt. Zur Freude der Forscher an der Akademie der Wissenschaften in Mainz und der Universität des Saarlandes. Und auch zur Freude des Bundesbildungsministeriums, das dadurch das internationale Ansehen des Wissenschaftsstandorts Deutschland gestärkt sieht.
Doch die Bedeutung dieses Mammutprojekts wird offenbar unterschiedlich bewertet. Italien müsste naturgemäß das größte Interesse an solch einem Wörterbuch haben und damit auch den größten Finanzbeitrag leisten. Aber Italien beteiligt sich nur noch symbolisch an den Kosten. Abgesehen von einer Einmalzahlung von knapp 300.000 Euro überweist die italienische Seite seit einiger Zeit nur noch 25.000 Euro pro Jahr. Deutschland bezahlt also zwölf Mal so viel! Italien bedankte sich auf seine Weise. Im Frühjahr 2006 verlieh der italienische Staatspräsident die Goldmedaille für kulturelle Verdienste an den Projektleiter Professor Pfister. Er ehrte das Projekt mit den Worten: „Wir können gerechterweise stolz sein auf die Dichte und Originalität der Studien und Forschungen, die in diesem Land (d. h. in Deutschland) über Italien betrieben werden.“
Das aber ist ein schwacher Trost für den deutschen Steuerzahler. Er muss jahrzehntelang italienische Belange unterstützen. Dabei wäre doch eine vertraglich abgesicherte Kostenbeteiligung durch Italien das Mindeste gewesen.«
Es ist nicht bekannt, daß der Bund der Steuerzahler je auf das Ersuchen eingegangen wäre, die Kosten der Rechtschreibreform unter die Lupe zu nehmen. Dabei betrifft diese Frage echt deutsche Belange.
Im Hamburger Abendblatt wurden aus der gemeldeten Summe fürs italienische Wörterbuch gleich 310 Mill. Euro allein für dieses Jahr! Insgesamt käme man so etwa auf 20 Milliarden Euro für ein Wörterbuchprojekt! "Zahlenblind?" kann man da nur mit dem Titel eines famosen Büchleins fragen.
Aber nun mal im Ernst, lieber Herr Däke: Ich erinnere mich noch sehr gut, wie Professor Pfister, einer der Besten seines Faches, das Projekt in Angriff nahm. Es ist halt ein langfristiges Arbeitsvorhaben, wie so viele akademische Unternehmungen, Editionen usw., die man natürlich alle auch unterlassen könnte. Wen juckt es, ob wir ein etymologisches Wörterbuch und eine kritische Ausgabe mehr oder weniger haben!
Ganz scharf widersprechen muß ich aber der bornierten Meinung, italienische Wörterbücher sollten gefälligst die Italiener selber machen oder wenigstens bezahlen! Wohin soll das führen, wenn jeder nur sich selber erforscht?
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Kommentar von R. M., verfaßt am 29.09.2006 um 17.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=644#5667
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Wenn der Bund der Steuerzahler auf die Ausgaben für dieses Wörterbuch hinweist, ist damit noch nicht die Forderung nach Abschaffung der Romanistik verbunden. Von letzterer sollte man eigentlich erwarten, daß sie Italien nicht mit der patronisierenden Geste des Entwicklungshelfers gegenübertritt.
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Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 30.09.2006 um 14.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=644#5685
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Etymologische Wörterbücher können und sollten heute nicht nur aus der Innenschau, sondern auch aus simultanter Außenschau erstellt und damit wertvoller und interessanter werden. Italien könnte dies sicher führend ausrichten, in Zusammenarbeit mit seinen Nachbarstaaten bzw. unmittelbaren Kontaktsprachpartnern. Vielleicht entsteht im Saarland ja über die nächsten 50 Jahre auch ein ähnlich gut gefördertes etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache in für die Nachbar- bzw. Kontaktsprachen offener Fassung. Ob es nach seiner Fertigstellung noch das linguistische Segment namens Etymologie gibt, ist aus heutiger Perspektive völlig unerheblich und rein spekulative Projektion.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2008 um 10.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=644#13247
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2008: Fußgängersteg, Mehlschwalbenturm (13.000 Euro!) - je nun! Und die Rechtschreibreform?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.10.2010 um 05.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=644#16985
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Gerade hat der Bund der Steuerzahler wieder seine unterhaltsame Dokumentation veröffentlicht. Beim Frühstück hübsch zu lesen. Der "Bund" besteht hauptsächlich aus Unternehmern, daher erklärt es sich, daß die wirklich großen Batzen, also vor allem die Subventionen, nicht beachtet werden. So auch die Rechtschreibreform, an der viel Geld verdient wurde.
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