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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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07.05.2012
 

Satzverstopfung
Überladene Substantivgruppen erschweren die Lektüre

Das Präteritum kommt in wenigstens naturwissenschaftlichen Fachtexten seltener vor. (Rolf Ehnert: Fremdsprachen lernen mit Medien. München 1986:72)

Der vor allem erwachsene Benutzer mag durch ein solches Programm eher motiviert sein. (ebd. 73)

Besser wäre:

Das Präteritum kommt in Fachtexten – wenigstens in naturwissenschaftlichen – seltener vor.

Der Benutzer – vor allem der erwachsene – mag durch ein solches Programm eher motiviert sein.


Die schlichten Gedanken könnten natürlich noch ganz anders ausgedrückt werden.



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Kommentare zu »Satzverstopfung«
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.05.2012 um 23.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20658

Daß die beiden Beispielsätze "die Lektüre erschweren" erscheint mir fast als arge Untertreibung. Beide Sätze kommen mir geradezu falsch vor – zumindest aber als Zeichen äußerster sprachlicher Unfähigkeit.

Welchen Sinn mag denn die Substantivgruppe die wenigstens naturwissenschaftlichen Fachtexte bloß haben? Eine stilistischer Schönheitsfehler ist zudem das Zusammentreffen der ähnliche Wörter wenig und selten.

Und was ist denn wohl der vor allem Erwachsene? Vielleicht jemand, der vor allem Erwachsener und erst nachrangig Genie oder Idiot ist?

Derartige einschränkende Adverbien gehören zum Satz und nicht in die Substantivgruppe.

Zudem ist im zweiten Satz die Verwendung von vor allem und eher doppelt gemoppelt. Der Passiv ist überflüssig und schwerfällig.

Die Neuformulierung beider Sätze überzeugt mich allerdings nicht recht. Die einfachen Sätze werden durch die Klammereinschübe unnötig beschwert. Außerdem sollten Einschübe allgemein nicht wesentliche Sinnbestandteile eines Satzes enthalten. Welchen Sinn ergäbe aber der Satz: Der Benutzer mag durch ein solches Programm eher motiviert sein?

Natürlich ausdrücken könnte man die Sätze wie folgt:

Das Präteritum kommt jedenfalls/zumindest in naturwissenschaftlichen Fachtexten seltener vor.

Ein solches Programm mag eher den erwachsenen Benutzer motivieren.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.05.2012 um 00.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20660

Das Programm könnte z. B. vorher kritisiert und als langweilig und demotivierend dargestellt worden sein. Durch einen neuen Aspekt könnte sich dann die Beurteilung geändert haben, und mit Betonung auf motiviert hieße es in durchaus sinnvoller Weise:
Der Benutzer mag durch ein solches Programm eher motiviert sein.
Wenn dies nun besonders auf den erwachsenen zutrifft, wäre diese Erweiterung doch ein wesentlicher Bestandteil.

Ebenso ergibt der Satz Das Präteritum kommt in Fachtexten seltener vor schon einen klaren Sinn. Daher weiß man bei
Das Präteritum kommt jedenfalls/zumindest in naturwissenschaftlichen Fachtexten seltener vor
nicht, ob sich das Adverb nur auf das Adjektiv oder auf den Gesamtausdruck bezieht. Man könnte sich mit einer Kommaklammer helfen, die mir aber auch nicht gefiele:
Das Präteritum kommt in, jedenfalls/zumindest naturwissenschaftlichen, Fachtexten seltener vor.

Von daher sind die beiden nachgestellten Einschübe für mich keine so schlechte Lösung. Ansonsten müßte man diese Gedanken ganz anders in den Kontext einfügen, vielleicht in getrennten Sätzen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.05.2012 um 06.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20661

Daß auch die Neuformulierungen noch nicht die höchsten Anforderungen erfüllen, habe ich ja zum Schluß selbst angedeutet.

Ich bin ja auch bereit, Konstruktionen als üblich hinzunehmen, selbst wenn sie beim "Nachrechnen" grammatisch falsch scheinen. Die Sprache ist voll davon.

Es ist eben der von Engel (und nach ihm von seinem Plagiator Reiners) so genannte "Stopfstil", der hastig mehrere Gedanken in einen einzigen Ausdruck komprimieren will und sich dabei verirrt. Der Leser stellt fast zwangsläufig falsche Beziehungen her, muß noch mal zurück und fühlt sich schlecht behandelt. Ich habe immer wieder gefunden, daß Menschen, die ganz gut reden können, beim Schreiben solche Verkrampfungen erleiden. Man möchte ihnen ständig sagen: Mann Gottes, warum schreibst du nicht ein bißchen so, wie du sprichst? Laß dir doch Zeit! Zwei Sätze sind meistens besser als einer – und sogar kürzer, weil der Leser sie schneller verarbeitet.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 08.05.2012 um 23.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20667

Lieber Herr Riemer,

Sie haben recht: es ist gefährlich, stilistische Handübungen auf Sätze anzuwenden, deren Zusammenhang man nicht kennt. Wenn man annimmt, daß im Zusammenhang des zweiten Satzes von zwei Programmen die Rede ist, dann ist meine Kritik an dem doppelt gemoppelten vor allem - eher hinfällig.

Der hauptsächliche Stein des Anstoßes bei beiden zitierten Sätzen ist in meinen Augen die höchst ungewöhnliche Stellung von wenigstens und von vor allem. Wenn ich alle stilistischen Feinheiten beiseitelasse und nur minimalinvasive Änderungen vornehme, erhalte ich folgende Fassungen:

(1) Das Präteritum kommt wenigstens in naturwissenschaftlichen Fachtexten seltener vor.

Ich kann hier immerhin verstehen, warum der Autor das wenigstens hinter in gestellt hat. Aber das ist so ungewöhnlich, daß er besser zu zwei Sätzen gegriffen hätte (s.u.).

(2) Vor allem der erwachsene Benutzer mag durch ein solches Programm eher motiviert sein.

Das sind jetzt ganz normale Sätze, wie sie jeder bilden könnte, und die jeder (abgesehen von dem fehlenden Zusammenhang) hinreichend klar verstehen kann.

Die Zweideutigkeit, die Sie in (1) bei dem Bezug von wenigstens sehen, kann ich nicht erkennen. Das wenigstens kann sich nicht auf den Gesamtausdruck beziehen, denn dann wäre es überflüssig. Zweideutig ist allerdings, ob der Autor allgemeine oder nur wissenschaftliche Fachtexte behandelt. Das kann sich nur aus dem Zusammenhang ergeben.

Den Satz (1) wird jeder so verstehen, wie der ursprüngliche Satz offenbar gemeint ist, nämlich:

Das Präteritum kommt in naturwissenschaftlichen Fachtexten seltener vor. Gleiches gilt wahrscheinlich/vermutlich für andere (wissenschaftliche) Fachtexte.


Nun zu den stilistischen Feinheiten (von mir aus auch Spitzfindigkeiten):

In (1) zöge ich nach wie vor jedenfalls/mindestens vor.

In (2) halte ich den Ausdruck mag durch ... eher motiviert sein für ein typisches Beispiel des Nominalstils und des unnötigen Passivs.

Wenn ich Ihren Einwand zum unbekannten Zusammenhang berücksichtige, komme ich zu folgender Fassung:

(2a) Vor allem den erwachsene Benutzer mag ein solches Programm eher motivieren.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.05.2012 um 17.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20742

Der folgende Satz, den ich vor langer Zeit mal im Rheinischen Merkur gefunden habe, ist natürlich monströs gebaut, aber so unverständlich, wie man wegen der Länge der Subjektgruppe meinen sollte, ist er überraschenderweise nicht. Man liest das Ganze von vornherein wie eine Mängelliste und nickt gewissermaßen nach jedem Punkt mit dem Kopf. Der Stummelschwanz am Ende ist gar nicht mehr nötig:

Die Abweichung vom Programm der Sozialen Marktwirtschaft in den sechziger und siebziger Jahren, insbesondere die Zulassung einer immer stärker werden Unterbewertung der D-Mark bis 1973 mit allen damit verbundenen falschen Investitionssignalen und strukturkonservierenden Effekten, die Lahmlegung der Geldpolitik durch starre Wechselkurse und der damit verbundene Verlust der Konjunktursteuerung und Geldwertstabilität, die zunehmende Unternehmenskonzentration sowie zusätzlich in den siebziger Jahren die Erhöhung des Staatsanteils am Sozialprodukt und die damit verbundenen wachsenden Haushaltsdefizite, die Verringerung des Leistungsanreizesund das Wiederaufleben des staatlichen Interventionismus (z. B. in der Wohnungswirtschaft) sowie die zunehmende Subventionierung von Betrieben und Branchen, die in der marktwirtschaftlichen Entwicklung den Anbietern mit besseren Wachstumschancen Platz machen müßten, führten zur Halbierung des Wirtschaftswachstums.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 18.05.2012 um 20.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20743

Am Schluß müßte all das führte stehen, der Plural wirkt lächerlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2012 um 12.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20752

Ungeschickte Stellung findet man auch in Beispielen der folgenden Art:

Das ändert nichts daran, daß Börner sein Haus langfristig bestellt. (SZ 5.9.86)

Da es sich insgesamt um eine idiomatische Wendung handelt, sollte das Adverbial davor stehen:

Das ändert nichts daran, daß Börner langfristig sein Haus bestellt.

Denn von einem Haus ist ja in Wirklichkeit gar nicht die Rede. Man sagt ja auch: ... daß er sich nicht gern durch den Kakao ziehen läßt und nicht ... daß er sich durch den Kakao nicht gern ziehen läßt.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 20.05.2012 um 14.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20753

Wer mit Flüssigkeiten selbst fertigzuwerden gewohnt ist, läßt sich auch durch den Kakao nicht gern ziehen. Das ist natürlich an den Haaren herbeigezogen, aber sein Haus kann man doch ebenso wohl wie schlecht bestellen – warum nicht langfristig? (Wenn es das Wort „langfristig“ schon sein muß.)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.05.2012 um 15.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20754

Wenn die Lieferfrist eines Fertighauses gemeint ist: Natürlich kann man ein Haus kurzfristig oder langfristig bestellen, wenn das Geld erst beschafft werden muß.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2012 um 18.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20756

Nicht gut gebaut ist auch folgender Satz:

Die vom Kino verdorbene Phantasie kommt auf mehr als auf ihre Kosten. (FAZ 9.5.87)

Worauf kommt sie denn noch? Erste Reparatur: ... kommt auf ihre Kosten – und mehr als das.

(Aber man sollte die Großsprecherei überhaupt lassen, dann fallen manche Fehler weg.)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 20.05.2012 um 23.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20757

Warum nicht einfacher:

Die vom Kino verdorbene Phantasie kommt auf mehr als ihre Kosten

oder

... kommt mehr als auf ihre Kosten?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.05.2012 um 08.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20759

Das geht meiner Ansicht nach nicht, weil auf seine Kosten kommen eine idiomatische Wendung ist, aus der man das kommen nicht herauslösen kann, um dann zu überlegen, ob der Betreffende auch noch auf etwas anderes kommen kann.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 21.05.2012 um 23.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#20772

Ich bin da etwas anderer Meinung. Auf seine Kosten kommen ist doch eine leicht zu durchschauende Redewendung, die man daher leicht abwandeln kann.

Anders liegt es mit erstarrten Redewendung, die heute nicht mehr aus ihren Bestandteilen verstanden werden können, sondern nur noch als ganzes lexikalisiert sind.

An der "ersten Reparatur" ... kommt auf ihre Kosten – und mehr als das verwirrt mich etwas, daß man nicht sofort weiß, wie sich die Ergänzung nach dem Bindestrich zum vorangehenden Satz verhält. Hängt es auch von kommt auf ab? Von welchem Verb dann sonst? Und worauf bezieht sich das? Etwa auf ihre Kosten?

Ich vermute, daß die Ergänzung (als unvollständiger Satz) sich auf den ganzen vorhergehenden Satz beziehen soll. Vielleicht wäre es dann besser, zwei Sätze zu bilden: ... kommt auf ihre Kosten. Ja, mehr als das. Selbst dann scheint mir die Unklarheit aber nicht ganz beseitigt. Jedenfalls bleibt bei mir ein Unbehagen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2012 um 05.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#21721

Dass die Zumutung an Religion, als gesellschaftlicher Integrationsfaktor für Gesellschaften zu dienen, in Widerspruch zur Beobachtung steht, dass Religionen äußerst konfliktverstärkende Praktiken darstellen können, wird uns deutlich. (Christian Langenfeld/Irene Schneider (Hg.): Recht und Religion in Europa. Göttingen 2008:3)

Ich übersetze: Religion sollte die Gesellschaft zusammenhalten, in Wirklichkeit führt sie zu Streit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.10.2012 um 07.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#21734

Die Verbesserung mißlungener Sätze ist eine Sache, die Ergründung ihrer Mißlungenheit eine andere. Der zuletzt angeführte Satz fällt zunächst durch seinen mauseschwanzartigen Schluß auf (... nascetur ridiculus mus, wie der Gebildete sogleich assoziiert). Der Verfasser hat nämlich schon verkehrt angefangen: mit einem schwergewichtigen daß-Satz, der für die bloße Wiederaufnahme ungeeignet ist. Er gehört allenfalls an den Schluß, denn er enthält den Kern der Mitteilung. Dann aber ist auch die Hypotaxe ungeschickt: zwei daß-Sätze, als Subjekt und nochmals untergeordnet im Prädikat, das kann nicht gutgehen.
Solche theoretischen Überlegungen, die sich noch ausbauen ließen, kann man dem Sprecher selbst natürlich nicht zumuten. Er sollte sich einfach daran gewöhnen, immer so schnell wie möglich zur Sache zu kommen, insbesondere die umständlichen Einstiege zu scheuen wie die Pest. (Und nicht auf ein "valde laudabile" akademischer Gutachter zu lauern, die selber nicht schreiben können.)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 18.10.2012 um 23.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#21740

Unter den europäischen indogermanischen Sprachen ist die deutsche die einzige, bei der man wie im klassischen Latein (nicht im Vulgärlatein) erst das vollständige Satzgefüge lesen oder hören muß, um es zu verstehen und in eine andere Sprache übersetzen zu können. Für Simultanübersetzer und in der mündlichen Unterhaltung ist das ein sehr großes Hindernis. Deswegen wird im gesprochenen Deutsch oft anders formuliert, und das sollte auch im geschriebenen erlaubt werden gemäß dem Verfahren "schreib wie du sprichst".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.12.2012 um 13.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#22045

Einführung in den Sprachwandel des Deutschen

So ist ein neues Buch untertitelt. Das Deutsche ist die deutsche Sprache, deren Wandel wird dann ja wohl ein Sprachwandel sein. Das ist also doppelt gemoppelt.

Der Haupttitel heißt Deutsch diachron, auch so ein Schnickschnack. All diese vielen Bücher, die nun in Massen erscheinen, weil die Germanisten anscheinend nicht viel anderes mehr zustande bringen, könnten Geschichte der deutschen Sprache heißen. Aber dies wird nun unendlich variiert und immer absurder umschrieben. Verwechselbar bleiben die Bücher aber trotzdem.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.02.2014 um 06.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#25031

Ein Jurist, der scharf denkt und gut schreibt und den ich daher hier nicht namentlich nennen will, sagt in der FAZ (4.2.14):

Die verbreitete Neigung, für gewisse Annehmlichkeiten auch noch Grundrechtsschutz zu verlangen, ist verbreitet.

Man erkennt wieder einmal, wie wahr der Satz ist, der vielleicht auf Voltaire zurückgeht und von Eduard Engel zitiert und beherzigt wird: "Das Adjektiv ist der Feind des Substantivs.“ Er wird von den meisten großen Schriftstellern ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt. Nicht zu bestreiten ist auch Engels schlichte Feststellung: „Wir alle sprechen ja viel weniger Beiwörter, als wir schreiben.“ (Deutsche Stilkunst 1911:142) Willy Sanders läßt all dies weg und ruft aus: „Welch ein Hochmut, die drittgrößte Wortart der deutschen Sprache als durchweg unnützes, meist stilfeindliches Beiwerk abzutun!“ (Sprachkritikastereien. Darmstadt 1997:37) Der Anteil der Adjektive am Wortschatz hat nichts mit ihrer Zweckmäßigkeit in Texten zu tun; schon gar nicht ist es hochmütig, zum Einsparen von Adjektiven zu raten. Sanders selbst beweist es mit einem paränetisch erhobenen Zeigefinger. Das ist für die meisten unverständlich und für die Kenner doppelt gemoppelt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.06.2015 um 05.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#29227

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#25031:

Karl Kraus, ein extravaganter Sonderfall (Willy Sanders: Sprachkritikastereien. Darmstadt 1997:14)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2016 um 05.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#31265

Die überwiegende Mehrzahl aller 18 bis 30 Jährigen wünscht sich Kinder. (Tagesspiegel 11.1.16)

= Die meisten Menschen zwischen 18 und 30 wünschen sich Kinder.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2016 um 15.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#31277

Nachtrag zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#25031:

"Wie jedes Uebermaaß einer Einwirkung meistens das Gegentheil des Bezweckten herbeiführt; so dienen zwar Worte, Gedanken faßlich zu machen; jedoch auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Ueber diesen hinaus angehäuft, machen sie die mitzutheilenden Gedanken wieder dunkler und immer dunkler. Jenen Punkt zu treffen ist Aufgabe des Stils und Sache der Urtheilskraft: denn jedes überflüssige Wort wirkt seinem Zwecke gerade entgegen. In diesem Sinne sagt Voltaire: l’adjectif est l’ennemi du substantif." (Schopenhauer)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2018 um 15.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#38893

Wie ich sehe, ist zum Beispiel komplexes Geflecht tausendfach belegt. Man verdickt den Text durch Doppelmoppelung, verbirgt es vor sich selbst durch das Fremdwort. So läuft das unendlich oft und bereitet Verdruß. Es käme darauf an, eine gewisse Empfindlichkeit für diese kindische Wichtigtuerei zu entwickeln. "Das Adjektiv ist der Feind des Substantivs." (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1517#25031)
 
 

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