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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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20.03.2012
 

Festung Europa
Eurolinguistik als ideologische Aufrüstung

Aus den bescheidenen Anfängen einer Wirtschaftsgemeinschaft europäischer Staaten ist ein Staatenbund hervorgegangen, der trotz auseinanderstrebender Interessen und kritischer Phasen immer mehr als wirtschaftliche und politische Einheit handelt und von der übrigen Welt auch so wahrgenommen wird.
Spielte anfangs neben den wirtschaftlichen Interessen der Friedenswille eine Hauptrolle, so ist mit zunehmendem Abstand vom Zweiten Weltkrieg und dem Heranwachsen mehrerer Generationen ohne Kriegserfahrung das Bedürfnis entstanden, „Europa“ oder, wie man gern sagt, die „europäische Idee“ anders zu begründen. Neben die greifbaren Vorteile der europäischen Einigung – die erweiterten Wirtschafts- und Rechtsräume, die Durchlässigkeit der Grenzen, zuletzt auch die gemeinsame Währung usw. – treten Faktoren, die notwendigerweise eher ideologischer Art sind. Eine „europäisches Bewußtsein“ soll geschaffen werden, sogar ein „Stolz auf Europa“, der als nichtaggressive Variante des früheren Nationalstolzes gilt. Am häufigsten ist wohl von der „europäischen Identität“ die Rede, die entweder aufzuspüren und aus der Geschichte herzuleiten oder allererst zu schaffen sei. Partikularinteressen werden durch das Schlagwort „Europa der Regionen“ aufgefangen.
Dieses Programm hat auch in die Lehrpläne Eingang gefunden. Schon im Kindergarten singen die Jüngsten „Kleine Europäer“ von Rolf Zuckowski („Europa - Kinderland, wir geben uns die Hand“ usw.). Die „Herausbildung eines Europäischen Bewusstseins in der Schule“ ist Teil einer von der KMK festgelegten „Europabildung in der Schule“ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 8. 6.1978, erneuert am 5. 5. 2008). Aus einer Besinnung auf „ein gemeinsames historisches Erbe und eine gemeinsame kulturelle Tradition“ (KMK) soll irgendwie eine Verpflichtung hergeleitet werden. Die Frage, ob Frieden, Demokratie usw. überhaupt „Lernziele“ sein können, soll hier nicht weiter erörtert werden. Zwischen der „Besinnung“ auf gemeinsame Herkunft und der Verpflichtung auf gemeinsame Zukunftsaufgaben vermittelt oft noch der „Stolz auf Europa“.
Die Leitlinien der KMK begründen nicht, warum die Erziehung zu Demokratie, Menschenrechten, Toleranz usw. – eigentlich universale Ziele – auf Europa beschränkt sein soll. Die Besonderheit Europas wird vorausgesetzt. „Ziel der pädagogischen Arbeit an Schulen muss es sein, in den jungen Menschen das Bewusstsein einer europäischen Identität zu wecken und zu fördern.“ Aber nicht nur Europa „wächst zusammen“. Die Beteiligung außereuropäischer Unternehmen und Staaten an europäischen Firmen schreitet rasch voran. Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Politik sprechen in der ganzen Welt dieselbe Sprache (buchstäblich verstanden ein amerikanisch geprägtes Englisch; aber selbst in den Nationalsprachen entspricht dem eine einheitliche Begrifflichkeit), der Austausch des Personals kennt keine nationalen und kontinentalen Grenzen mehr. Auch die kulturellen „Mittlerorganisationen“ wie Goethe-Institut, Deutscher Akademischer Austauschdienst, Pädagogischer Austauschdienst und Alexander-von-Humboldt-Stiftung arbeiten weltweit und nicht auf Europa beschränkt. Für die Deutsche Forschungsgemeinschaft und ähnliche Einrichtungen gibt es ohnehin keine europäische Begrenzung. Man kann natürlich europäische Austausch- und Förderprogramme (COMENIUS u. a.) organisieren und aus entsprechenen Geldquellen finanzieren, aber das macht „Europa“ nicht zu einer mehr als organisatorischen Einheit.
Englisch ist zwar auch die Sprache Englands und Irlands, aber gelernt wird es als Weltsprache, nicht zuletzt als Sprache der USA. Nur dies erklärt seinen uneinholbaren Vorsprung vor allen anderen europäischen Sprachen.
Die Europa-Idee wird oft als Antwort auf die Globalisierung dargestellt. Daher rührt eine gewisser defensiver Ton mancher Argumente.
Es überrascht kaum, wenn auch die Sprachwissenschaft von dieser Entwicklung profitieren will. Projekte, die „Europa“ im Titel führen, dürfen auf Fördermittel hoffen wie sonst nur noch „Gender“-Studien. Am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim läuft seit Jahren ein Projekt „Deutsche Grammatik im europäischen Vergleich“. Deutsch wird mit Englisch, Französisch, Polnisch und Ungarisch verglichen, bei Bedarf auch mit den übrigen Sprachen Europas. Ein systematischer innerlinguistischer Grund für diese Auswahl ist nicht zu erkennen. In der Projektbeschreibung heißt es: „Das Projekt soll auch einen Beitrag zum europäischen Sprachbewusstsein und zur kulturellen Identität Europas leisten.“ Eine Fülle von Texten hat die sogenannte „Eurolinguistik“ hervorgebracht. Der Begriff wird auf Norbert Reiter (1991) zurückgeführt, der Slawist und und Balkanologe war; auch der Herausgeber des „Handbuchs der Eurolinguistik“, Uwe Hinrichs, ist in dieser Richtung spezialisiert – kein Zufall, denn eine der Grundlagen der Eurolinguistik ist die Sprachbundtheorie, die nach Vorläufern wie Hugo Schuchardt vor allem von Nikolai Trubetzkoy an Balkansprachen entwickelt wurde. Sie besagt, daß Sprachen nicht nur durch gemeinsame Herkunft und typologisch miteinander verwandt sein, sondern auch durch Sprachkontakt einander ähnlich werden können. Das geschieht heute sowohl grammatisch als auch insbesondere semantisch, aber eben gerade heute nicht nur in Europa, sondern weltweit.

Zu den Zielen der Eurolinguistik gehören nach Hinrichs (932):
Entwurf eines europäischen Sprachbundes
Primat der sprachlichen Gemeinsamkeiten (Konvergenz) vor den Unterschieden (Divergenz)
Förderung eine europäischen Bewusstseins
Forderung nach Institutionalisierung der Eurolinguistik in Europa

Es werden noch weitere Ziele dieser Art aufgezählt.
Daß die europäischen Sprachen einen Sprachbund bilden, wird also bereits zu den Voraussetzungen gerechnet. Der Vorrang der Gemeinsamkeiten vor den Unterschieden ist systematisch nicht gerechtfertigt, sondern vom Wunsch nach einem Beweis der Einheit geleitet.
Bildungs- und Fachsprachen greifen in unterschiedlichem Maße auf das lateinische und griechische Material zurück. Das sind zwar europäische Sprachen, aber der Begriff „Eurolatein“ (womit das Griechische gleich mitgemeint ist) ist dennoch irreführend, weil die wichtigste Vermittlungssprache, das Englische, eben schon längst keine rein europäische Sprache mehr ist.
Der Versuch, die europäischen Sprachen durch linguistische Merkmalskataloge als Einheit zu erweisen, hat bisher nicht zu überzeugenden Ergebnissen geführt.
Zu den europäischen Gemeinsamkeiten („Europemen“) sollen u. a. gehören:
Die Zahl der Phoneme liegt zwischen 10 und 110.
Die Zahl der Kasus liegt zwischen 0 und 30.
Indikativ, Imperativ und Konditional unterscheiden sich formal.
Nomen unterscheiden sich formal von Verben.

Damit ist praktisch nichts gesagt. Es gibt auf der Welt nur sehr wenige Sprachen, die mehr als 110 Phoneme haben („Natürliche menschliche Sprachen haben zwischen 10 und etwa 80 Phonemen. Pirahã ist dabei – nach allerdings umstrittenen Analysen – mit 10 Phonemen die phonemärmste Sprache der Welt, ǃXóõ mit 141 Phonemen die wohl reichste.“ Wiki s. v. Phonem)

Die Mindestzahl an Kasus ist 2, es scheint aber nach dem Postulat auch europäische Sprachen ohne Kasussystem zu geben, womit dieses Kriterium praktisch entfällt, denn es besagt nichts anderes, als daß es europäische Sprachen mit und ohne Kasus gibt – das ist aber bei den übrigen Sprachen der Welt ebenso.

(wird fortgesetzt)



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Kommentare zu »Festung Europa«
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.03.2012 um 00.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20274

Das absolut nicht Gemeinsame der indoeuropäischen Sprachen (über andere weiß ich nichts) sind die Präpositionen und ihr Gebrauch. Sie sind diejenigen Wörter, die man auf keinen Fall anhand von Wörterbüchern einfach übersetzen darf, vielmehr muß ihr Gebrauch für jede Sprache einzeln gelernt werden. Schwierig sind diejenigen Fälle, wo in manchen Sprachen gar keine Präposition benutzt wird und das "Verhältnis" durch eine Substantiv-Endung ausgedrückt wird wie in slawischen Sprachen.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 22.03.2012 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20276

Der Forschungsansatz ist sehr interessant und könnte sich als fruchtbar erweisen. Die Liste der Sprachgemeinsamkeiten läßt sich noch gut erweitern. So habe ich nach ausführlichen Studien festgestellt, daß alle europäischen Sprachen in ihrem Lautinventar Vokale und Konsonanten haben, außerdem können Konsonanten verbunden auftreten – Verzeihung: in Clustern.
Aber ernsthaft: Die europäische Sprachwissenschaft blühte auf, nachdem man die Verwandtschaft diverser europäischer Sprachen mit dem Sanskrit und dann auch mit dem Tocharischen entdeckt hatte. Was aber ist davon zu erwarten, krampfhaft Gemeinsamkeiten zwischen Deutsch und Ungarisch oder Finnisch zu suchen? Ob die Kasus der agglutinierenden Sprachen – auf diese bezieht sich wohl die Zahl von 30 – überhaupt so einfach mit denen unserer flektierenden Sprachen – maximal sechs bis acht – gleichzusetzen sind, wäre schon eher ein Thema. Aber vielleicht wird uns bald als sensationelle neue Erkenntnis präsentiert, daß der "Tollpatsch" weder toll ist noch herumpatscht, sondern aus dem Ungarischen stammt. Wenn er dann wieder als Tolpatsch geschrieben werden darf, hätte der ganze Quatsch sogar einen positiven Nutzen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.03.2012 um 15.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20278

Was ein Kasus überhaupt ist, ist wohl auch umstritten. 30 Stück? Ich würde dem Ungarischen nur Nom., Dat. (-nak/-nek) und Akk. (-t) zugestehen, nämlich diejenigen, die, so wie z. B. die deutschen und russischen Kasus, universeller verwendbar sind, d. h. mit verschiedenen Präpositionen, nicht nur in genau einer Bedeutung, oder die ohne präpositionale Bedeutung einfach nur direktes und indirektes Objekt anzeigen.

Die Endungen, die nur für eine ganz spezielle Bedeutung stehen, würde ich im Ungarischen Postpositionen nennen, nicht Kasus. Dazu kommt, daß diese Endungen ja auch als einzelnes Wort vorkommen, das macht ja sonst keine Kasusendung, z.B. steht die Endung -vel für die Postposition mit, aber es gibt auch velem, veled (mit mir, mit dir) usw. Man bezeichnet ja auch die Artikel in den nordgermanischen Sprachen nicht als Kasus, obwohl sie nur Endungen, keine selbständigen Wörter sind.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.03.2012 um 16.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20279

Dagegen spricht aber die Vokalharmonie, nicht wahr? Sie betrifft doch nur Suffixe, nicht Wörter. Ich lasse mich allerdings gern belehren, denn Ungarisch kann ich nicht.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.03.2012 um 18.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20280

Als Endung an Substantiven gibt es die Varianten -val und -vel (mit) zur Vokalharmonie, aber in Verbindung mit Pronomen nur vel- (velem, veled; velünk, ...). Ich weiß nicht, ob man daraus schließen kann, daß -val/-vel doch ein Kasus, keine Postposition ist.

Aber ich merke gerade, daß man dann das, was ich als eine Art Dativ betrachte, die Endung -nak/-nek, genauso von den Kasus ausnehmen müßte, denn auch da gibt es die Wörter nekem, neked, ... (mir, dir, ...). Es ist doch schwieriger, als ich dachte. Nur vom Gefühl her kann ich diese vielen, genau unseren Präpositionen entsprechenden Endungen nicht als Kasus ansehen. Kann sein, daß ich mich da irre.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 22.03.2012 um 18.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20281

Ich vermute auch, daß beim Vergleich der "Kasus"zahlen unsere Präpositionen mitgerechnet werden sollten. Ohnehin gibt es ja die begründete Tendenz, "Präpositionalkasus" in der Grammatik aufzuführen. Was die Vokalharmonie betrifft, gilt sie doch, soweit ich weiß, normalerweise für das ganze Wort. Vokale können nur in bestimmter Folge oder Kombination erscheinen. Es kann also nur einen talpas geben, keinen *tölpas. Auch *valünk müßte demnach ausgeschlossen sein. Im übrigen ist die Vokalharmonie ja ein Charakteristikum der agglutinierenden Sprachen und den flektierenden fremd. Auch hier also mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.03.2012 um 23.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20282

Es gibt auch im Ungarischen einige meist zweisilbige echte Postpositionen, also Verhältniswörter, die ebenso hinter dem Substantiv, aber getrennt davon stehen, z. B. után (nach), elött (vor). Viele können in gleicher Weise mit Pronominalendungen versehen werden, wie die einsilbigen, die mit dem Substantiv zusammen geschrieben werden. Es gibt also kaum einen Unterschied außer dem, daß die zusammen geschriebenen meistens in zwei Formen wegen der Vokalharmonie vorkommen, die echten aber nur einfach. Das scheint also wirklich ein wichtiges Unterscheidungsmittel zwischen Kasusendung und Postposition zu sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.03.2012 um 05.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20283

Eine gewisse Entsprechung zur Vokalharmonie der agglutinierenden Sprachen ist der Umlaut der flektierenden. Natürlich ist die Wirkungsrichtung gerade umgekehrt: antizipierend statt perseverierend (retrograd/anterograd). Es ist auch klar, daß der Umlaut teilweise historisch ist und nicht mehr die wirksame Mechanik der Vokalharmonie hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.03.2012 um 06.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20284

Der ideologische Charakter der Eurolinguistik kommt wohl am deutlichsten im "Pushkin-Manifest" zum Ausdruck:

Die Pushkin-Thesen
(formuliert im Zusammenhang mit dem 2. Internationalen Symposium über Eurolinguistik im September 1999 in Pushkin, Russland)

A. Multilingualismus im Zentrum der Forschung und Multilingualismus als Faktor der Glottogenese in der Eurolinguistik
These 1: Ausgehend von der Überzeugung, daß der Mensch mit einer faculté du langage geboren ist, die nicht monolingualer, sondern multilingualer Natur ist, stellt die Eurolinguistik das mehrsprachige Individuum ins Zentrum der Forschung.
These 2: Im Fokus der Eurolinguistik steht linguistische und kulturelle Divergenz oder Konvergenz, die durch den Einfluß von Mehrsprachigkeit entstanden ist.

B. Kontakttypologien und Netzwerke von Sprachkontakten
These 3: Die Beschreibung der historischen und heutigen Kontakttypologien der europäischen Sprachen ist eine dringende Aufgabe der Eurolinguistik.
These 4: Die zugrundeliegenden historischen, politischen, sozialen und ökonomischen Faktoren solcher Kontakttypologien sind für die Beschreibung der binneneuropäischen und außereuropäischen Einflüsse auf die Sprachen Europas unentbehrlich.

C. Gemeinsame sprachliche Charakteristika (Europäismen) als Spiegel der Kontaktmuster
These 5: Deshalb sind die gemeinsamen linguistischen Charakteristika der europäischen Sprachen zu beschreiben, die durch Kontakte der europäischen Völker untereinander im Laufe der Jahrhunderte durch Mischung entstanden sind.
These 6: Das gemeinsame europäische Erbe, das diesen Charakteristika (Europäismen) zu Grunde liegt, soll der Allgemeinheit explizit zugänglich gemacht werden.

D. Europäismen, europäische Gemeinsamkeit und Identität
These 7: Eine solche Sichtweise der gemeinsamen linguistischen und kulturellen Grundlagen der europäischen Sprachen wird ein Gefühl von europäischem Zusammenhalt entstehen lassen.
These 8: Ein solches europäisches Zusammengehörigkeitsgefühl von der Antike bis zur Moderne wird bei der Schaffung einer europäischen Identität behilflich sein, die auch heute unter der jüngeren Generation noch fehlt.

E. Eurolinguistik, Nationalismus, nationale Weltbilder und Diskriminierung
These 9: Die Eurolinguistik wird zu einer Disziplin werden, die nationalistischen Tendenzen in der Sprachwissenschaft entgegenwirkt und die Ausbildungspolitik der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beim Auflösen vorurteilsbeladener nationaler Weltbilder unterstützt.
These 10: Ein Gefühl einer europäischen Identität, das durch die Überzeugung von einem europäischen Erbe begründet ist, wird helfen, das Heranwachsen radikaler nationaler Bewegungen und ethnische Diskriminierung zu verhindern.

F. Eurolinguistik, weniger verbreitete Sprachen und Sprachengleichheit
These 11: Indem sie die Erforschung der europäischen Minderheitensprachen in Vergangenheit und Gegenwart unterstützt, unterstützt die Eurolinguistik auch die Gleichberechtigung der weniger verbreiteten Sprachen sowie ihre unverzichtbaren Rechte bei der Sprachenverwendung in allen Domänen.
These 12: Mit ihrem europaweiten Programm wird die Eurolinguistik das Verständnis der inneren Gründe der kulturellen, religiösen und politischen Konflikte zwischen den größeren Sprachen wie auch zwischen den großen und den Minderheitensprachen in Europa fördern, womit sie einen Beitrag zur Friedensforschung leisten wird (siehe auch die Europäische Charta der regionalen und Minderheitensprachen von 1992).

G. Europäistik als ein Fach in der Ausbildung
These 13: Eurolinguistik ist ein integrierter Teil einer neuen interdisziplinären Ausrichtung der Europäistik mit dem Ziel, von der Grundschule bis hin zur Universität ein Europa-orientiertes Programm zur Ausbildung junger Europäer zu fördern.

H. Migration und Europäisierung
These 14: Die Eurolinguistik wird auch ein notwendiges mehrsprachiges Programm für die Förderung der Ausbildung der Gastarbeiter und Flüchtlinge mit ihren Kindern beinhalten, die durch lange Perioden der Abwesenheit von ihren Heimatländern zu zweisprachigen Europäern herangewachsen sind.

I. Eurolinguistik und Globalisierung – europäische Sprachen weltweit
These 15: Die Gründung einer internationalen Basis für die Eurolinguistik wird als Beispiel für ein globales Szenario wirken, wobei Englisch world-wide, Spanisch world-wide, Französisch world-wide (Frankophonie), Russisch world-wide etc. eingeschlossen sind.
These 16: Die Kontakte der ehemaligen Kolonialsprachen in Übersee haben neue Pidgin- und Kreolsprachen geschaffen und als Katalysator für die technische, ökonomische und kulturelle Entwicklung außerhalb Europas und auf anderen Kontinenten gewirkt.
These 17: Deshalb ist die Eurolinguistik eine Angelegenheit nicht nur Europas, sondern einer Weltzivilisation in ihrer Funktion als linguistischer Innovator für außereuropäische Sprachen.

J. Eurolinguistische Initiativen für eine europaweite Ausrichtung
These 18: Die Mitglieder des Pushkin-Symposiums unterstützen den ELAMA in seinen Bemühungen um eine europaweite Ausrichtung von Forschung und Organisationen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in anderen europäischen Ländern.
These 19: In europäischen Ländern, wo solche Projekte und Institutionen nicht existieren und wo die Assimilierung von Immigrantenminderheiten eine wichtige Frage ist, sollten Forschungsprojekte und eventuell ganze Forschungszentren für Multilingualismus und Eurolinguistik gegründet werden, damit - besonders bei der jüngeren Generation von Immigranten, Gastarbeitern und Asylanten - ein Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht, das uns Europa als unsere Heimat erleben lässt,.
These 20: Die Mitglieder des Pushkin-Symposiums fordern alle offiziellen und privaten Organisationen auf, eurolinguistische Aktivitäten in allen Ländern zu unterstützen, und fordern Privatpersonen auf, eurolinguistischen Vereinen beizutreten.



Soweit die Thesen. Natürlich geht es letzten Endes um Geld und Beschäftigung für Linguisten, denen irgendwie der Stoff ausgegangen ist und die deshalb bekanntes Wissen in immer neuen Handbüchern unter neuen Titeln zusammenstellen. Hoffentlich fällt die Politik darauf nicht rein und geht etwas sparsamer mit Steuermitteln um.

(Erstaunlich ist die Übernahme des Schlagwortes "Friedensforschung". Das klang schon damals etwas veraltet, auch weil inzwischen "Frauenforschung" und dann "Gender" die Geldströme auf sich gezogen hatte. "Europa" gehört auch in diese Reihe.)

"... ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das uns Europa als unsere Heimat erleben lässt" – was soll man dazu sagen? Was soll Mr. Anshu Jain dazu sagen?

Übrigens wissen die Europa-Ideologen wohl tatsächlich nicht, wie sehr sie auf Oswald Spenglers Spuren wandeln, wenn sie die "kulturelle Physiognomie Europas" (heute meist "Identität") herauszupräparieren versuchen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.03.2012 um 07.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20285

Das Pushkin-Manifest wird vom Eurolinguisten Sture Ureland erläutert. Der Text steht in einem Sammelband von Uwe Hinrichs (Die europäischen Sprachen auf dem Wege zum analytischen Sprachtyp. Wiesbaden 2004), man kann ihn aber bequemer hier nachlesen:
www.linguistik-online.de/1_01/Ureland.html

Zum Mannheimer Arbeitskreis dann weiter hier:
www.elama.de/pdf/Newsletter_5_2009.pdf

Übrigens ist das Bild, das Ureland von den in Deutschland betriebenen "Nationalphilologien" entwirft, ziemlich verzerrt. Hier in Erlangen haben z. B. die Romanistik (Forschungsschwerpunkt u. a. Kreolistik) und Anglistik keinen so engen Horizont, allerdings sind sie aus sachlichen Gründen auch nicht auf Europa fixiert.

Ausländerfeindliche Ausschreitungen in Deutschland auf eine Vernachlässigung der Eurolinguistik zurückzuführen ist sehr gewagt, um das mindeste zu sagen. Der vermeintlich gute Zweck scheint auch die unsaubersten Argumentationen zu rechtfertigen, aber wer für Wissenschaftsförderung wirbt, sollte sich seine Worte genauer überlegen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.03.2012 um 16.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20286

Ein sonderbares Buch aus dem Kreis der Eurolinguisten ist dieses:

Joachim Grzega: EuroLinguistischer Parcours. Kernwissen zur europäischen Sprachkultur. Frankfurt:IKO – Verlag für Interkulturelle Kommunikation. 2006.

Grzega unterscheidet ungefähr 8 Kulturräume oder -kreise, darunter die drei westlichen: Europa, Nordamerika, Lateinamerika. „Die Basis der drei westlichen Kulturräume sind das auf dem jüdischen Glauben fundierte Christentum (mit dem Alten und Neuen Testament) sowie die griechische und vor allem die römische Antike (mit der Demokratie und dem Rechtsstaat als Erbe) sowie das germanische Element.“ (6)
Das lateinische Alphabet ist auch ein Kriterium.
„Nicht mehr eindeutig zu diesem (europäischen) Kulturkreis gehören Griechenland und Zypern und auch Island. Auch die Ukraine und Rumänien gehören nur in jeweils einem westlichen Streifen des Landes der westlichen Streifen des Landes der westeuropäischen Kultur an.“ (7)
(„Westeuropäisch“ und „europäisch“ benutzt Grzega gleichbedeutend.)
Kroatien gehört dazu, Serbien nicht, dieses gehört vielmehr zum „slawisch-orthodoxen Kulturkreis“.



Man schüttelt beim Lesen oft den Kopf wegen naiver und verdrehter Behauptungen über die europäische Geschichte (in der übrigens Glaubenskriege, Ketzer- und Judenverfolgungen nicht vorkommen, weil sie das harmonistisch-fromme Bild stören würden). Zwischendurch so etwas: „die Araber, die ihre Zeitrechnung mit Mohammeds Flucht nach Mekka beginnen lassen“ (15)

Besonders gegen Ende wird das Buch immer mehr zu einer Friedenspredigt. Aber bis dahin dürften die meisten Leser nicht kommen.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 23.03.2012 um 17.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20287

Historisch entspricht der Umlaut durchaus der Vokalharmonie als euphonische Erscheinung. Im Unterschied zu dieser wurde unser Umlaut aber irgendwann beim Übergang vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen phonemisiert. Als wegen des Endsilbenverfalls hoher und höher sich nur noch im Umlaut unterschieden und auch kein lautlicher Grund mehr für die Umlautung erkennbar war (also keine Folgesilbe mit i), wurden die Umlaute, bis dato nur lautliche Varianten, zu eigenen Phonemen, also bedeutungsunterscheidend, und breiteten sich immer mehr im Paradigma aus. So haben wir heute die Bachen an den Bächen, Ofen und Öfen, können zwischen Straußen und Sträußen unterscheiden usw. usf. Der Umlaut ordnete sich damit in das altbekannte (und immer noch wirksame!) Ablautsystem ein: lesen – lasen – läsen, oder noch ganz frisch: brauchte – bräuchte. Damit betont er noch einmal den Strukturunterschied zwischen den Sprachen.

Die agglutinierende Flexionsendung tritt als eigenständiges Sprachelement an einen Wortstamm, der phonematisch unveränderlich ist. (Der im Finnischen vorkommende Stufenwechsel ist wieder rein phonologisch: kirkko, aber kirkossa mit einfachem k, weil -kos- eine geschlossene Silbe ist.) Unsere Flexionsformen aber bilden, allen Bemühungen der Grammatiker, Stamm und Endung zu unterscheiden, zum Trotz, immer eine Einheit. (Bezeichnend die verzweifelt-zirkulären Auslassungen in den Schulgrammatiken: "Man findet den Stamm, indem man vom Genitiv Plural die Endung abstreicht." Aber was ist die Endung? Das, was an den Stamm antritt!) Flexionsendungen, soweit überhaupt erkennbar, haben keine eigenständige Bedeutung (es gibt kein Wort *rum im Lateinischen, nur amicorum, amicarum etc., und bei generum gehört das r schon wieder zum Stamm). Der Wortstamm kann mannigfache Veränderungen erleiden, nicht nur im Deutschen:
engl.: goose – geese
franz.: oil – yeux
russ.: drug, drúga – drusjá
lat.: genus – generis
In der Art der Wortbildung stehen sich Deutsch und Arabisch wesentlich näher als Deutsch und Ungarisch!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.03.2012 um 17.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20310

Im Handbuch der Eurolinguistik schreibt Harald Haarmann:

„Die interdisziplinäre Forschung, die sich auf Europa und seine Sprachenvielfalt konzentriert, läuft Gefahr, sich im Selbstzweck zu verlieren, falls sie keine Verankerung in den gesellschaftspolitischen Prozessen unserer Zeit findet. Der wichtigste dieser Prozesse ist wohl die politische Intergrationsbewegung der Europäischen Union.“ (43)

Von anderen Wissenschaften verlangt man keine solche Zweckbindung. Aber Eurolinguistik wäre in der Tat rein wissenschaftlich nicht zu definieren, insofern ist das Eingeständnis, einer Bindung an politische Interessen zu bedürfen, durchaus gerechtfertigt.

Es folgt ein ziemlich unlogischer Satz:

Mehr als die Hälfte der Länder Europas sind Mitgliedstaaten der Union; das sind 27 von insgesamt 44.

Es müßte heißen:

27 von insgesamt 44 Ländern Europas sind Mitgliedstaaten der Union; das ist mehr als die Hälfte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.04.2012 um 07.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20358

Zum Thema Antiamerikanismus (als Spielart der Europa-Ideologie) könnte man einen eigenen Strang aufmachen. Hier nur eine kleine Beobachtung: Eine subtile sprachliche Technik, mit der sich eine gewisse Abneigung gegen die USA ausdrücken läßt, ist der Wechsel ins Englische. So habe ich einmal im selben Aufsatz gelesen: „middle-class-Standard“, „one-world-Mentalität“ – da weiß man doch gleich, wo es langgeht. Die Rede vom "American way of life" ist wohl auch nie empfehlend gemeint.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.04.2012 um 13.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20486

Nehmen wir mal die Schweden. Leider bin ich nie in Schweden gewesen. Aber die Sprachwissenschaftlerin Els Oksaar, die sich gut auskennt (und ihre Kinder, nebenbei bemerkt, viersprachig erzogen hat), berichtet irgendwo, daß man in Schweden nicht grüßt, wenn man ein Wartezimmer betritt. Anderswo habe ich gelesen, daß man, wenn man seine Gäste verabschiedet hat, zwar noch bis zur Haustür mitgeht, aber kein Wort mehr mit ihnen wechselt. Kennt jemand sich da näher aus?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.06.2012 um 09.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20845

Ein Lösungsvorschlag zur Sprachenpolitik lautet ungefähr, der großen Mehrheit der Deutschen ein „ordentliches, regelgerechtes, auf das Notwendige reduziertes Englisch“ beizubringen (Werbung für Oliver Baer: Von Babylon nach Globylon, ähnlich auch Grzega). Das klingt ganz gut. Dummerweise kann man damit keine englische Zeitung lesen.

Ich lese, wenn ich von der Tageszeitung absehe, viel mehr englisch als deutsch, aber fast nur Fachliteratur. Dazu brauche ich kein Wörterbuch. Aber englische Zeitungen sind, wie wohl alle Zeitungen, voller Idiomatik und Anspielungen und daher doch recht schwer zu lesen. Schon vor vielen Jahren haben mir ausländische Germanisten gesagt, daß der SPIEGEL – für uns ja eher leichte Wartezimmerlektüre – für Nichtdeutsche doch ziemlich schwer ist.

Ich kann mit viel Nachschlagen ein chinesisches Kinderbuch entziffern, aber die Zeitung ist mir entschieden zu schwer. (Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf...)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.12.2012 um 04.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#22125

Vor zwei Jahren habe ich einen Aufsatz heruntergeladen, der seither eine Menge Kommentare hervorgerufen hat und meiner Ansicht nach jeden interessieren sollte, der sich über "Interkulturelles" Gedanken macht:

http://www2.psych.ubc.ca/~henrich/pdfs/WeirdPeople.pdf

Von den vielen Kommentaren sei nur dies erwähnt:

http://neuroanthropology.net/2010/07/10/we-agree-its-weird-but-is-it-weird-enough/
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2013 um 14.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#22698

Gauck will Englisch als europäische Verkehrssprache. Das kommt sowieso. Außerdem fordert er ein europäisches Fernsehen. Kaum ist die Haushaltsabgabe eingeführt, steht schon ihre Erhöhung an. Zum Glück werde ich dafür nicht zahlen müssen, das macht ja mein Haushalt (laut Kirchhof). "Es müsste nach Auffassung des Bundespräsidenten 'zum Beispiel Reportagen geben über Firmengründer in Polen, junge Arbeitslose in Spanien oder Familienförderung in Dänemark'." – Für solche Reportagen würde ich mir natürlich auch gleich einen Fernseher anschaffen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.02.2013 um 15.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#22700

Englisch als europäische Verkehrssprache ist ja völlig in Odnung, wenn es wirklich Englisch ist und nicht das in Mode gekommene Amerikanisch.
Aber es wird zwei europäische Verkehrssprachen geben: Wer auf Arbeit in Deutschland hofft, muß Deutsch lernen; und das werden immer mehr innerhalb der EU; als nächstes Land ist Kroatien dran, aus dem früher sehr viele fleißige Leute nach Deutschland kamen und wieder kommen werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.12.2013 um 07.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#24519

Warum muß es britisches Englisch sein und nicht amerikanisches? Und wer auf Hartz IV in Deutschland hofft, braucht kein Deutsch zu lernen. (Vgl. jüngsten Richterspruch.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.12.2013 um 07.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#24520

Am früheren Deutschen Institut für Ausländer in Berlin, wo alle ausländischen Studienbewerber Deutsch lernten, wurden in 8 Wochen 2500 Wörter vermittelt, in 4 Kursen 8000 Wörter. Das berichtet der damalige Leiter Walter Weber (der auch eine sehr gescheite "Methodik" hinterlassen hat). Das sind phantastische Werte, aber es gibt keinen Grund, an ihrer Glaubhaftigkeit zu zweifeln.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.01.2014 um 15.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#24893

Zur Zeit wird aus gegebenem Anlaß Michael Krüger oft erwähnt. Dazu eine kleine Anekdote: Vor vielen Jahren, während einer Tagung zu irgendeinem sprachpolitischen Thema, meldete sich auch Krüger zu Wort und sprach von "kleinen Sprachen wie Portugiesisch". Einige sahen einander an, Murmeln kam auf, dann Gelächter. Krüger stutzte, bis jemand ihm "Brasilien" zurief. Unter allgemeiner Heiterkeit korrigierte er sich.
Portugiesisch hat den 5. oder 6. Platz unter den meistgesprochenen Muttersprachen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.03.2014 um 13.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#25307

Wegen der Schelllackplatten hatte ich schon mal zitiert:

Hans Jürgen Heringer: Interkulturelle Kommunikation. Tübingen 2004

Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=979#14553

Das Buch bringt nach einer umfangreichen konventionellen Einleitung über Zeichen, Kommunikation usw. viel Populärwissenschaftliches über interkulturelle Mißverständnisse, Watzlawick, Schegloff, Searle usw. Alles nicht überprüfbar und ziemlich wertlos.

In den asiatischen Ländern darf man sich bei Tisch nicht „schnäuzen“, das ist bekannt, wird hier aber breit mit einer mehrseitigen Bilderserie erörtert.

Vom Schneuzen in anderen Ländern wird ja viel Aufhebens gemacht, fast so viel wie von der bekannten Ja/Nein-Gestik. Viel mehr wissen die Interkulturellen nicht zu sagen. Nun, das läuft sich tot, es ist nur ein Modethema. Einstweilen müssen wir die Flut von interkulturellen Ratgebern über uns ergehen lassen. Bloß nicht kaufen!

Ich kenne mich mit unseren Benimmbüchern nicht aus, aber ich glaube, daß man sich auch hierzulande tunlichst nicht bei Tisch schneuzt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.09.2014 um 06.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#26639

Nach einer Beobachtung von Wilhelm Havers werden die Ansichten und Redeweisen der Menschen einander immer ähnlicher, je höher ihr Bildungsgrad ist. Interessanter Gesichtspunkt. Die Mathematiken sind in verschiedenen Regionen mehr oder weniger unabhängig entstanden, lösen sich aber überall von den kulturellen Prägungen und nähern sich der Sache selbst. Ein deutscher Mathematiker hat keine Probleme mit chinesischer oder Maya-Mathematik. Er erkennt auch, daß es überhaupt nicht wichtig ist, ob im Dual-, Dezimal- oder Sexagesimalsystem gerechnet wird. Auch Logiker können sich gut verständigen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.09.2014 um 13.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#26640

Und weniger gebildete Leute reden in immer gleichen vorgefertigten Textbausteinen. Man weiß schon vorher, welche Ausdrücke kommen werden. Es ist wie bei den Ansagen-Automaten der S-Bahn.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.01.2015 um 04.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#27830

Ich frage mich, welche Auswirkungen die islamischen Ausschreitungen auf die Frankophonie haben werden, die ja von Frankreich hochgehalten und auch ideologisch überhöht wird.
Wird VW eines seiner Fahrzeuge noch "Touareg" nennen können, oder wird man eine Verschiebung in der Benennung von Automarken beobachten, künftig ohne exotische Anklänge an den nordafrikanisch-muslimischen Raum? Die Dakar-Rallye ist ja aus den bekannten Gründen bereits nach Südamerika verlegt worden, heißt aber paradoxerweise immer noch so – als ständiges Mahnmal gewissermaßen.
Wer würde ein Auto der Marke "Ebola" kaufen? Oder seine Tochter so nennen?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 18.01.2015 um 05.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#27833

Das Französische wird immer unwichtiger, weil sich die frankophonen Länder in den letzten 50 Jahren unterdurchschnittlich entwickelt haben und daher in der Welt eine immer geringere Rolle spielen. In einigen dieser Länder – Libanon, Algerien – waren religiös motivierte Konflikte am Niedergang beteiligt. Beirut war einmal die frankophone Drehscheibe für die ganze Region.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.04.2015 um 05.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#28619

Die Kosten der Mehrsprachigkeit werden oft übertrieben dargestellt. Der gesamte Sprachendienst der EU kostet etwa zwei Euro pro Einwohner jährlich. Dagegen würde wohl keiner auf die Straße gehen, wenn er es erführe.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.05.2015 um 05.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#28743

Zu den komischen Seiten an Paul Watzlawick und anderen Vertretern dieser "Kommunikationswissenschaft" gehört ja, daß sie ihre windigen psychotherapeutischen Ratschläge auch auf die Politik ausdehnen, vor allem internationale Konflikte. Hierher gehört auch die Bestseller-Autorin Deborah Tannen:

"Das Schicksal der Welt hängt vom Erfolg interkultureller Kommunikation ab. Völker müssen sich verständigen und Abkommen schließen, und diese Abkommen werden von einzelnen nationalen Regierungen geschlossen, die sich zusammensetzen und miteinander reden – die öffentlichen Analogien privater Gespräche. Die dabei ablaufenden Prozesse sind dieselben und die Gefahren auch. Nur die möglichen Folgen sind schlimmer." (Deborah Tannen: Das hab' ich nicht gesagt. Hamburg 1992:51)

Für Wirtschaftsinteressen usw. haben diese Weltverbesserer keinen Sinn.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.06.2015 um 04.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#29242

Wir sind ja alle sehr fürs Interkulturelle, aber es gibt Grenzen:

"Es ist ein Fleisch-Fest, bei dem sich einem der Magen umdreht. Rund um die Sonnenwende treffen sich im chinesischen Yulin wieder Tausende Menschen, um Hunde und Katzen zu essen." (Berliner Kurier 23.6.15)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.08.2015 um 04.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#29672

Natürlich zählt – mit Ausnahme Irlands – die englischsprachige Welt nicht zu den Euro-Gläubigern Griechenlands, aber sie ist über den IWF involviert, und die Meinung der angelsächsischen Welt zählt auf den internationalen Märkten und bei den Denkfabriken. Will man mit seiner Stimme Gehör finden, muss man in der englischen Debatte um den Euro mitmischen. Das tut Deutschland nicht.
Dabei könnten es die Deutschen mit den ständig nörgelnden amerikanischen Ökonomen und den britischen Zeitungen auf deren Territorium aufnehmen und englischsprachige Repliken veröffentlichen. Stattdessen quengeln sie, dass niemand sie verstehe – und zwar in deutschsprachigen Artikeln, die im Ausland keiner liest. Was die Euro-Diskussion angeht, ist der deutschen Regierung die Außendarstellung offensichtlich sehr viel weniger wichtig als der Wunsch, die innenpolitische Stimmung zu steuern. Deutschlands Führung ist viel zu sehr damit beschäftigt, kurzfristige Taktiken zu entwerfen, als dass sie Zeit hätte, ihre langfristige Strategie für Europa darzulegen – so es denn überhaupt eine gibt.
(Der Ire Derek Scally in ZEIT 7.8.15)

Was nicht auf englisch gesagt wird, ist so gut wie nicht gesagt. Darauf läuft es hinaus. Damit ist wieder die alte Frage nach der europäischen Sprachenpolitik aufgeworfen. Man muß zweierlei auseinanderhalten: Niemand kann alle europäischen Sprachen beherrschen, und es ist ärgerlich, eine litauische oder ungarische Verlautbarung ohne Übersetzung diskutieren zu müssen. Andererseits gibt es immer noch die Amts- und Arbeitssprachen der somit privilegierten "Großen", die allerdings de facto weitgehend zugunsten des Englischen aufgegeben werden. Die Franzosen würden sich die Aufforderung, gefälligst englisch zu reden, nicht ohne weiteres gefallen lassen, aber in Wirklichkeit tun sie es wohl auch mehr und mehr.
Eine andere Frage ist, ob der deutsche Standpunkt in der Griechenlandkrise aus sprachlichen Gründen nicht verstanden wird oder wenig Sympathie findet. Ich glaube das nicht. Den Angelsachsen ist die deutsche Politik nur zu klar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.09.2015 um 09.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#30139

Zu dem Vorfall vor einigen Tagen, als ein Imam ihr den Handschlag verweigerte, erklärte Klöckner gegenüber der "Bild": „Ein Vorstandsmitglied der Moscheegemeinde hat mich jetzt angerufen, sich entschuldigt. Eine gute Geste.“ Das Denken, das hinter der Verweigerung eines Handschlags an Frauen stecke, könne man aber „nicht hinnehmen“. (focus.de 28.9.15)

Kein guter Anlaß. Zum interkulturellen Einmaleins gehört die Kenntnis, daß der Handschlag erstens nicht überall und zweitens nicht überall zwischen Mann und Frau üblich ist. Da braucht man gar nicht erst bis zum Denken, das vielleicht dahintersteckt, vorzudringen. Auch liegt das Begrüßungsritual weit diesseits des rechtlich Relevanten; da vergibt man sich nichts, wenn man die Beschränkungen anderer Leute respektiert.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.10.2015 um 12.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#30210

In der Jubelpresse werden die »Flüchtlinge« jetzt zu »Zuwanderern«. Es muß also bereits zwischen Angela Merkel und Friede Springer verabredet worden sein, daß sie alle bleiben sollen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2015 um 10.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#30528

Bei den Integrationskursen steht „Wertevermittlung“ auf dem Programm. Bei „Rechtskunde“ wäre klarer, was eigentlich zu tun ist.

Das Getue mit den "Werten" lenkt davon ab, daß wir in einer Rechtsgemeinschaft und nicht in einer Wertegemeinschaft leben. Nur deshalb kann immer noch über die törichte Handschlag-Geschichte diskutiert werden. Ich würde Frau Klöckner, so ungebildet sie ist, vielleicht die Hand geben, aber für Küßchenrechts-Küßchenlinks bin ich nicht zu haben, auch wenn dieser Brauch fast in ganz Europa eingerissen ist. Bin ich frauenfeindlich? (Fragen Sie meine!)
Die Inder geben uns, wie schon gesagt, aus bestimmten Gründen nicht gern die Hand, aber ich habe den indischen Gruß auch immer als sehr angenehm empfunden; er sieht auch gut aus, ganz ohne Körperberührung.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 10.11.2015 um 12.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#30530

Unsere "Rechtsgemeinschaft":

http://justizalltag-justizskandale.info/?p=3504#comment-13656
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2015 um 15.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#30531

Wenn der Link ein Einwand sein soll: Justizkritik widerlegt die Annahme einer Rechtsgemeinschaft nicht, sondern setzt sie voraus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.12.2015 um 06.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#30821

„Und was orthodoxe Juden betrifft, die Frauen auch nicht die Hand geben: Damit habe ich auch ein Problem. Eine solche Haltung passt nicht in unsere aufgeklärte Gesellschaft.“ (Julia Klöckner im Interview, FAZ 10.12.15)

Was hat das Händeschütteln mit der Aufklärung zu tun? Wenn es ums Händewaschen ginge, könnte ich es eher nachvollziehen als diesen seltsamen Kontrektationstrieb.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.01.2016 um 05.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#31115

„Wenn es die Politik ernst meint mit der Beteuerung, dass unsere Werte und Gesetze anerkannt werden müssen, dann darf nicht toleriert werden, wenn Männer sich aus Glaubensgründen weigern, einer Frau die Hand zu geben oder Essen von ihr in Empfang zu nehmen.“ (Herausgeber Holger Steltzner in FAZ 2.1.16)

Man sieht, wohin die Öffnung zu den „Werten“ neben den Gesetzen führt. Man sieht leider nicht, wo da eine Grenze sein soll. Es ist Steltzners persönlicher Geschmack, daß alle Männer Frauen die Hand geben müssen (oder es wenigstens nicht „aus Glaubensgründen“ verweigern). Aber das kann die „Politik“ nicht verlangen, es hat auch nichts mit der grundgesetzlich gebotenen Gleichberechtigung zu tun. Den „Werten“ entspricht ein vager, nicht auf Rechtsbeschränkungen bezogener Begriff von „Diskriminierung“ im weiteren Text. Komischerweise steht das alles in derselben Zeitung, die ebenfalls im Wirtschaftsteil unablässig gegen die Frauenquote polemisiert.

(Was ist eigentlich mit Frauen, die sich weigern, Männern die Hand zu geben?)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.01.2016 um 06.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#31122

Wenn morgen die Welt untergeht, muß heute noch die letzte Hand geschüttelt werden. In der heutigen FAS kommt Frau Klöckner wieder darauf zurück, es scheint ihr wirklich sehr wichtig zu sein, daß muslimische Männer ihr die Hand geben.

Die FAZ berichtete schon vor einiger Zeit aus Hessen:

Die Landesregierung hat zur Einschulung daran erinnert, wie wichtig es ist, dass Lehrer und Eltern, aber auch Eltern untereinander im Sinne der Kinder zusammenarbeiten. „Hand in Hand“, sagte der Kultusminister. Das geht nicht, wenn ein Handschlag verweigert wird (...). (FAZ 9.9.15)

Die Begründung mit der Redensart ist wenigstens mal originell.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.01.2016 um 06.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#31156

Inzwischen hat ja Frau Klöckner die Flüchtlinge auch noch mit Rosinen verglichen, was sicher nicht korrekt ist.
Mal im Ernst: Kann man den Unternehmen vorwerfen, daß sie nur Leute einstellen, die sie auch gebrauchen können, und den Rest dem Staat überlassen? Unternehmen haben wirtschaftliche Ziele, sie müssen Geld verdienen und sind keine karitativen Einrichtungen. Schon die Frauenquote ist eine nicht-ökonomische Zielsetzung, die von den Unternehmen mit einigen Verrenkungen gerade noch geschultert werden kann. Die Belastbarkeit der Wirtschaft zu testen war bisher auch keine Spezialität der Unionsparteien.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.01.2016 um 12.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#31161

"Kontingente, Obergrenze ... Rückführung, Reduzierung – da können wir jetzt Sprachwissenschaftler einsetzen, die uns genau den Unterschied erläutern."

Das ist ein Mißverständnis. Sprachwissenschaftler stellen empirisch den Gebrauch fest, aber hier geht es um rechtlich definierte oder zu definierende Begriffe. Daher sollte Seehofer sich an seine Juristen halten.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 05.01.2016 um 17.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#31163

Lieber Prof. Ickler,

Sie hatten doch den Chefvolkswirt von (ausgerechnet) der Deutschen Bank zitiert, der in lauter Jubelgeschrei über eine Million oder mehr Flüchtlinge ausgebrochen ist: „Die Flüchtlinge sind das Beste, was Deutschland passieren konnte.“
(http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=931#30819)

Schon damals war es doch klar wie Kloßbrühe, daß sich die Wirtschaft die Rosinen herauspicken und die Kosten dem Steuerzahler überlassen würde.

Was die nicht ganz ernst gemeinten linguistischen Probleme von Herrn Seehofer anbetrifft, so handelt es sich auch nicht um rechtliche Begriffe, sondern um politische Sprachspiele. Als Teilnehmer an diesen Spielchen hat er ja nun seine Obergrenze sehr präzise definiert; jetzt sind die anderen Spieler am Zuge.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.02.2016 um 17.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#31583

Hätte nicht gedacht, daß "Festung Europa" einmal die Parole einer Bewegung werden würde. (Man sieht allerdings bei den Pegida-Demonstrationen keine Europaflaggen, nur Schwarzrotgold und ein paar andere, mir nicht bekannte. Auch Fraktur, die man anderswo nur schwer lesen kann.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.03.2016 um 16.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#32018

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20486

Els Oksaar, die im vergangenen Dezember verstorben ist, hat ihren Sohn Sven, jetzt Rechtsanwalt in Hamburg, in fünf Sprachen aufwachsen lassen (Wikipedia). Ich hatte bloß aus der Erinnerung an Gespräche mit ihr zitiert.
Aber erwähnen möchte ich sie als Verfasserin eines immer noch lesenswerten und auch sehr lesbaren Buches "Spracherwerb im Vorschulalter". (Stuttgart 1977)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.04.2016 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#32357

Im Wikipedia-Eintrag über den Europarat fehlt die Angabe, welche Sprachen als dessen Amtssprachen festgelegt sind: Englisch und Französisch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2016 um 16.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#32634

Wir wollen, dass die Moscheen den muslimischen Flüchtlingen einerseits einen religiösen Orientierungspunkt anbieten, andererseits aber im Einklang mit unserer Demokratie und unseren Werten handeln. (Staatssekretärin Emily Haber, FAZ 20.5.16)

Da sind sie wieder, die „Werte“. Viele haben die Leerformel schon als „christlich-abendländisch“ ausgefüllt, was aber wohl für Moscheen eine schwere Aufgabe wäre. Leben wir nicht in einer Rechtsgemeinschaft, die auf Gesetze gegründet ist?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.05.2016 um 05.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#32681

Max Weber fragte 1912: „In welchem Sinne – wenn überhaupt – besteht eine solche [sc. Kulturgemeinschaft] zwischen der Aristokratie und dem Proletariat eines Landes?“ – Das läßt sich übertragen auf jedes heute postulierte "Wir", "unsere Werte", "Identität".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.05.2016 um 05.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#32682

Die EU-Kommission will eine Quote verordnen: mindestens 20 % europäische Filme, als "identitätsstiftende Maßnahme". Warum nur 20? Das läßt sich steigern, Identität kennt keine Obergrenze.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 26.05.2016 um 08.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#32683

Seit Webers Zeiten hat sich allerdings in Europa die kulturelle Kluft zwischen einheimischer Ober- und Unterschicht erheblich vermindert, wie ja auch Aristokratie und Proletariat weitgehend verschwunden sind.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.05.2016 um 10.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#32685

Darum habe ich "übertragen" gesagt; es gibt andere Trennungslinien, und ob die Gesellschaft insgesamt homogener geworden ist, steht dahin.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.08.2016 um 06.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#33080

„Fünfunddreißig Länderdurchwahlen finden sich auf der Liste im Kempinski Bristol am Kurfürstendamm. Die meisten gehören zu europäischen Staaten, doch es geht auch nach Australien, Brasilien, Kanada, Hongkong, Japan, Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Südafrika, Thailand und in die Ukraine.“ (Michael Hanfeld, FAZ 12.8.16)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.08.2016 um 08.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#33081

Wie kann Hanfeld entgangen sein, daß die Ukraine ein europäisches Protektorat ist?
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 12.08.2016 um 20.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#33083

Sein Problem war wohl, daß Israel in dieser Liste nicht auftaucht.

 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.08.2016 um 21.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#33085

Das war Claude Lanzmanns »Problem«. Hanfelds Problem ist, daß er Europa und die EU nicht auseinanderhalten kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2016 um 05.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#33302

Millionen Aufsätze und Bücher sind über "interkulturelle Kommunikation" veröffentlicht worden, und wir meinen es mit "dem Fremden" unendlich gut. Aber wenn es dann nicht mehr nur ums Schneuzen geht (s. weitere Einträge in diesem Faden), sondern sozusagen ernst wird, sind wir wieder ganz die alten Affen, nicht wahr?

Verschleierung, Kinderehe, pfui! Von den "Kinderehen" in Deutschland betreffen übrigens zwei Drittel Mädchen ab 16, und in diesem Alter können unter gewissen Bedingungen auch in Deutschland Mädchen heiraten. Über das "Schutzalter" habe ich anderswo schon geschrieben, es lag vielfach bei 12 für Mädchen. Andre Zeiten (nicht nur andre Länder), andre Sitten.

Gilt auch für "Kinderarbeit".

Schand-Paragraf 175: Maas will Rehabilitierung Homosexueller noch dieses Jahr.

Ja freilich, das ist überfällig, aber sollte man nicht auch etwas Nachsicht aufbringen? Die Ächtung der Homosexualität war Gemeingut nicht nur hierzulande und ist in vieler Hinsicht auch heute noch virulent, wenn man den Alltag und nicht nur ein paar Paradiesvögel ins Auge faßt.

Die Wertmaßstäbe verschieben sich eben, das sollte doch wohl die erste Lehre aus all den interkulturellen Studien sein. Zur Zeit bibbern manche vor der Aussicht, daß die Hochschätzung der sexuellen Enthaltsamkeit den Bach runtergeht. Was wird denn dann aus all den opferbereiten Jungfrauen und den keuschen Priestern? Christian Geyer hat jüngst in der FAZ unfreiwillig komisch seine Besorgnis bekannt, daß nichts als verfehltes Leben und sinnlose Selbstquälerei zurückbleibt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.09.2016 um 06.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#33388

Wie Els Oksaar (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#20486) beobachtet hat, grüßt man in Schweden nicht, wenn man ein Wartezimmer betritt.
Hat man Gäste verabschiedet, kann man sie zwar noch bis vor die Tür begleiten, spricht aber kein Wort mehr mit ihnen; sie sind dann gewissermaßen schon weg.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2016 um 08.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34082

Kinderehen sollen aufgelöst werden. „Ist ein Partner minderjährig, wird die Ehe grundsätzlich aufgehoben. Bei Härtefällen über 16 Jahre soll als einziges Kriterium gelten, ob sie auf gegenseitiger Zuneigung beruhe.“ (FAS 11.12.16)
Hier wird die neuzeitlich-romantische Idee der Liebesheirat auf fremde Kulturen gestülpt. Wissen die Auflöser, was sie anrichten? Den betroffenen Familien bleibt eigentlich nur die Rückkehr in ihre Herkunftsländer, und das ist wohl auch der heimliche Zweck der Veranstaltung.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 11.12.2016 um 10.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34084

Kann man überhaupt etwas auflösen, was nach unseren Gesetzen gar nicht existiert? Man braucht es ja nur nicht anzuerkennen. Wie geht eine solche "Auflösung" eigentlich praktisch vor sich?

Ich kenne mich mit diesen Praktiken nicht aus. Wie leben verheiratete Kinder? Haben sie eine eigene Wohnung? Da sie noch nicht selbständig sind, bekommen sie vielleicht nur ein Zimmer bei einem Elternteil, wenn überhaupt? Wie wird dann die "Auflösung" praktisch durchgesetzt? Erhalten die Kinder eine Art Hausverbot vom Staat für die jeweils andere Familie?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 11.12.2016 um 12.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34085

Wahrscheinlich stellt sich das Problem des Zusammenlebens gar nicht so, weil einer der Partner, sicherlich der Mann, immer volljährig und selbständig sein dürfte. Dann reicht allerdings ein Ignorieren seitens des Staates nicht aus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2016 um 17.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34086

"Unter arrangierte Heirat oder Verheiratung versteht man, wenn die Ehepartner und der Zeitpunkt der Heirat von den Eltern bzw. den Verwandten bestimmt werden. Dieser früher allgemein übliche Vorgang, der die Ehe primär als Wirtschaftsgemeinschaft und über die legitimisierte Fortpflanzung dynastisches Instrument des familiären Gemeinwohles sieht, wurde erst im Laufe der Aufklärung und der Romantik in Europa durch das Konzept der Liebesheirat und der Freiheit der Partnerwahl verdrängt, und hat sich weltweit nur begrenzt durchgesetzt. Erst im Widerspruch dieser beiden Konzepte entsteht der Begriff der Zwangsehe, also Verheiratung wider Willen. Das Konzept der Heiratsvermittlung wandelte sich von der Eheanbahnung im sozialen Umfeld hin zu einer Dienstleistung für den Heiratswilligen." (Wikipedia "Ehe")

Ich nehme an, daß der Absatz sprachlich verkorkst ist, denn es dürfte die "Liebesheirat" sein, die sich weltweit nur begrenzt durchgesetzt hat. Anderswo ist eben die arrangierte Ehe der Normalfall. Der zuletzt beschriebene Konflikt ist sehr real. Ich erinnere mich, daß sogar junge Kolleginnen in Indien darunter litten; sie hatten die westliche Liebesheirat kennengelernt, waren aber zugleich noch in ihrem Familienverband verwurzelt, der schon einen Partner für sie im Auge hatte. Ähnliches wurde aus Afrika berichtet.

Hoffentlich wird hier nichts übers Knie gebrochen, etwas ethnologisch-soziologische Belehrung könnte unseren Tugendbolden gut tun.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 11.12.2016 um 18.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34087

Das Flaschenpfand hat sich weltweit auch nur begrenzt durchgesetzt. Was besagt das über die Gesetzgebung in Deutschland?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.02.2017 um 03.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34530

Um noch mal auf den leitkulturellen Händedruck zurückzukommen: Wie ich gerade lese, deutet ein fester Händedruck auf Langlebigkeit hin; die Ärzte sollen das schon lange als diagnostisches Hilfsmittel nutzen. Ich glaube allerdings nicht, daß unsere Lebenserwartung den heutigen Arzt im mindesten interessiert.

Täglich werden wir ermahnt, uns oft die Hände zu waschen, weil Grippeviren daran kleben. Noch im 19. Jahrhundert wütete die leicht vermeidbare Cholera in Deutschland, wie ich gerade wieder in einem alten Schmöker über Stettin lese (Schleich: Besonnte Vergangenheit, war mal ein Bestseller). Ohne Händedruck und das importierte Küßchenküßchen gäbe es weniger Grippe und weniger Tote.

Unter den Bekannten, die ich regelmäßig treffe, ist ein einziger mit einem Schraubstock-Händedruck, aber ich bin vorbereitet und halte ihm stand. Bei anderen genieße ich das schmerzverzerrte Gesicht und die unterdrückten Schreie, wenn ich ihre gichtigen Finger recht herzlich quetsche. Der Ehering an der Rechten erhöht die Wirkung.

Kurzum, das Ganze ist ein Greuel und sollte abgeschafft werden. Gesittete Menschen haben feinere Kommunikationsmittel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.02.2017 um 06.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34595

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#26639

Für die überzeitliche und -räumliche Geltung der Mathematik (und Astronomie) ist der "Mechanismus von Antikythera" ein schönes Beispiel, genauer gesagt die Unverdrossenheit, mit der sich die Mathematiker an die Rekonstruktion dieses hoffnungslos korrodierten Klumpens machten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2017 um 07.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34755

Franzosen finden die Deutschen cool, ärgern sich aber über deren Arroganz. (Die Quelle tut hier nichts zur Sache.)

Es gibt in jeder Kulturgemeinschaft unangenehme Zeitgenossen, aber wenn man ganze Völkerschaften so findet, stimmt logisch etwas nicht. Man kann ja auch nicht fremde Sprachen oder Religionen vom Standpunkt seiner eigenen beurteilen. "Arrogant" ist in dieser Hinsicht nicht gescheiter als "cool".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.04.2017 um 06.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34901

Auf unzähligen Gegenständen steht, sie sollten nicht in die Hände von Kindern unter 3 gelangen, weil Verschluckungsgefahr bestehe (https://de.wikipedia.org/wiki/Sicherheitshinweis). Diese den gesunden Menschenverstand beleidigende Warnung ist wahrscheinlich ohne praktische Wirkung – außer dem Haftungsausschluß nach US-Recht. Denn schon ein einziger Fall würde es amerikanischen Anwälten ermöglichen, ein Unternehmen in den Ruin zu treiben (und entsprechend daran zu verdienen).

Dazu:

Spielzeug für Kinder unter 3 Jahren darf keine ablösbaren Kleinteile enthalten.
Kleinteile sind alle Teile, die in den Prüfzylinder (Ø 31,7 mm, Bild 2) passen.
"Nicht ablösbar" bedeutet z.B., dass die Kleinteile einer Abreißkraft von
50 N bei Teilen bis 6 mm Größe
90 N bei Teilen über 6 mm Größe
standhalten müssen. (10 N entspr. ca. 1 kg)

Verschluckzylindertest
(Nr. 8.2 der DIN EN 71 Teil 1 "Sicherheit von Spielzeug - Teil 1: Mechanische und physikalische Eigenschaften")
Der Zylinder wird auf eine ebene Unterlage gestellt.
Das Spielzeug oder Einzelteile des Spielzeugs werden in einer beliebigen Position in den Prüfzylinder untergebracht. Dabei ist zu beachten, dass das Prüfteil in keiner Weise zusammengedrückt werden darf! 
Der zu untersuchende Gegenstand muss vollständig in den Zylinder passen; d.h. ragt ein Teil des Gegenstandes aus dem Zylinder heraus, handelt es sich um kein verschluckbares Kleinteil im Sinne der Norm.
-

Usw. – alles sehr vernünftig, aber Kleinkinder verschlucken sich trotzdem, wenn man nicht aufpaßt, und zwar nicht gerade am Pfeifmechanismus von Quietschenten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.04.2017 um 08.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34977

Jetzt hat auch Innenminister de Maizière seine 10 Punkte zur deutschen Leitkultur vorgestellt. Dazu gehört:

"Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka."

Das ist grammatisch falsch. Auf deutsch sagt man: "Wir tragen keine Burka." Man kann ja auch nicht sagen: "Wir sind Hosenanzug." Ist die deutsche Sprache kein Teil der Leitkultur?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.04.2017 um 17.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34979

Inhaltlich sind die Thesen ja sogleich kommentiert worden; dem will ich nichts hinzufügen. Was mich aber wundert, ist die Bedeutung, die dem Händeschütteln als wesentlichem Teil einer Leitkultur zugeschrieben wird. Wüßte man nicht, daß es um muslimische Frauen geht (wie überhaupt die Thesen sich weitgehend mit der Abwehr des Islam beschäftigen), wäre man noch erstaunter über das Unproportionale.
Und die Kirchtürme, die unsere Landschaft prägen - schön und gut, aber warum werden sie erwähnt? Was sollen wir im Sinne der Leitkultur tun? Niemand plant ja, sie abzureißen; nur die Kirche selbst "entweiht" manches Kirchengebäude und überläßt es anderen zur Nutzung (weil unsere Gesellschaft eben gerade nicht mehr so christlich geprägt ist).
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 02.05.2017 um 00.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34990

Zu #34977:

Wir waren mal Papst. Warum sollten wir nicht auch Burka sein können?

Aber im Ernst, für mich klingt das sehr nach einer jener modischen Verkürzungen, wie wir sie auch in »Er kann Kanzler« finden. »A ungleich B« will uns sagen: A und B sind nicht eins, passen nicht zusammen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.05.2017 um 04.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34991

Die Erinnerung an die BILD-Zeitung ist angebracht. Das war damals witzig, aber de Maizières Slogan klingt nur noch dadaistisch. Die Erwiderung seines Parteifreundes Rupert Scholz hat es genau getroffen, da können Klöckner (das ist die mit der Hand) und andere noch so jammern. Die Verengung von Leitkultur auf Leitreligion gewinnt der Partei keine neuen Wähler.
Erstaunlich ist, daß den Leuten eine Formulierung wie "christlich geprägt und weltanschaulich neutral" zugemutet werden kann. Das erinnert an den schon zitierten Theologen, der nachwies, daß das Erste Gebot "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben" entgegen dem Augenschein der Inbegriff der religiösen Toleranz ist.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.05.2017 um 10.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34996

Auch die Presseschau des DLF beschäftigte sich heute morgen mit den Leitkultur-Thesen von de Maizière:

Burka tragende Frauen als Gefahr für unsere Demokratie darzustellen, ist so absurd, als würde man den Regentag am 1. Mai als Beweis dafür anführen, dass der Sommer in diesem Jahr ausfallen wird", spottet die HEILBRONNER STIMME.

Was hat de Maizière wirklich geschrieben?

Wir legen Wert auf ei­ni­ge so­zia­le Ge­wohn­hei­ten, nicht weil sie In­halt, son­dern weil sie Aus­druck einer be­stimm­ten Hal­tung sind: [...] Wir sind eine of­fe­ne Ge­sell­schaft. Wir zei­gen unser Ge­sicht. Wir sind nicht Burka.

Wo steht hier etwas von Gefahr für die Demokratie?
Einige Scharfmacher unter den Journalisten können sich Ablehnung fremder Gewohnheiten nur vorstellen, wenn sie eine Gefahr darstellen. Es muß aber nicht immer auf eine Gefahr hinauslaufen. Es gibt auch Dinge, die in unseren Kulturkreis aus andern Gründen nicht passen, die wir einfach nicht gewöhnt sind und deshalb auch nicht einführen wollen!

Und nebenbei gesagt, auch wenn es bei de Maizière eigentlich gar nicht das Thema war: Burkatragende Frauen sind geradezu DAS Symbol für die immer stärkere Islamisierung und für die Nicht-Integration großer Bevölkerungsteile aus dem islamischen Kulturkreis. Es geht also um die Zunahme einer Religion, der weltanschauliche Toleranz fremd ist. Ob das wirklich keine größere Gefahr darstellt als ein Tag Regenwetter im Mai, wäre wohl erst noch festzustellen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.05.2017 um 12.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34997

Selbst wer den Begriff „Leitkultur“ für altbacken hält, kann nicht bestreiten: Die Deutschen macht etwas Bestimmtes aus. Es ist wichtig, sich diesem bewusst und sicher zu sein – solange man sich damit nicht über Staat und Recht stellt.

Übrigens kann man im Feuilleton derselben Ausgabe eine geschliffene Replik von Jürgen Kaube lesen, ohne grammatische Schnitzer und daher gewissermaßen auch "deutscher".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.05.2017 um 19.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34998

Statt des ewigen Händeschüttelns könnte man doch einmal ein interessanteres Generationenproblem diskutieren, zum Beispiel einer Frau die Tür aufhalten oder "in den Mantel helfen".
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.05.2017 um 13.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35003

Die wichtigsten "sozialen Gewohnheiten" auf dem Bauerndorf meiner Kindheit: Sich Sonntags zu betrinken, jede Feier mit einer Schlägerei zu beenden, Ab und zu sein Auto zu Schrott zu fahren, mit den Bewohnern des Nachbardorfes eine innige Feindschaft zu pflegen usw.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 03.05.2017 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35005

Was hat denn Rupert Scholz dazu gesagt? Ich kann dazu nichts finden. Was ich finde, ist ein kritischer Beitrag von Ruprecht Polenz.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.05.2017 um 16.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35006

Entschuldigen Sie bitte die Verwechslung!
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 03.05.2017 um 17.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35007

"innige Feindschaft" – bedeutet innig in diesem Fall, daß man sich bei aller Feindschaft gerne für die Mädchen aus dem Nachbardorf interesssiert hat?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.05.2017 um 04.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35009

Eine Scherzbildung wie Lieblingsfeind, herzliche Abneigung usw.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.05.2017 um 17.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35018

Lieber Germanist,
Sie zählen hier einige unschöne Dinge auf, klar, es wäre wirklich kein Verlust, wenn man diese seltsamen "Gewohnheiten" reduzieren oder abschaffen könnte. Nur wie wäre das zu erreichen? Es gibt leider in jeder Gesellschaft auch solche negativen Auswüchse. Ich habe den Eindruck, da Sie das im Zusammenhang mit der Leitkultur sagen, daß Sie meinen, ab und an eine Steinigung oder eine Zwangsheirat könnte uns etwas Auflockerung verschaffen bzw. zumindest den prozentualen Anteil von Saufereien und den anderen herkömmlichen Unzüchtigkeiten etwas verringern, somit also zur Verbesserung unserer Kultur beitragen?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 04.05.2017 um 19.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35021

Ich hatte als Kind den Eindruck, daß die "Ureinwoner" ihre sozialen Gebräuche durchaus nicht als negativ ansahen. Heute sind die sozialen Gewohnheiten andere. Sie sind folglich zeitabhängig und nicht mit festgeschriebenen Gesetzen vergleichbar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2017 um 05.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35034

FAZ-Woche über de Maizière:

Zweimal hob er auf die Bedeutung der Sprache für die Leitkultur ab, der Text ist gut formuliert. Nur an einer Stelle wird der Lesefluss brutal unterbrochen und der deutschen Sprache Gewalt angetan. „Wir sind nicht Burka“, schreibt der Mann, der kurz darauf die Bedeutung Goethes für die Kulturnation Deutschlands hervorhebt. Ein Schnitzer? Kaum. De Maizière weiß, wie gut die vier Worte auf die Titelseite einer Boulevardzeitung passen. Dort landeten sie.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2017 um 05.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35035

Man kann nicht ohne Einschränkung sagen, daß "wir" einander zur Begrüßung die Hand reichen. Unter Jugendlichen ist es eher unüblich, für Bewerbungsgespräche usw. wird es ihnen in Ratgeberbüchern eigens beigebracht ("Jugend-Knigge" usw.).

Wenn die Angestellten am Arbeitsplatz eintreffen, geben sich keineswegs alle die Hand. In der Universität habe ich es auch nur in Ausnahmefällen erlebt.

In gewöhnlichen Ladengeschäften grüßt man sich ohne Handschlag, anders beim Beratungsgespräch in der Bank. Insgesamt schwer zu definierende Bedingungen.

De Maizière geht oft und gern auf Einzelheiten ein (Krätze durch Osteuropäer eingeschleppt), erwähnt aber nicht die Tischsitten. Wir essen mit Messer und Gabel und nicht mit den Fingern oder Stäbchen. Wir lieben Hunde und küssen sie in der Öffentlichkeit, aber vom selben Teller lassen wir sie nicht essen. Man könnte noch viel erwähnen, was unseren Alltag stärker prägt als Goethe.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2017 um 19.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35044

Der krasseste Satz wird aber wohl dieser bleiben:

Kaum ein Land ist so ge­prägt von Kul­tur und Phi­lo­so­phie wie Deutsch­land.

Es verschlägt einem die Sprache.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2017 um 04.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35050

Sind eigentlich Gartenzwerge typisch deutsch? Oder ist die Meinung, Gartenzwerge seien typisch deutsch, typisch deutsch?

Selbst wenn es gelänge, das Deutschsein zu definieren, wäre noch der Schritt vom Sein zum Sollen zu rechtfertigen. Warum sollten wir sein wollen, wie wir sind?

Diogenes von Sinope: "Ich bin Weltbürger (Kosmopolit)."

Die Leichenrede des Perikles ist sozusagen das erste Dokument des Verfassungspatriotismus. Sie stellt die Selbstverwaltung der Republikaner gegen die allzu bekannten Formen der Despotie. Darauf durfte man stolz sein, während uns heute der Stolz auf die Leistungen anderer (Goethe, Schweinsteiger) eingeredet werden soll.
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 07.05.2017 um 19.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35054

Verfassungspatriotismus ist eine seltsame Wortbildung. Etwas an sich Unerwünschtes wird durch einen legitimierenden Zusatz akzeptabel, sogar erwünscht. Der geistige Vater des heutigen Europa, Graf Coudenhove Kalergie, schrieb 1925:

"Die Verfassungsform, die Feudalismus und Absolutismus ablöste, war demokratisch; die Herrschaftsform plutokratisch." (R.N. Coudenhove Kalergi, Praktischer Idealismus, 1925 Paneuropa-Verlag Wien, Leipzig, S. 39)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.05.2017 um 09.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35059

Die Beschreibung des Deutschseins gehört nach Stil und Inhalt eher in diese Liiteraturgattung:

http://by.bdue.de/fileadmin/verbaende/by/Dateien/PDF-Dateien/Publikationen_Auftraggeber/BusinessKnigge/BDUE_BY_BusinessKnigge_Germany.pdf

Es gibt sehr viel Vergleichbares.

Übrigens:

On Sundays, however, Germans enjoy their leisure time. If they have work to do, they do it quietly inside their houses. They would never dare to wash their car in the driveway or mow the lawn. Beware – it’s Sunday!

Diese ironische Darstellung übergeht, daß es sich ebenso wie beim zuvor erwähnten Mülltrennen nicht um den Nationalcharakter handelt, sondern um gesetzliche Vorgaben.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.05.2017 um 10.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35060

Ungefähr 15 Jahre ist es her, da gab es mal am Vorabend von Himmelfahrt einen stärkeren Sturm, der einige mittlere Verwüstungen angerichtet hat. Da bin ich doch am Feiertag früh halb neun, als das Wetter sich beruhigt hatte, aufs Schuppendach geklettert, um die in Fetzen hängende Dachpappe wieder gerade anzunageln. Erstens mußte es ja dringend wieder wasserdicht gemacht werden, und zweitens bestand die Gefahr, daß nachfolgender Wind das kaputte Dach vollends zerstörte. Nach etwa einer Viertelstunde hämmern kam eine Nachbarin vorbei und drohte, die Polizei zu rufen, wenn ich nicht sofort aufhörte. Zum Glück war ich so gut wie fertig. Aber das hätte ich auch nicht gedacht, daß es für manche keine Rolle spielt, wenn eine dringende Notreparatur ansteht. Es war aber auch eine sehr spezielle Nachbarin, die mittlerweile glücklicherweise weggezogen ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.05.2017 um 13.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35062

Vor einigen Jahrzehnten wohnten wir in einem Marburger Mietshaus, wo die Hausordnung wohl vorsah, daß am Wochenende keine Wäsche auf dem (von außen nicht einsehbaren) Wäschetrockenplatz hängen sollte. Ein Mitbewohnerin, die immer besonders adrett aussah, nahm samstags Schlag 12 unsere Wäsche samt Leine vom Haken und legte alles auf den Rasen. Vgl. auch http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1042#27464

Der Hausverwalter verriet uns, daß die Dame nach dem Krieg als stadtbekannte Prostituierte tätig gewesen war, vor allem im Dienste amerikanischer Soldaten. Man denkt an Thomas Mann: "Seine Geburt war unordentlich, darum liebte er leidenschaftlich Ordnung".

Daß jeder sich zum Hausmeister und Hilfssheriff berufen fühlt, ist wohl deutsch und erklärt auch das Verlangen nach Leitkultur.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.05.2017 um 14.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35130

In der heutigen FAZ gibt der Philosophieprofessor Jens Halfwassen der Festung Europa einen etwas seltsamen Flankenschutz. Meinen Kommentar kann ich aus technischen Gründen hier nicht eintragen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.05.2017 um 10.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35157

Die FAS vom 21.5.17 plädiert für das Französischlernen („Französisch ist die Zukunft“). Hauptargument ist der Brexit, der die Bedeutung des Französischen stärken werde. Das ist aber gar nicht sicher. Auch die afrikanische Frankophonie wird angeführt. Es ist nicht leicht festzustellen, wie viele Menschen tatsächlich französisch sprechen. Frankreich addiert gern die Bevölkerungen der rund 60 Staaten der „Francophonie“ und kommt dann auf mehr als 800 Mill., mit steigender Tendenz wegen der afrikanischen Gebärfreudigkeit. In Wirklichkeit ist der Anteil der Französischsprecher in vielen afrikanischen Mitgliedsländern sehr gering, insgesamt dürfte 200 Mill. (einschl. Mutterland) der Wahrheit näher kommen. Manche Länder wie das ehemals belgische Ruanda sind auf Englisch umgestiegen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.05.2017 um 13.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35159

Sprachen, die für internationale Fremdwörter unbedingt eigene Wörter bilden müssen, wie z.B. Französisch, Tschechisch, Kroatisch u.a., sind als internationale Verkehrssprachen ungeeignet, eigentlich sogar disqualifiziert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.07.2017 um 05.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35597

Nachtrag: Vom Inhalt des "Handbuchs der Eurolinguistik" gibt diese Besprechung einen guten Eindruck:
http://www.plansprachen.ch/Rezension_Eurolinguistik.pdf
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2017 um 20.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35769

Die „Welt“ berichtet über einen muslimischen Polizisten, der sich anläßlich seiner Beförderung nicht von einer Kollegin die Hand schütteln lassen wollte. Unzählige haßerfüllte Leserzuschriften, etwa so: „Wer sich nicht nach dem Grundgesetz richtet, darf kein Beamter sein, also kann es nur eine Konsequenz geben. Alles andere wäre, zum wiederholten Mal eine falsche Toleranz.“

Dabei muß er doch gute Arbeit geleistet haben, sonst wäre er nicht befördert worden. Nun wurde er „in den Innendienst versetzt“. Es ist, als wenn viele Menschen zum Bersten mit Sprengstoff gefüllt wären und nur einen kleinen Anlaß suchen, um zu explodieren. Daß sie noch nie einen Blick ins Grundgesetz geworfen haben, paßt ins Bild.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.09.2017 um 05.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#36149

Die deutsche "Leitkultur" ist zwar immer noch nicht definiert, aber die CSU plakatiert schon mal "Leitkultur leben".

Eine christliche Partei hat durchaus das Recht, dem Christentum Vorrang einzuräumen. Angehörige anderer Religionen sowie Atheisten müssen sich darauf einrichten.

Leitkultur umfasst die bei uns geltende Werteordnung christlicher Prägung, unsere Sitten und Traditionen sowie die Grundregeln unseres Zusammenlebens. Leitkultur ist das Gegenteil von Multikulti und Beliebigkeit. (http://www.csu.de/leitkultur/?gclid=EAIaIQobChMI0eiK486U1gIVD5SyCh1MGg_AEAAYASAAEgKiXvD_BwE)

Auf den Rechtsstaat sind alle verpflichtet. Die Ablehnung nichtchristlicher "Werte" geht grundsätzlich darüber hinaus. Ist "Beliebigkeit" etwas anderes als Religionsfreiheit? Das bleibt vage.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2017 um 04.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#36492

Die FAS schreibt gerade, was ich mir letzte Woche als besonders auffällig notiert hatte: "Leitkultur" war gestern, heute ist "Heimat". Joachim Herrmann, Bundespräsident Steinmeier, Robert Habeck, Katrin Göring-Eckardt und die AfD sowieso: alle sprechen von Heimat.

Dazu erscheinen oft wieder jene zwei Jahre alten Fotos von Orientalen, die auf Feldwegen durch deutsche Wiesen geleitet werden, gern mit bayerischem Dorfkirchlein im Hintergrund.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2017 um 06.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#36512

Auch Heribert Prantl singt das Hohelied der "Heimat":

Regionalentwicklung: Da geht es nicht um die Beschilderung von Wanderwegen oder darum, dass die Marktplätze alle zehn Jahre andersherum gepflastert werden. Es geht vor allem darum, wie man junge Menschen zum Bleiben oder, noch besser, zur Rückkehr bewegt. Die Entvölkerung ländlicher Räume ist kein Naturgesetz. Sie ist eine Folge dessen, dass Arbeit und Leben dort nicht oder viel zu wenig vereinbar sind. Das muss gute Heimatpolitik in der Provinz leisten: Sie muss alles daran setzen, dass die jungen Menschen hier leben und arbeiten können.

Mit einem seiner berühmten Vergleiche schreibt er:

Viele Dörfer, Klein- und auch noch Mittelstädte sehen aus wie ein Donut, also wie dieser amerikanische ringförmige Krapfen - ein abgeflachter Teigballen, der in der Mitte ein Loch hat.

Ja, das kennen wir. Unser Wohndorf, 2000 Einwohner, die sich gerade durch den Bau von Schlafsiedlungen um 1000 vermehren, sollte einmal ein modernes "Kleinzentrum" bekommen, aber kein Geschäft hat sich rentiert, jetzt ist dort nichts mehr. Vier kleine Landwirte gibt es noch, sonst nichts.

Aber der unverbesserliche Romantiker verrät nicht, wie man mit der guten und sehr guten Ausbildung, die unsere Jugend heute genießt, auf dem Dorf sein Auskommen finden soll.

Die Verknüpfung von "Heimat" mit Dörfern ist nicht zu retten. Heimat ist heute eher das Stadtviertel, aber auch nur in einem lockeren Sinn.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.12.2017 um 11.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#37298

An den zwanzig europäischen Universitäten, die Macron vorgeschlagen hat und Rainer Klump (FAZ 13.12.17) befürwortet, sollen zwei europäische Fremdsprachen Pflicht sein, ein Ziel, das auch in den vergangenen Jahren vom Europarat u. a. aufgestellt worden ist. Dagegen ist sicher nicht viel einzuwenden, wenn auch die Begründung etwas windig ausfällt: Erst mit einer durch Wissenschaft geleiteten Beschäftigung mit den fremden Sprachen entstehe auch das Verständnis „für den nicht übersetzbaren Teil der fremden Kultur“. – Das klingt sehr nach philologischen Studien und nicht nach wissenschaftlichen Verkehrssprachen; aber dann dürften zwei Fremdsprachen nicht einmal ausreichen. Gibt es nichtübersetzbare Teile einer fremden Kultur? Was wäre ein übersetzbarer Teil? Kulturen übersetzt man nicht, und die strengeren Wissenschaften sind vollständig übersetzbar.

Bei solchen Vorschlägen aus Frankreich ist immer damit zu rechnen, daß sie auch der Rettung des Französischen als Wissenschaftssprache dienen. Abzuwehren ist das Englische als universale Verkehrssprache. Unter den zwei europäischen Fremdsprachen wird und muß aber eine das Englische sein, sonst koppelt man sich von der internationalen Wissenschaft ab. Das könnte man ruhig aussprechen. Aber warum sollte auch die zweite Fremdsprache eine europäische sein?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.12.2017 um 05.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#37342

„Keine Kultur ist multikulturell, sie lebt von der Hochschätzung des Eigenen und der Geringschätzung des Fremden.“ (Johannes Gross 19.5.1998)

Wenn es keine tautologische Wortklauberei ist, dann ist es offensichtlich falsch. Es hat schon viele Kulturen gegeben, die eine fremde verehrten und mehr oder weniger übernahmen. Unter den alten Römern gab es zwar Griechenhasser, aber die Übernahme war doch überwältigend und den Römern auch vollkommen bewußt. Überlegene Kulturen wurden schon immer geschätzt und gepflegt: Indien, China...
Sofern die europäische Kultur christlich ist, ist sie auch multikulturell, denn eigentlich gehören die Sitten und Kulte eines vorderorientalischen Volks nicht hierher.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.12.2017 um 07.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#37385

Bei "Leitkultur" fällt vielen zuerst Weihnachten ein, als der Inbegriff des "Brauchtums", und tatsächlich konzentriert sich um diese Tage das Leitkulturelle wie niemals sonst. Zur Zeit wird ja in allen Medien "Heimat" durchdekliniert, das gehört zu selben Kategorie. Es ist natürlich fast unmöglich, die Zugewanderten in diese Feinheiten einzuweihen:

"Denn an Weihnachten erfinden Familien sich selbst: Wer gehört dazu? Wessen Kugeln dürfen an den Baum? Und wer macht die Klöße?" (FAS 24.12.17)

Wir werden nicht daran zerbrechen, aber wer macht denn nun die Klöße ("Kneedla")? Eigentlich die Jüngste, aber die hat Dienst in der Klinik. Irgend jemand wird sie schon machen.

Die Töchter mit den Schwiegerfreunden (Neologismus, aber nicht von mir erfunden) sind zwar ausgezogen, gehen aber noch aus und ein und werden nicht eigentlich "eingeladen". Das ist bestimmt für ausländische Beobachter nicht leicht zu durchschauen. Wie wenig habe ich wohl verstanden, als ich in Indien und China von Familien eingeladen war?

Eingeladen wird die Oma, wie immer. Neu ist die Enkelin, aber die hat noch keine Zähne, da müssen wir was anderes kochen. Das ist also die leitkulturell geschlossene Familie, siebeneinhalb Personen plus Hund.

Der siebzehnjährige Pakistani, den wir mal an Heiligabend eingeladen hatten (das ist die vielgeschilderte paradigmatische experimentelle interkulturelle Erweiterung) wollte gar nichts essen, und ich dachte, es wäre aus Bescheidenheit. Vielleicht war er angesichts der exotischen Speisen aber nur unsicher, ob irgendwo Schwein drinsein könnte. Oder er fühlte sich als Eindringling in eine besonders geschlossene Welt, eben die Intimität der "Familie".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.03.2018 um 06.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#38295

In der FAZ vom 22.3.18 streitet Winfried Thielmann wieder einmal gegen die „erzwungene Einsprachigkeit“ des Wissenschaftsbetriebs. Die Argumente sind die bekannten. Wie schon vor zehn Jahren reitet er auf der falschen Gleichsetzung von because und weil herum, mit der er sich mal beschäftigt hat; gibt es keine frischeren Belege?

Der Blick ist provinziell verengt. Es wird nicht gezeigt, daß die Vorherrschaft den Englischen in weiten Teilen der Welt zu inhaltlichen Beschränkungen geführt hat. In Indien zum Beispiel ist das gesamte höhere Bildungswesen englischsprachig; auch in Europa nehmen die kleineren Sprachnationen nur über das Englische am internationalen Wissenschaftsbetrieb teil. Was sagen denn Niederländer und Finnen zu solchen Ausführungen?

Thielmann beschwört – wie seit Jahren (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1447) – die fortschrittsfeindlichen Folgen der lateinischen Einsprachigkeit des Mittelalters, die nur für scholastische Logik, nicht für die aufkeimenden Naturwissenschaften „Ressourcen bereitgehalten“ habe. Was immer davon zu halten ist – Thielmann vergißt, daß das Lateinische keine Muttersprache war im Gegensatz zum Englischen, das mehr „Ressourcen“ für die heutige Wissenschaft bereithält als jede andere Sprache.

„Denkt man dies weiter, so ist man rasch bei einer Wissenschaftsdiktatur amerikanischer Prägung, die ihre Theorien, Termini und Traditionen weltweit durchsetzt.“ Usw.

Irgend jemand wird auf diesen weltfremden und ziemlich abenteuerlichen Beitrag antworten.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 23.03.2018 um 09.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#38297

Was immer davon zu halten ist – Thielmann vergißt, daß das Lateinische keine Muttersprache war im Gegensatz zum Englischen, das mehr „Ressourcen“ für die heutige Wissenschaft bereithält als jede andere Sprache.

Da habe ich den Autor etwas anders verstanden. Er weist ja selbst ausdrücklich darauf hin, daß das Lateinische niemandes Muttersprache war. Und er bestreitet auch nicht, daß das Englische die von ihm geforderten »Ressourcen« bereithält. Nur unterscheidet er eben zwischen der Lingua franca Englisch und der Muttersprache Englisch und meint, daß jene Ressourcen nur den muttersprachlichen Wissenschaftlern in vollem Umfang zugänglich sind, worin er eine Benachteiligung der Nichtmuttersprachler sieht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.03.2018 um 09.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#38298

Was ja offensichtlich falsch ist.

Mir kam es darauf an, daß Latein kein Beleg für die Risiken der Einsprachigkeit ist.

Für die idealistische These von der Einzelsprachabhängigkeit der Wissenschaft fehlt jeder Beweis. Den Heidegger schenke ich mir diesmal.

Abzulehnen ist sicher der amtliche Zwang zum Englischen. Jeder muß selbst wissen, worauf er sich einläßt, wenn er auf finnisch oder japanisch veröffentlicht.

Und wie gesagt: Man kann ja einem Inder mal erzählen, Wissenschaft sei in einer Lingua franca nicht möglich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.05.2018 um 15.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#38707

Noch mal zum Handschlag (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35035):

Nicht einmal de Maizière könnte wohl auf Anhieb sagen, wann die Deutschen einander die Hand reichen. Auf dem Markt bleibt man stehen und tauscht ein paar Worte mit Bekannten aus, aber man schüttelt einander meist nicht die Hand. (Wieso eigentlich „schütteln“?) Auf einem Waldweg treffen wir eine alte Bekannte mit ihrem Hund. Ich würde ihr schon deshalb nicht die Hand geben, weil sie vermutlich kurz zuvor gewissenhaft die Kacke ihres Köters in ein rotes oder schwarzes Plastikbeutelchen getan hat. („Reißen Sie einen Hundekotbeutel durch die Perforation vom Block ab. Stülpen Sie sich den Hundebeutel über die Hand und greifen Sie ohne sich zu beschmutzen den Hundekot. Anschließend nur noch den Hundekotbeutel umstülpen und zuknoten. Nun ist der Hundekot bzw. Hundekotbeutel bereit für die Entsorgung in der städtischen Mülltonne.“) Diese Erweiterung unserer Leitkultur ist in gewisser Hinsicht eine Bereicherung, denn die Verkotung der Wege hatte unerträgliche Ausmaße angenommen, aber das Ganze ist irgendwie abartig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.11.2018 um 06.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40084

Dieselben Leute, die darauf bestanden, daß die Briten musterhaft direktdemokratisch für den Brexit gestimmt haben, sind nun entschieden gegen ein neues Referendum. Das Volk darf seine Meinung äußern, es darf sie aber nicht ändern.

Vieles spricht dafür, daß die Briten inzwischen etwas besser wissen, was der Brexit bedeutet. Zum Beispiel wußte vor zwei Jahren niemand, daß es ein Irland-Problem geben würde. Diskutiert wurde über andere Themen.

Direkte Demokratie funktioniert nur, wenn die Wähler hinreichend informiert sind. In der Schweiz wird es wenigstens versucht.

Wie schon die alten Griechen wußten, wird die Demokratie von Demagogen zerstört. Bei der repräsentativen Demokratie dauert es etwas länger, das ist ihr größter Vorzug.

Bündnisse entstehen quälend langsam, und ihr Nutzen ist oft nicht für jedermann leicht zu erkennen, vor allem, wenn er selbstverständlich geworden ist. Aber zerstören kann man sie im Handumdrehen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 16.11.2018 um 08.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40086

Es gibt zwei Möglichkeiten. Man kann so oft abstimmen lassen, bis das Ergebnis stimmt (europäische Methode). Oder man läßt die Stimmzettel so lange zählen, bis das Ergebnis stimmt (amerikanische Methode).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.11.2018 um 09.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40087

Ja, das hatten wir schon. Aber es betrifft nicht mein Argument. Mir geht es nicht um die Frage, wie man mit unerwünschten Abstimmungsergebnissen umgeht, sondern mich hat schon lange vor dem Brexitreferendum beschäftigt, wie sich (direkte) Demokratie und Sachkunde verhalten. Theoretisch war ich durch meine Griechisch-Lektüre darauf gestoßen, habe später auch mal was darüber geschrieben (verschollen), war als "Politiker" (ÖDP) noch mal darauf gekommen und dann im Zusammenhang mit dem Volksbegehren zur Rechtschreibreform. Das ist schon ein ernstes Problem.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 16.11.2018 um 21.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40093

Die Sachkundigkeit der Wähler ist bei Referenden über Einzelfragen natürlich immer größer als bei Parlamentswahlen, wo für Parteien gestimmt wird, deren Programme weithin unbekannt sind.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.12.2018 um 06.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40259

Deutsch ist eine sehr exotische Sprache. Deutsche Brocken in anderssprachigen Texten sind fast immer falsch gebildet oder geschrieben. Man scheint darauf zu vertrauen, daß so gut wie niemand es versteht, ähnlich Eipomek.

The philosopher Arthur Schopenhauer admired and often quoted from Chandogya Upanishad, particularly the phrase "Tat tvam asi", which he would render in German as "Dies bis du". (https://en.wikipedia.org/wiki/Chandogya_Upanishad)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2018 um 07.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40310

Trump glaubt ja, die Gelbwesten auf den Champs Elysées hätten "We want Trump" gerufen, während andere sagen, er habe wohl ein Video aus London mit einem aus Paris verwechselt. Ein französischer Minister sagt, er könne sich nicht vorstellen, daß seine Landsleute auf englisch demonstriert hätten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.12.2018 um 13.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40354

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40086:

Oder drittens: so lange nachverhandeln, bis die eigenen Leute zufriedengestellt sind.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.12.2018 um 16.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40355

Dagegen ist nichts zu sagen, denn schließlich ist es das Ziel von Verhandlungen, daß am Ende beide Seiten zufrieden sind.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.12.2018 um 16.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40356

Was aber so wenig eintreten kann und wird wie nach einem weiteren Referendum mit demselben Ziel. (Danach sieht es jetzt fast aus.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.12.2018 um 20.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40357

Wenn man nicht mehr verhandeln mag, muß man eben Krieg führen (Clausewitz). Nur führt dann dessen Beendigung auch wieder zu Verhandlungen. Ärgerlich!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.03.2019 um 17.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40966

Mal wieder Zhang Yimous "Hero" angesehen. Bei Wikipedia liest man, daß der Schlüsselbegriff tian xia eine breite Diskussion hervorgerufen habe. Der Kaiser (Qin Shihuangdi natürlich) will für die Einheit und das Wohl von ganz "Tianxia" (= "was unter dem Himmel ist") sorgen, was entweder das chinesische Volk und Reich oder die ganze Welt bedeuten könne. Enorm ausführlich und auch interessant: https://de.wikipedia.org/wiki/Tianxia

Der Gegensatz bestand aber wohl gar nicht, weil nach chinesischer Auffassung die ganze Welt vom chinesischen Reich umspannt wird, ob sie es nun weiß oder nicht. Die Befriedung der Streitenden Reiche war insofern die Befriedung der Welt.

Zhang Yimou wollte sich anscheinend auch nicht festlegen, und ich muß gestehen, daß mich der Begriff auch nicht weiter befremdet hat, nachdem ich es bei Hans O. H. Stange vor 50 Jahren nicht anders gelernt hatte.

Kim von Korea soll ja amerikanische Lebensmittellieferungen als Tributleistungen des amerikanischen Volkes an den Großen Führer deklarieren, das ist das Satyrspiel dieser Geschichte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.03.2019 um 10.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40992

„Daß eine jede nationale Sprache auch Wissenschaftssprache sein muß, ist wichtig, denn dadurch werden Wissen und Wissenschaft demokratisiert. Die Verwendung der Nationalsprache als Wissenschaftssprache ist also keine Frage des Nationalstolzes, sondern eine der Demokratie.“ (Josef Kraus)
Das ist ehrenwert gedacht, aber wirklichkeitsfern. Man denke an Indien. Dort besteht die Demokratisierung der höheren Bildung darin, daß sie auf englisch stattfindet, obwohl einzelne neuindische Sprachen mehr Sprecher haben als das Deutsche. "Eine jede nationale Sprache"? Vertreter kleinerer Sprachen werden nur abwinken. Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#38295
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.03.2019 um 10.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40993

Durch die Presse gehen Berichte über kleine Fortschritte im Verständnis der Dunklen Materie. Sie sind mir auf deutsch so unverständlich wie auf englisch. Damit meine ich: nicht ganz und gar unverständlich, aber mehr als eine Ahnung können wir nicht erwarten, mit einer gewissen Vertiefung in den Vermittlungstexten von "Spektrum", "Sterne & Weltraum" usw. Sogar die Astrophysiker selbst verstehen ihre mathematischen Modelle nicht ganz, arbeiten aber unverdrossen weiter.

An solche Fälle denken die sprachenpolitischen Amateure offenbar gar nicht mit ihren gutgemeinten Vorschlägen. Aber das ist gerade die Front, an der sich die Wissenschaften für eine internationale Sprache entscheiden. Zu "demokratisieren" bleibt da nicht viel.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 05.03.2019 um 15.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#40994

Indien war eine Kolonie, Deutschland hatte welche.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.05.2019 um 12.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#41612

Zum Video mit Merkels Ehrendoktoratsrede in Harvard schreibt ein Gast:

Boa ey was ist denn mit Leuten los, die sich über Merkels Englisch lustig machen?
1. Will ich euch mal englisch reden hören.
2. Versteht man sie sehr gut, und das ist das wichtige.
3. Weiß jeder Ami oder Engländer es sehr zu schätzen, wenn man englisch spricht, auch wenn es nicht so klingt wie ein native speaker. Die Leute *wissen*, dass man ihre Sprache nicht schon als Kind gelernt hat.


Sehr richtig. Ich möchte wetten, daß keiner dieser Nörgler wirklich englisch sprechen kann. Nur aus der Sicherheit heraus, sich selbst nicht beweisen zu müssen, kritisiert der typische Deutsche die Fremdsprachenkenntnis anderer. Von den amerikanischen Zuhörern dürfte man solche Kritik nicht leicht zu hören kriegen.

Merkel hat, als kleine Verbeugung, englisch angefangen und aufgehört, den Hauptteil aber ebenfalls aus Höflichkeit in ihrer Muttersprache vorgetragen, statt das Publikum mit zwar verständlichem, aber nicht perfektem Englisch zu quälen. Unsere Kleingeister wissen offenbar nicht, daß dies unter gebildeten Menschen international üblich ist, vor allem dort, wo es auf jedes Wort ankommt. Selbstverständlich stand eine Dolmetscherin bereit, die den Text vorab kannte. Im diplomatischen Verkehr ist selbst bei sehr guten Englischsprechern meistens ein professioneller Dolmetscher dabei.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.03.2020 um 04.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#43096

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#30821 und anderen Einträgen:

Vielleicht schafft Corona den Einstieg in den Ausstieg aus dem leitkulturellen Händeschütteln:

Höflichkeit geht auch ohne Händeschütteln steht jetzt auf Aushängen in Banken usw.

Und natürlich erst recht aus der importierten Zumutung Küßchenküßchen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.06.2020 um 07.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#43718

Die dänische Staatsangehörigkeit kann man nur erwerben, wenn man bereit ist, dem Einbürgerungsbeamten die Hand zu schütteln. Dieses Gesetz haben die Rechten 2018 durchgesetzt. Es erfüllt seinen Zweck nur, wenn Kandidat und Beamter verschiedenen Geschlechts sind. Darin sehen einige Bürgermeister eine Möglichkeit, sich aus der Affäre zu ziehen, aber die Mehrheit ist anscheinend ausländerfeindlich genug, eine so reduzierte Leitkultur durchzusetzen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.10.2020 um 03.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#44488

Jared Diamond zählt die primitiven Züge von Pidgins und Kreols auf, ohne zu bemerken, daß es fast durchgehend die Merkmale des Chinesischen sind: keine Flexion, keine Tempora...

Er selbst hat bei seinen Feldstudien in Papua-Guinea das neomelanesische Kreol gelernt und gibt einige Textproben ("The third chimpanzee").

Man könnte sich wundern über bilong (= englisch belong) anstelle des possessiven Genitivs. Aber vgl. gei „geben“ zum Ausdruck des Dativs im Chinesischen in der sogenannten seriellen Verbkonstruktion.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2020 um 11.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#44517

Der Handschlag ist laut einem Gerichtsurteil ein elementarer Bestandteil des gesellschaftlich-kulturellen Zusammenlebens in Deutschland. Für einen Mann in Baden-Württemberg heißt das, er kann kein Deutscher werden.
Wer wegen einer fundamentalistischen Wertvorstellung ablehnt, Frauen die Hand zu schütteln, darf nach einem Gerichtsurteil nicht eingebürgert werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Einbürgerungsantrag eines libanesischen Staatsangehörigen deshalb abgelehnt. Die Einstellung des Mannes gewährleiste nicht, dass er sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordne, teilte das Gericht in Mannheim mit. (...) Der Mann hatte sich bei der ursprünglich geplanten Übergabe der Einbürgerungsurkunde 2015 geweigert, der zuständigen Sachbearbeiterin die Hand zu schütteln. Er begründete dies damit, seiner Frau - einer Muslima deutscher Nationalität und syrischer Herkunft - versprochen zu haben, keiner anderen Frau die Hand zu geben.
(17.10.20)

Ironie der Geschichte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Handschlag je wieder diese - schon vor Corona bröckelnde - Bedeutung erlangen wird. Bei Rechtsakten sollte die Unterschrift genügen, wozu alte Pferdehändler-Bräuche am Leben halten!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.10.2020 um 13.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#44521

Ich finde es auch eigenartig, daß die deutsche Staatsbürgerschaft, die schon so gut wie gewährt war, nur aufgrund des verweigerten Handschlags schließlich nicht erteilt worden ist.

Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die Einbürgerungsüberprüfungen. Genau die Integrationswilligkeit und -fähigkeit muß doch Hauptgegenstand der Prüfungen sein. Es hätte also m. E. viel früher auffallen müssen, ob der Mann die deutschen und europäischen Wertvorstellungen ablehnt. Die Prüfer können doch nicht erst beim verweigerten Handschlag aus allen Wolken fallen. Das hätten sie vorher wissen müssen und abwägen können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2020 um 14.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#44522

Ich rechne mit einer erfolgreichen Revision. Es kann nicht sein, daß jeder Amateur eine Gesinnungsprüfung aufgrund selbstgewählter Anhaltspunkte vornimmt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2021 um 19.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#45317

Das „alternde Europa“ soll sich bemühen, am Fortschritt in anderen Regionen teilzuhaben.
Das ist eine verführerische Metapher, sie suggeriert Selbstaufgabe. Aber Länder, Völker, Kulturen altern nicht. (Die demographischen Verschiebungen sind ja nicht gemeint, wären auch hüben wie drüben nicht sehr verschieden.) Früher hielt man China für greisenhaft (zeremoniell...) erstarrt und daher vernachlässigbar, trotz der vielen Menschen. Eine geradezu explodierende High-Tech-Nation konnte man sich nicht vorstellen.
(Die Chinesen haben ja auch eine vorsintflutliche Schrift und können sich wegen der vielen einsilbigen Homonyme nicht eindeutig ausdrücken, so daß sie sich nicht einmal richtig unterhalten können, ohne die ständigen Mißverständnisse durch Zurückgreifen auf die Schrift zu mildern...)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.03.2021 um 06.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#45481

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#34595

Berichte über eine neue Rekonstruktion des Mechanismus von Antikythera, der wohl gegen Ende des zweiten Jahrhunderts v. Chr. konstruiert wurde. Schade, daß bisher nichts Vergleichbares gefunden wurde.

Ich habe gelernt, daß die hochentwickelte Technik der alten Griechen deshalb nicht direkt zu einer technischen Revolution geführt hat, weil die Arbeitskraft der Sklaven so billig war. So kann man es ja überall lesen, aber stimmt es auch? Die westliche Zivilisation hat sich nur einmal entwickelt (wie jede andere), und es ist sehr gewagt, daraus allgemeine Entwicklungsgesetze zu extrapolieren wie Oswald Spengler und die anderen rückwärts gewandten Propheten.

Wie auch immer die Maschine von Antikythera ausgesehen und funktioniert hat, ich empfinde schon ihre bloße Existenz als Schlag ins Kontor. Die Griechen hätten auch "Näh- und Mäh- und Waschmaschinen" bauen können, und wir wissen nicht, warum sie es nicht getan haben - das ist die schlichte Wahrheit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2021 um 06.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#46828

Gerade jetzt staune ich wieder, wie viele Menschen sich als Islam- und Afghanistan-Kenner zu Wort melden, von denen ich genau weiß, daß sie sich nie damit beschäftigt haben.

Zur Allgemeinbildung sollte gehören, das nicht zu tun. Unsere Schulen erstreben das Gegenteil: Sich eine Meinung zu bilden steht viel höher als Tatsachen zu lernen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.12.2021 um 06.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#48076

Die Frankophonie wittert Morgenluft. Das fing schon mit den Brexit-Vorbereitungen an. Könnte man nach dem Abgang Briten nicht auch die englische Sprache in „Brüssel“ zurückdrängen? (Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#35157) Daraus wird wohl nichts werden. Englisch ist die Weltsprache, daran kann der westliche Wurmfortsatz Eurasiens nichts ändern.

Die neuen Sprachtechnologien werden die automatische Übersetzung erleichtern und es den Franzosen ermöglichen, kein Englisch mehr lernen zu müssen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.01.2022 um 05.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#48142

Man ist nicht gleich Rassist usw., wenn man gar nicht erst versucht, den Namen Cem Özdemir korrekt türkisch auszusprechen. In Amerika kommen viele Einwanderer den örtlichen Sprachgewohnheiten entgegen, indem sie ihre Namen anpassen, zum Teil radikal. In der Unterhaltungsindustrie ist das sogar der erste Schritt, um überhaupt auf Erfolg hoffen zu können. Wir sind da seltsam pingelig, allerdings nicht konsquent (Paris, Moskau...). Bei wirklich sehr fremden Sprachen wie Chinesisch oder Vietnamesisch gehen wir kaum über eine ungefähre Annäherung hinaus. Das ist ja auch ganz natürlich und war in der Sprachgeschichte immer so.

Lesefrüchtchen: Wer sich ein wenig mit Physiologie, insbesondere Neurologie beschäftigt, kennt manche Ausdrücke, die an den großen Mediziner Purkinje erinnern. Bei Wikipedia wird er in originaler Schreibweise lemmatisiert, die fast niemand kennt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.01.2022 um 17.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#48154

Eine deutsche Politikerin, an deren Namen ich mich nicht erinnern kann (de la Marliniere oder Prien oder so ähnlich), schrieb zum Fall Maaßen: „Ça suffit“. Schon Eduard Engel wußte, daß die plumpe deutsche Sprak keinen passenden Ausdruck für so subtile Gedanken hat. Die Zeitungen zitieren es und setzen wie zum Beweis in Klammern eine umständliche deutsche Übersetzung dazu („Es reicht!“).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.01.2022 um 08.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#48174

Der Gemüsehändler glaubt mich vor seinem Ingwer warnen zu müssen: "Der ist aber aus China." Na und? Ich muß ja nicht die Xi-Gedanken übernehmen, wenn ich den Xi-Ingwer kaufe. Und den Uiguren helfe ich auch nicht, wenn ich ihren Ingwer nicht kaufe.

Das ist nur ein Beispiel. Viele Länder haben ihre "Uiguren". Schlimm genug, aber es kann nicht Aufgabe von Privatleuten sein, daran etwas zu ändern.

Der Ingwer ist übrigens sehr gut. Die Inder produzieren zwar noch mehr, essen ihn aber selbst, sonst würde ich ihn natürlich auch kaufen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.01.2022 um 07.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#48209

Axel Hacke (SZ Magazin) gibt zu, daß er nur einen einzigen Witz kennt, und der hat einen enormen Bart – sogar ich kannte ihn schon. Aber ich fühle mich außerdem betroffen und getroffen, denn mir geht es auch so. Ich kenne natürlich eine Menge Witze, aber auf Anforderung könnte ich keinen erzählen, weil mir einfach keiner einfällt. Ich bin also nicht sehr unterhaltsam. (Ich hasse es, unterhalten zu werden, darum habe ich auch kein Fernsehen.) Dabei habe ich selbst welche gesammelt, weil sich an Witzen fast die ganze Sprache sehr gut erklären läßt. Und in meiner Unschuld kann ich Tränen lachen, wo andere nur ein langes Gesicht ziehen. Fragen Sie meine Frau!

Hacke erzählt am Ende aber doch noch einen, der anscheinend sehr bekannt ist, nur mir nicht, und bevor ich ihn wieder vergesse, will ich ihn hier festhalten:

Kommt ein Tscheche zum Augenarzt. Der hält ihm die Buchstabentafel vor, auf der steht C X Z W J N Q Y S T A C Z. Der Arzt fragt: „Können Sie das lesen?“ „Na klar!" ruft der Tscheche: „Ich kenne den Mann sogar!“ (Orthographisch rereformiert)

Das ist natürlich einer von den vielen Ethnowitzen (Chinesen können r und l nicht unterscheiden usw.) und eigentlich unzulässig – oder? Aber wir würden die Tschechen nicht so lieben, wenn sie nicht solche Schwierigkeiten mit ihrer Sprache hätten. Sie machen sich ja selbst darüber lustig (Strc prst skrz krk).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.01.2022 um 19.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#48219

Ich kann zwar auch schlecht Witze erzählen, und übers Finnische schon gar nicht, aber die Schreibweise steht dem Tschechischen an (für uns) amüsanten Kombinationen nicht nach. Ich schlage mal irgendeine lokale Zeitung auf (mache hier gerade Winterurlaub):

määräävä (bestimmt),
uutuus (Neuheit),
hiihtovaatteet (Skibekleidung) usw.

Fast alle Vokale und Konsonanten (auch Umlaute und y) können verdoppelt werden, was immer einer langen Aussprache entspricht (bei Verschlußlauten wird davor eine kleine Pause gemacht). Die Finnen schreiben gnadenlos alles so, wie man es spricht.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 16.01.2022 um 13.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#48239

Zum "Strc prst skrz krk":

https://www.youtube.com/watch?v=Dx04xAoHDE8
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.11.2022 um 13.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#49930

Früher war Staatsbürgerschaft amtlicher Gebrauch der DDR, während im Westen Staatsangehörigkeit galt. In der aktuellen Diskussion scheint sich aber Staatsbürgerschaft flächendeckend durchgesetzt zu haben. Vielleicht wegen des normaleren Staatsbürger, staatsbürgerlich.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 26.11.2022 um 21.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#49931

In der DDR wurde in amtlichen Formularen nie allein nach der Staatsbürgerschaft gefragt. Es war immer auch die Nationalität auszufüllen. Beispielsweise mußte man schreiben:

Staatsbürgerschaft: DDR
Nationalität: deutsch (oder sorbisch bzw. ausländische Nationalitäten)

Ob statt Staatsbürgerschaft auch manchmal Staatsangehörigkeit gesagt wurde, daran kann ich mich nicht erinnern. Ich denke, beides wurde in der DDR schon wie heute synonym gebraucht.

Die Nationalität entsprach wohl am ehesten dem, was man heute mit Migrationshintergrund umschreibt. Nationalität gibt die Herkunft nur etwas genauer wieder.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2022 um 05.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#49932

Der Eintrag https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalität gibt gleich am Anfang die DDR-Regelung, wie Sie und auch ich uns erinnern, mit weiteren interessanten Einzelheiten. "Rasse" wird natürlich vermieden. Aber die Idee schwingt mit, auch anderswo (s. zu China ebd.). Man sagt gern "ethnisch", aber das ist ebenso problematisch.

In unserer Arbeitsgruppe zur DDR (Manfred Hellmann, Horst Dieter Schlosser u. a.) haben wir uns seinerzeit auch mit der schwankenden Haltung der SED zur Nationalität beschäftigt: Mal wurde die deutsche Einheit betont, mal eine sozialistische deutsche Nation zu schaffen versucht. Ich habe untersucht, wie sich das in den Materialien zu "Deutsch als Fremdsprache" niederschlug, vor allem in der gleichnamigen Zeitschrift.

Ein Schweizer Kulturfunktionär erklärte mir einmal, daß die Schweizer aller vier Sprachgebiete sich als EINE Nation fühlten.

Meine Frau mußte sich mit 18 zwischen der deutschen und der südafrikanischen Staatsangehörigkeit entscheiden (letztere nach dem Ius soli).

Es wird immer schwieriger und auch gleichgültiger, die "Herkunft" oder was auch immer neben der klaren formalen Staatsangehörigkeit zu bestimmen.

Ich wollte noch nachtragen, daß der beobachtete Wandel des Sprachgebrauchs auch damit zusammenhängt, daß "Bürger" normalsprachlicher und produktiver ist als das amtsdeutsche "Angehöriger". Es geht also ähnlich wie mit "Fernsprecher", "Lichtzeichenanlage" oder "Postwertzeichen".
 
 

Kommentar von Christof Schardt, verfaßt am 27.11.2022 um 05.29 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#49933

Bei Ihrem letzten Absatz habe ich kurz gestutzt, weil ich "Angehöriger" nur mit Familie in Verbindung bringe, nicht aber mit dem Staat. Letzteres würde nur durch ein explizites "Staatsangehöriger" erreicht. Anders als bei "Bürger", das auch ohne den Zusatz so verstanden werden kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2022 um 05.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#49934

Früher wurde "angehörig" viel weiter verstanden. Die Verrechtlichung klingt immer noch mit, ob bei Familie oder Staat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.12.2022 um 07.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#50130

Weil es hier um "Festungen" geht, will ich eine Lesefrucht mitteilen, die naturgemäß nicht ganz taufrisch sein kann. In Melvilles "Moby Dick" stößt man überraschenderweise auf die Erwähnung von Ehrenbreitstein, nämlich im Kapitel "The pulpit" – über jene Kanzel, von der herunter im Film Orson Welles die Predigt von Father Mapple halten wird. Melville setzt offenbar voraus, daß seine Leser damit etwas anfangen können.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.02.2023 um 06.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#50523

Werner König und andere machen sich für den Dialekt stark: Blaukraut statt Rotkohl usw.
Letztlich geht es immer um den Begriff Muttersprache, der laut dem Wiener Sprachwissenschaftler Stefan-Michael Newerkla "auch stark ideologisch konnotiert ist, weil er Sprache gleichsam auf Abstammung zurückführt".

Andererseits: Kinder, die zweisprachig aufwachsen – in Deutschland gibt es Millionen solcher Fälle – gelten als bilingual. Am Bielefelder Institut für frühkindliche Bildung versichert man, dies sei kein Nachteil, und das gilt auch für Dialekte. Die Forscher sind überzeugt, dass eine solche Sprachmischung "eine sehr kreative Nutzung der gesamten sprachlichen Kompetenz ist" – und kein Defizit. (SZ 20.2.23)

Wenn es in Deutschland Millionen zweisprachige und folglich besonders kreative Kinder gibt, braucht man sich ja um die Zukunft keine Gedanken zu machen. In Indien ist jeder zwei- oder mehrsprachig. Glückliches Land!
Übrigens wird der Verdacht gegen „Muttersprache“ auch mehr behauptet als bewiesen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.02.2023 um 16.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#50532

Kein Dialekt! Es gibt norddeutsches, mitteldeutsches und süddeutsches Hochdeutsch. Beispiele: norddeutsch "Schlachter", mitteldeutsch "Fleischer" ("Fleischereifachverkäuferin"), süddeutsch "Metzger". Norddeutsch "Tischler", süddeutsch "Schreiner". Böttcher - Töpfer. usw. Alles alte Handwerksberufe.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.04.2023 um 08.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#50817

„Sprache ist die menschliche Weise, sich die Welt denkend zu erschließen. Diese Einsicht wird jedoch in der europäischen Sprachkultur oft missachtet oder gar bekämpft. Deswegen ist die Sprache heute von vielen Seiten bedroht: durch die Übertreibung ihrer bloß kommunikativen Funktion, durch die Vernachlässigung der alten Kultursprachen, durch einen falschen Purismus und durch die Abkehr von der Mehrsprachigkeit.“ (Anzeige von Jürgen Trabants Buch „Sprachdämmerung“)

Die Hochkulturen der Welt (China, Indien, Griechenland, Rom) waren einsprachig und hatten auch kein Interesse an den jeweils alten Kultursprachen. Was folgt daraus? Nichts. Aber erwähnen sollte man es. Jedenfalls lassen sich aus der Geschichte keine Belege für den behaupteten Wert der Mehrsprachigkeit beibringen. Vielsprachigkeit war immer ein Fluch (Babel). Erst der Nationalstaat brachte einen neuen Ton auf. (Zu "bloß kommunikativ" wäre auch einiges zu sagen.)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.04.2023 um 13.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#50818

Wenn ich als Grundschüler schon Kenntnisse in Polnisch und Tschechisch gehabt hätte, hätte ich die merkwürdigen Familiennamen mancher Flüchtlingskinder übersetzen können. Schade.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.04.2023 um 16.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#50819

Wieso schade? Gab es denn damals viele polnische und tschechische Flüchtlinge?

Die allermeisten Flüchtlinge waren damals wohl Deutsche. Was hat es Ihnen gebracht, daß Sie deren Familiennamen verstehen konnten?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.04.2023 um 17.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#50820

Eigennamen haben keine Bedeutung, hatten aber meistens mal eine. Herr Riemer macht, soweit ich weiß, keine Riemen mehr. Für die Herkunft interessieren sich die Namenforscher und Volkskundler.

Eigennamen werden im allgemeinen nicht übersetzt. Ausnahmen sind sprechende Namen in satirischen Texten oder in Fabeln, z. B. im Panchatantra, wo Arthur Ryder sie alle sehr nett übersetzt (und auch die unzähligen Verse allerliebst auf englisch nachbildet).

Wenn man sich für die ursprüngliche Bedeutung von Namen interessiert, muß man ja auch nicht gleich die ganze Sprache lernen. Ich kann leider kein Ungarisch, habe aber gelernt, was Nagy, Kovács und Molnár bedeuten.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 02.04.2023 um 18.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#50821

Manche Deutsche aus den früheren Ostgebieten haben polnische oder tschechische Namen. Die kann man sich leichter merken, wenn man die deutsche Bedeutung kennt. Weil wir die als Kinder nicht kannten, haben wir uns über die merkwürdigen Namen lustig gemacht. Kinder sind so.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.04.2023 um 05.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#50822

Schulbücher bzw. die Bücher, die ein Mensch in seiner Kindheit liest, weil er sie zufällig vorfindet, prägen ihn wahrscheinlich oft viel mehr, als er weiß. Wenn jemand in seiner Autobiographie darauf zu sprechen kommt, gehe ich dem gern nach.
Manchmal stößt man auf sozusagen unbekannte Bestseller. Nirad Chaudhuri erwähnt „Evenings at home“ und Mary Mitfords „Our village“ als Quellen seines kindlichen Englandbildes. Diese einst sehr bekannten und zweifellos einflußreichen Werke werde ich mir mal ansehen.
Millionen französische Kinder müssen „Le tour de France par deux enfants“ gelesen haben. Davon gibt es übrigens eine Umarbeitung für das heutige Frankreich, und die beiden Brüder André und Julien sind zeitgemäß durch Camille und Paul ersetzt, die sorgfältigen alten Stiche durch eher uninteressant Zeichnungen. Den Erfolg des alten Buches konnte die Neufassung aber nicht erreichen. Ich habe mir beide Fassungen mal in Lyon besorgt.
Die fiktive Reise als Leitfaden der Landeskunde gibt es auch sonst oft, eigentlich kann man schon Kalidasas „Meghaduta“ so lesen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.06.2023 um 18.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#51263

Die Weltkarte des „Korruptionswahrnehmungsindex“ legt die Vermutung nahe, daß „Korruption“ ein Begriff ist, der auf einem interkulturellen Mißverständnis beuht. Andernfalls würde die Übersicht die Guten von den Schlechten trennen, aber das kann es ja nicht sein. Der moderne Staat im westlichen Sinn beruht auf einer Verwaltung, die ihre Aufgaben ohne Ansehung der Person durchführt. Der Inbegriff ist die unpersönliche Bürokratie. Dagegen stehen Gesellschaften, die es als selbstverständlich betrachten, daß jeder seinen Vorteil und den seiner Familie und seines Clans sucht. Das Klientelsystem kennt einige Reiche und Mächtige und viele Arme, Ohnmächtige, die von ihrer Gunst abhängen. Das ist die natürliche Ordnung, niemand findet etwas Unrechtes dabei. (Wie auch die Unberührbaren ihr Schicksal klaglos hinnahmen, bis fremde Wertsysteme sie verunsicherten; aufschlußreich ist „My village, my life“ von Prafulla Mohanti; dazu die Fortsetzung.)
Nirad C. Chaudhuri beschreibt am Beispiel der ganz in indische Hände übergegangenen Calcutta Corporation („Calcutta Corruption“) die ausufernde Korruption (Thy Hand, Great Anarch S. 379ff.); er sah voraus, daß der Abzug der Briten das ganze Land in diesen Sumpf ziehen würde, und sah seine Befürchtungen bestätigt. Wer mit solchen Ländern nicht nur als Tourist zu tun hat, ist oft erstaunt über die Ungeniertheit der offenen Hände. Es hat schon wieder etwas Unschuldiges. Der Zollbeamte, der Polizist, der Briefträger wollen ja auch leben, haben Familie usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2023 um 06.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#51348

In "Indiana Jones", fünfter Teil, scheint "das Antikythera", eine Art Zeitmaschine, eine Rolle zu spielen. Ob es den Tourismus auf das Inselchen fördert?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2023 um 04.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#51519

Kurioserweise will Alice Weidel (AfD) die EU nun zwar nicht mehr verlassen, sondern ausdrücklich zu einer "Festung Europa" ausbauen.

Das ist nicht ganz unwichtig, weil eine Kanzlerin Weidel immerhin denkbar gebworden ist (bzw. ein Führer Höcke, der allerdings die EU verlassen und auflösen will, so daß die Festung Deutschland übrig bleibt).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2023 um 03.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#51801

Aus den nachgelassenen Notizen von Oswald Spengler:

„Sprachenschicksal: Herrenvölker verlieren die Sprache (Turscha, Normannen); Siedlungsvölker halten sie fest. Keine Sprache beweist etwas für die Herkunft der sie redenden Bevölkerung. [Es gibt] drei Wandertypen von Sprachen: Siedlerexpansion (deutsch), Handelssprachen (englisch), Verwaltungssprache (römisch). Es gibt ursprünglich keinen ›Stolz auf die Muttersprache‹. Im Gegenteil: Stolz, die fremde Herrensprache zu verstehen.“
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.10.2023 um 05.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#51893

Ich weiß nicht, welche Überlegungen zur Schließung einiger Goethe-Institute und zur Eröffnung anderer geführt haben, aber Nils Minkmar (SZ) greift sehr hoch, um das zu kritisieren. Rotterdam, Genua, Triest gehörten zum „Kern des alten Europa“, besonders Frankreich liegt dem Halbfranzosen am Herzen, und Goethe, „der sich zeitlebens mit Frankreich und Italien so intensiv beschäftigte, würde sein Gesicht in den Händen vergraben“. Das ist denn doch weit hergeholt, würde auch eher für mehr französische und italienische Institute in Deutschland sprechen. Es gibt noch mehr windige Begründungen. Minkmar behauptet, es sei nicht die Aufgabe deutscher Kulturpolitik, im „außereuropäischen, gar südpazifischen Raum“ Arbeitskräfte auszubilden usw. („Gar südpazifisch“! „Arbeitskräfte“! – man hört den höhnischen Ton beim Lesen...) Er ist nicht gegen Einsparungen, aber doch nicht in der Kultur! Am Schluß liest man, was man seit Jahrzehnten immer liest, wenn sich bei den „Mittlerorganisationen“ etwas ändern soll: Es ist eine Katastrophe!
Eine weniger pathetische Analyse der auswärtigen Kulturpolitik wäre überzeugender. Meine eigene Arbeit in diesem Bereich liegt schon lange zurück, aber zu kritisieren gab es immer eine ganze Menge. Sakrosankt sind diese Tentakel des Auswärtigen Amtes nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.10.2023 um 07.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#51930

Schon wieder eine Polemik gegen die Schließung von Goethe-Instituten in Frankreich in der SZ. Diesmal ist es der Schriftsteller Jörg Bong, der noch viel mächtiger in die Tasten greift als zuvor Nils Minkmar. Man könnte meinen, die Menschheit sei in Gefahr, weil Baerbock das "europäische Erbe mit Füßen tritt". Es ist nicht nur lächerlich, die Zeitung hält es auch nicht für nötig, die Argumente der Bundesregierung für ihre auswärtige Kulturpolitik mitzuteilen. Nach der Effizienz zu fragen war in diesem heiligen Bezirk noch nie üblich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2023 um 06.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#51969

In der SZ schon wieder eine große Polemik (die wievielte?) gegen die Schließung einiger Goethe-Institute. Und wieder die ganz große Kanone: Baerbock „verkauft die Seele Europas“, „spielt mit dem Feuer“ usw. Zu Corona-Zeiten nutzten die Kulturschaffenden ihren privilegierten Zugang zum Feuilleton mit ähnlichen Argumenten: Natürlich müsse jeder sich einschränken, aber doch nicht wir!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.10.2023 um 03.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52017

„Das Englische ist nicht eine Globalsprache, sondern die – sprachsoziologisch gesehen – ‚erfolgreichste‘ Kolonialsprache.“ (Konrad Ehlich in Rudolf de Cillia u.a., Hg.: Die Kosten der Mehrsprachigkeit. Wien 2003:55)

Aber was wäre die dazugehörige Kolonie? Historisch mag es zutreffen, aber nicht soziologisch. Die Entwicklung ist weit darüber hinausgewachsen. Die verbreitetste Sprache verbreitet sich weiter – so einfach ist das.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.10.2023 um 07.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52019

Friedrich Merz will in den Einbürgerungstest eine weitere Frage aufnehmen. Die Bewerber sollen sich zum Existenzrecht Israels bekennen. Vielleicht wird dadurch die Frage nach Gemälden von C. D. Friedrich überflüssig. Im schweizerischen Einbürgerungstest wird nach Einzelheiten des Alphornblasens gefragt. Das Problem hier wie dort: Es ist nicht schwer, den ganzen Fragenkatalog auswendig zu lernen. Ein Eritreer muß noch nie ein Alphorn gesehen haben und auch nichts über die Palästina-Frage wissen, um normgerecht zu antworten. Wer hier Terror plant oder Minarette bauen will, wird sich hüten, schon beim Test zu provozieren.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.10.2023 um 11.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52020

Wirklich in den Einbürgerungstest? Das wäre aber eine ganz neue Art von Fragen, keine Wissensfrage, sondern eine Verhaltensfrage bzw. -garantie. Von den anderen Fragen darf man, soweit ich gehört habe, einzelne bis hin zu einer Maximalanzahl falsch haben, was aber wohl für diese Frage nicht gelten würde, oder?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.10.2023 um 04.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52049

Bevor die europäische Grammatik durch die Bekanntschaft mit Panini aufgeklärt wurde, war auch der schulische Lateinunterricht äußerst schwerfällig und ineffektiv (anders als der Unterricht in lebenden Fremdsprachen durch Sprachmeister oder Gouvernanten). Man lernte das extrem umständliche Doctrinale des Alexander De Villa Dei auswendig, und die wirkliche Gewandtheit im lateinischen Ausdruck blieb weit hinter dem zurück, was der idealisierende Blick auf das bildungsmäßig geeinte „lateinische Europa“ uns heute vorgaukelt. Schon Comenius klagte:
„Um z.B. das Studium nur der lateinischen Sprache zu berühren, – lieber Gott – wie war das verwickelt, mühevoll und langwierig. Marketender, Troßknechte und Handlanger lernen in der Wirtschaft, im Kriegsdienst oder bei sonstigen niederen Arbeiten leichter irgendeine fremde Sprache, ja sogar zwei oder drei, als die Zöglinge der Schulen bei aller Mühe und allem Eifer nur die lateinische. Und wie ungleich ist der Erfolg! Jene können schon nach Monaten geläufig schwatzen, diese kaum nach 15 oder 20 Jahren einiges auf Latein vorbringen und oft auch dann nur auf Krücken von Grammatik und Wörterbuch gestützt und nicht ohne Zögern und Stammeln. Woher kommt eine solche Vergeudung von Zeit und Mühe, wenn nicht von einer fehlerhaften Methode?“
Comenius hätte das nicht schreiben können, wenn es nicht mit der Erfahrung der Gebildeten seiner Zeit übereingestimmt hätte. Dabei ist zu bedenken, daß der Unterricht fast nur Lateinunterricht war. Die Klage blieb die gleiche bis hin zu Wilamowitz und Paulsen, zu deren Zeit der Anteil des Lateins auf immerhin noch 9 oder 10 Wochenstunden geschrumpft war. In der Diskussion um die humanistische Bildung wird dieses Bildungsdesaster meist gar nicht erwähnt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.10.2023 um 04.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52050

Das Argument, Englisch solle nicht erste Schulfremdsprache sein, weil die Kinder es sowieso auf der Straße lernen, wird meistens von Romanisten vorgetragen, die ja auch hinter dem Nachbarsprachenprojekt stecken.

Rudolf-Josef Fischer weist nach, daß Englischkenntnisse weit weniger verbreitet sind, als angenommen wird, und daß die meisten Leute sich überschätzen. Deutschland sei weit von praktischer Zweisprachigkeit entfernt. Fünf Testsätze konnte kaum einer korrekt ins Englische übersetzen. (Thomas Gehling u. a., Hg.: Einblicke in Sprache. Fs. f. C. P. Herbermann zum 65. Geb. Berlin 2006.)

Da in Deutschland anders als etwa in Indien das Englische nicht als Landes-Zweitsprache "auf der Straße" gesprochen wird, kann von einer fast unvermeidlichen Aneigung keine Rede sein.
Es gibt denn auch einen riesigen Nachholbedarf. Die Erwachsenenbildung ist der Reparaturbetrieb für eine verfehlte Schulbildung.
 
 

Kommentar von , verfaßt am 30.10.2023 um 17.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52053

Lieber Herr Ickler,
im vorletzten Beitrag zitieren Sie Comenius, der sich da sehr deutlich über die Ineffizienz des zeitgenössischen Lateinunterrichts ausläßt.
Es ist zumindest denkbar, daß Comenius ein wenig werbewirksam übertreibt, in verkaufsfördernder Absicht für seine eigenen Lehrmethoden und vor allem -werke. Dort erhebt er das „Stammeln“ (balbutire?) nun allerdings als Einstiegserleichterung gar zur Methode. Insofern verwundert mich die Wortwahl in diesem Zusammenhang ein bißchen.
Könnten Sie bitte die Fundstelle nachliefern? Vom originalen Kontext erhoffe ich mir Aufschlüsse. Vielen Dank.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.10.2023 um 18.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52054

Gern geschehen!

Vel solius Latinae lingvae (ut id exempli causâ obiter tangam) studium, bone Deus qvam intricatum, qvam operosum, qvam prolixum fuit! Promptius lixae, et calones, et cerdones qvicunqve inter culinarias, militares, aliasqve sordidas operas, addiscunt qvamvis a vemacula sua discrepantem lingvam, imo duas vel tres, qvam Scholarum alumni, in summo orio, summâ contentione, unicam Latinam. Et qvam inaeqvali profectu? Illi post menses aliqvot expedite sua garriunt: hi post qvindecim etiam aut viginti annos, plerumqve adhuc nonnisi serperastris suis Grammaticis et Lexicis, alligati, qvaedam illa Latine proferre posssunt: et ne illa quidem sine haesitantia et titubatione. (Didactica magna Kap. 11. Übs. A. Flitner)
 
 

Kommentar von , verfaßt am 30.10.2023 um 20.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52055

Aha! Also nicht balbutire, sondern titubare/titubatio! Die Übersetzung des spätlat. (?) titubatio (von titubare – wanken) mit „Stammeln“ halte ich aus dem erwähnten Grund für unglücklich.
Hier: https://web.archive.org/web/20140202105252/http://core.roehampton.ac.uk/digital/froarc/comgre/part2/pgs76-80.pdf ist es m.E. besser mit „cannot do even this without mistakes ...“ übersetzt.
Nebenbei: Das hübsche lautmalerische garrire erinnert mich stets an die erstaunliche Motette „Garrit gallus/In nova fert“ (Ph. de Vitry, frühes 14. Jh.) aus dem Roman de Fauvel mit ihren zwei gleichzeitig gesungenen Texten.
Nochmal danke.
 
 

Kommentar von A.B., verfaßt am 30.10.2023 um 20.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52056

☹ — Schade, daß es hier weder eine Vorschau- noch eine Korrekturfunktion gibt. Mein diesmal brav vollständiger eingetragener Name (A. Brünner) wurde zweimal von der Software verschluckt, warum auch immer.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.10.2023 um 04.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52058

Ich hatte Friedrich Paulsen erwähnt, dessen Erinnerungen "Aus meinem Leben" sehr lesenswert sind, sogar in der rechtschreibreformerisch verhunzten Neuausgabe. Seine Kritik an der neuhumanistischen Schule ist ja bekannt, die Autobiographie liefert dazu die erlebten Einzelheiten. Man könnte stundenlang zitieren, z. B. auch zu den Vorzügen der Koedukation. Zu unserem Thema sagt er u. a.:

"Die Voraussetzung für das Gelingen dieses Lateinbetriebs ist natürlich: daß das Lateinschreiben bei den Schülern als die erste und eigentliche Kunst des Gelehrten in Geltung steht. Sie traf für uns noch in vollem Maße zu; vor allem wußte uns eben Dr. Henrichsen in dieser Anschauung zu erhalten: das Latein macht den Gelehrten, mit einem guten lateinischen Stil kommt man durch die ganze Welt, pflegte er zu sagen. Und es kam nichts an uns, was uns hierin hätte zweifelhaft machen können. Wir verachteten getrost die modernen Sprachen, sie sind für den Kaufmann, nicht für den Gelehrten; wir schätzten die Mathematik gering, von Naturwissenschaften wußten wir nichts, und von Technik und Industrie war damals, wenigstens in unseren Kreisen, nirgends die Rede. Ebensowenig hörten wir von Schulreform und Überbürdung: wir lebten noch ungestört in den Anschauungen, mit denen der Neuhumanismus am Anfang des Jahrhunderts die allgemeine Bildung und die Gelehrtenschule durchdrungen hatte: das Altertum die vornehme Welt, in der heimisch zu sein, das Vorrecht des Gelehrten ist; der lateinische Stil das gemeinsame Erkennungszeichen und gleichsam die Legitimation der gelehrten Bildung."

Daß es noch eine andere Schule geben könnte als die um tote Sprachen fremder Völker herum aufgebaute, hat sich nur sehr langsam herumgesprochen. Und selbst das war ja schon neu gegenüber Religion als Kernfach.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.11.2023 um 16.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52302

Though he refused to take the required swimming test for a bachelor’s degree (a matter that was rectified when Columbia gave him an honorary degree in 1983), he stayed at the university and eventually received an instructorship and finally a doctorate in psychology. (Wikipedia über Mortimer Adler)

Skinner berichtet, wie er einem jungen Kollegen half, der sein Abschlußzeugnis nicht erhalten sollte, weil er den Deutsch-Test nicht bestanden hatte. In deutscher Kriegsgefangenschaft hatte er eine unüberwindliche Abneigung gegen das Deutsche erworben.

Mich wunderte es ein wenig, daß sogar nach dem Zweiten Weltkrieg im Fach Psychologie noch Deutsch verlangt wurde, obwohl die Forschung längst (buchstäblich) nach Amerika gewandert war.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.12.2023 um 05.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52449

Endlich wird der Begriff „Leitkultur“ mit Inhalt gefüllt: "Wenn wir von Leitkultur sprechen, von unserer Art zu leben, dann gehört für mich dazu, vor Weihnachten einen Weihnachtsbaum zu kaufen." (Friedrich Merz) Ob sich die Muslime und Juden dazu durchringen werden? Auch zu Schweinebraten (wie es die Schwesterpartei fordert)?
Omnis determinatio est negatio. Mit der inhaltlichen Füllung wird logischerweise auch klarer, gegen wen der Begriff „Leitkultur“ gerichtet ist.
Verfassungsrechtlich gibt es ein Problem wie seinerzeit beim Einbürgerungstest: Die Kenntnis von Gemälden Caspar David Friedrichs schien als Vorbedingung für die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit doch etwas übertrieben. Und nun soll es der Erwerb eines Weihnachtsbaums sein? (Noch deutscher wäre der Verzicht auf den Weihnachtsbaum aus ökologischen Gründen, aber so weit treiben nicht einmal wir Müslis unseren Ökowahnsinn. Die PV-Anlage soll unser letzter Exzeß bleiben.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.12.2023 um 08.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52490

Die SZ hat Nils Minkmar diesmal eigens nach Bordeaux geschickt, um noch einmal auf einer ganzen Seite über die Schließung eines Goethe-Instituts zu berichten und mit großem rhetorischen Aufwand dagegen Stimmung zu machen. (29.12.23) Gründe für die Schließung seien nicht bekannt (weil man das Außenministerium nicht fragt, sondern nur die „Opfer“). Ein neues Institut wird eröffnet – in Fidschi! Auch anderswo, z. B. in Moldau und Texas, aber Fidschi wird besonders gern erwähnt, weil es so schön lächerlich klingt. Was sollen die Fidschis mit Goethe anfangen? Vermutlich essen sie noch mit den Fingern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2024 um 07.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52573

(Auch zu früheren Einträgen unter "Heizen mit Brot":)

In einem Bericht (!) bezeichnet es die Süddeutsche Zeitung als „echten Fortschritt für Südkorea“, daß dort auf Betreiben von Tierschützern das Schlachten und Verzehren von Hunden verboten wurde. Wie kommt die Zeitung dazu, deutsche Nahrungstabus für allgemeingültig zu erklären? Gegen den Verzehr von Geflügel (ebd.) hat sie nichts, und auch Schweine könnte man erwähnen, auf deren massenhaften Verzehr unsere bodenständigen Politiker geradezu stolz sind
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.01.2024 um 10.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52614

Annie Ernaux und andere Größen der linken französischen Kulturszene haben den Boykottaufruf gegen deutsche Kultur (!) unterschrieben, weil die deutsche Politik (!) zu israelfreundlich sei. (Zur Camouflage der deutschen Rechten gehört es, der deutschen Politik zu große Palästinenserfreundlichkeit vorzuwerfen, aber das ist ein anderes Thema.) Man könnte dann die Schließung von deutschen Goethe-Instituten für eine ganz passende Antwort halten. Das alles ist primitiv und unwürdig. Wird diese Finsternis je wieder durch ein wenig Aufklärung erhellt werden? Zu meinen Lebzeiten wohl nicht mehr.

Der jüngste Beschluß des Landgerichts München I bestätigt, daß man gut daran tut, zum Palästinakrieg keine Meinung zu äußern. Auch wer nur den Terror der Hamas verurteilt, ist verdächtig, denn warum spricht er eine Selbstverständlichkeit eigens aus? Das deutet doch auf ein unzulässiges – sei es auch unausgesprochenes – „Aber“ hin. (Vielleicht bin ich mit diesem Eintrag schon zu weit gegangen und werde von nun an beobachtet. Wie auch die SZ, deren Rechtsexperten meine Meinung teilen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.01.2024 um 13.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52615

Wie die SZ ausdrücklich hervorhebt, läßt Frau Ernaux ihre erleuchteten Texte aber weiterhin auch auf deutsch erscheinen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.01.2024 um 17.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#52622

„Teil der Neuregelung: Wer als strenggläubiger Muslim oder Jude Frauen den Handschlag verweigert, wird nicht von der Vergabe des Passes ausgeschlossen.“ (welt.de 19.1.24)

Es brauchen also keine Dissertationen über die Bedeutung des Handschlags für das Deutschtum mehr geschrieben zu werden. Und bei aller Wut auf die Muslime: strenggläubige Juden auszusperren oder auszuweisen geht ja wirklich nicht an.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.08.2024 um 08.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1506#53782

Die Grünen fordern wieder mal Englisch als zweite Amtssprache, um ausländische Arbeitskräfte anzulocken. Ungeschickter kann man es in Wahlkampfzeiten nicht angehen.
 
 

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