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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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23.10.2009
 

Namen und Pleiten
Was verspricht Solidität?

Arcandor und Primondo – was für hübsche Wörter! Irgendwo habe ich voller Neid gelesen, wieviel Geld mit der Erfindung solcher Namen verdient worden ist. Warum bleiben wir Sprachwissenschaftler von diesem Geschäft ausgeschlossen.
Allerdings hatte ich bei Arcandor immer ein komisches Gefühl. Der Name hatte so was Unsolides, irgendwie globalisiert Flüchtiges. Dagegen Quelle!

In Indien arbeitete ein alter muslimischer Schneider für uns, er saß am liebsten mit seiner Handnähmaschine auf dem Flachdach unseres Hauses und nähte Kleidchen für die Tochter, Pyjamas für mich usw. Sein sehnlichster Wunsch waren eine gute Solinger Schere und der Quelle-Katalog. Beides brachten wir ihm aus dem Heimaturlaub mit. Die Abbildungen genügten ihm, um alles nachzuschneidern. Das ist über dreißig Jahre her.



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Kommentare zu »Namen und Pleiten«
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 24.10.2009 um 06.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#15156

"Der Trend geht zu As und Os"

Middelhoff jedenfalls ist's ernst mit der Umbenennung. "Der Name Arcandor soll Verlässlichkeit, Treue und Mut vermitteln. In fast jeder Sprachfassung gibt es dazu ähnliche Assoziationen – selbst im Chinesischen", lobte er auf der Bilanz-Pressekonferenz.

Man hätte auch sagen können: Der Name klingt zwar nicht schön, aber wenigstens bedeutet er nichts. Und das scheint zu genügen für die Qimondas, Syngentas, Celesios und Kontrons der Welt. "Bei Konzern-Umbenennungen geht der Trend derzeit zu As und Os, das strahlt Vertrauenswürdigkeit aus", verrät ein Werbeprofi.

Den ganzen Artikel von SPIEGEL Online (Geh'n wir shoppen bei Anaconda) gibt es hier:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,474733,00.html

Man kann da auch gleich den Firmennamen-Generator anwerfen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.10.2009 um 09.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#15157

Dank an Herrn Wrase! Auf der angegebenen SPIEGEL-Seite habe ich auch gefunden, welche Schulnote die Leser dem Namen "Arcandor" gegeben haben: 5,5! Das hätte den Verantwortlichen zu denken geben müssen.
Der Zeitung entnehme ich übrigens, daß zwar Frau Schickedanz jun. ihre Milliarden verloren hat, Middelhoff aber keine Verluste einstecken mußte, im Gegenteil.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 24.10.2009 um 12.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#15158

Auf der Suche danach, wie teuer sich eine solche Namensfindung gestaltet, bin ich auf einen weiteren unterhaltsamen und informativen Artikel gestoßen, in der FAZ: www.fazfinance.net

Es heißt da, der Erfinder des Namens Twipsy – für das Maskottchen der Expo 2000 in Hannover – habe 150.000 Euro bekommen. Das soll aber die obere Grenze des Üblichen sein; auch werde so ein Name "nicht mal eben unter der Dusche erfunden".
 
 

Kommentar von Stephan Lahl, verfaßt am 24.10.2009 um 16.02 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#15160

Wären Linguisten eingebunden, gäbe es diese seltsamen Namen nicht. Dann hätte den Gelhaaren in den oberen Etagen jemand erklärt, daß man sich Namen, die nichts bedeuten, so gut wie gar nicht merken oder zuordnen kann.

Durch die Berichterstattung weiß ich für die nächsten paar Wochen noch, daß Arcandor irgendwas mit Quelle zu tun hat. Aber sonst wüßte ich nicht zu sagen, was der Unterschied zu Areva ist.
An deren Häusern in Erlangen fahre ich oft vorbei.
Dort residierte mal irgendeine Firma, die mit Technik zu tun hatte.
Jetzt scheint dort drin eine Art Investmentbank für Anspruchslose zu sitzen.
Primondo hätte ich für eine Kondommarke gehalten.
Oder für irgendeine Billigabsteige für Reisende. (Nur echt mit Plastikblume, 70er-Jahre-Torbogen und Neonreklame.)

Ich weiß nicht, wer diesen Manager den Unsinn mit Verläßlichkeit und Vertrauen eingeredet hat. Sowas stellt sich bei mir eher ein, wenn ein Familienname dasteht. Nichtssagende A-A-Laute assoziiere ich eher mit arroganten Gelköpfen in teuren Klamotten, die nichtmal wissen, mit welchen Produkten ihr Arbeitsgeber das Geld verdient.
Sieht man sich die Firmenpolitik bei Arcandor und Primamondokondome an, scheint die Assoziation in diesem Fall ja sogar richtig zu sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.10.2009 um 16.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#15167

Einen bedeutenden Zuwachs an feministischen Einträgen brachte die 24. Auflage des Rechtschreibdudens. Hier sind, soviel ich sehe, erstmals die "Rattenfängerin" und weitere Personenbezeichnungen zu finden.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 26.10.2009 um 05.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#15170

Viele deutsche Agenturen bedienen sich bevorzugt des Englischen (oder einer teutonischen Variante desselben), und zwar nicht, weil damit die Reichweite oder die Wirksamkeit der Werbebotschaft erhöht würde, sondern weil dies ein gemeinsamer sprachlicher Code der Agenturen und des "Marketing"-Personals großer Unternehmen ist. Dieser Code steht gewissermaßen zwischen den Adressaten von Werbung und den Interessen der Unternehmen. Er ist gewissermaßen Selbstzweck. Herr Ickler hat ja außerdem unermüdlich auf die Anglisierung der Sprache im Bildungswesen hingewiesen, und selbstverständlich sind hier die gleichen Mechanismen am Werk.

A propos Englisch: Der "Web Economy Bullshit Generator" (www.dack.com/web/bullshit.html) wird, wie mir US-amerikanische Bekannte glaubhaft versichert haben, ungeachtet des Platzens der "Internet-Blase" 2001 nach wie vor fleißig benutzt, denn obwohl die Seite eher satirisch gedacht war, liefert sie doch genau jene inhaltsleeren Phrasen, die "Senior Executives" so sehr schätzen und absegnen. Für Agenturen ist dies leichtverdientes Geld, und das gilt natürlich erst recht in Deutschland, wo die Englischkenntnisse der Geschäftsführung, Verzeihung: des Managements selten über Phrasendrescherei hinausgehen.

Es bleibe jedem selbst überlassen, dies zu bedauern oder darüber zu lachen.
 
 

Kommentar von Michael Schuchardt, verfaßt am 29.10.2009 um 13.55 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#15192

Ich habe genau dieses Thema am Wochenende mit jemandem besprochen. Daher ein weiteres Beispiel von mir: HOECHST

Ein weltweit bekannter Name wird durch, "Hallo, wie war doch gleich Ihr Name" ersetzt. Oder Simca. Wer kennt denn noch den wenig erfolgreichen Nachfolgenamen?

Umgekehrt wird allein für die Namensrechte eines Unternehmens viel Geld bezahlt, z. B. Rolls Royce. Da hat BMW die Fabrik und Volkswagen den Namen gekauft – oder umgekehrt. Ich bin mir nicht sicher. Von einem regional bekannten kleinen Unternehmen weiß ich, daß der Erwerber nicht an die Namensrechte gedacht hat. Folge: der Name wanderte zu einem Konkurrenten. Er mußte sich mit dem Geschäft begnügen.

Meine Meinung: nomen est omen. Er soll etwas aussagen, z. B. Opel die Gründer, HOECHST den Stammsitz oder VOLKSWAGEN das Produkt. Ein künstlicher Name muß sich doch erst "seinen Namen" quasi verdienen. Und die Werbeagenturen haben erschreckend wenig gute Einfälle. VW bleibt bei seinen Automodellen – sicher aus gutem Grund – bei den bewährten Namen. Opel tut das schon lange nicht mehr. Und – hat's was gebracht. Sicher kann man nicht sagen, daß Opel wegen der Namen in die Bredouille geraten ist. Es hat aber bestimmt dazu beigetragen. Der Mensch ist nun einmal ein Gewohnheitstier.

"Konservativ", hat einer meiner Lehrer einmal gesagt, heißt "Bewährtes bewahren". D. h. nicht alles auf Teufel komm raus konservieren, sondern nur das, was sich bewährt hat. Und heute heißt es eher: was alt ist muß weg! Da bin ich dann wieder beim Thema. Bei der RSR war das doch der Maßstab. Lustig finde ich solche Anachronismen wie die Heysesche ß-Schreibung.

Vieles ist ja gar nicht modern, sondern kommt nur im Gewande des Modernen daher.
 
 

Kommentar von Robert Roth, verfaßt am 06.12.2009 um 13.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#15354

Actros nennt Mercedes seit über 10 Jahren seine LKW-Baureihe.
Klingt irgendwie gelehrt, nach Latein oder Griechisch, stark und solide!
Peinlich nur für DB, daß die Baureihe jahrelang durch Mängel auffiel und, wie man hörte, rückläufige Verkaufszahlen bescherte.
Bis zum Truck of the Year hat es mehr als 10 Jahre gebraucht.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 19.01.2013 um 12.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#22398

Apropos solide Namen. Armstrong ist doch ein grundsolider, einleuchtender Name, richtig stark. Warum gibt es eigentlich so wenige Leute namens Armstark? In Münchner Telefonbuch gibt es nur zwei Einträge mit diesem Nachnamen. Oder eine Google-Probe:

Michael Armstrong: 898.000
Michael Armstark: 40

Ist das nicht seltsam? Ich fürchte, es gibt Geheimnisse der Sprache, die man nie wird lüften können.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 19.01.2013 um 19.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#22402

Zu #15192 (Nomen est omen):
"VW bleibt bei seinen Automodellen – sicher aus gutem Grund – bei den bewährten Namen. Opel tut das schon lange nicht mehr. Und – hat's was gebracht. Sicher kann man nicht sagen, daß Opel wegen der Namen in die Bredouille geraten ist. Es hat aber bestimmt dazu beigetragen."
Dazu mal wer auf irgendeiner Fremdsprachenlehrerkonferenz hier in den USA: Da sind die Spanischlehrer kindisch stolz darauf, daß sie zum Namen des Automodells Nova ja gewußt hätten, daß "No va" auch bedeute "Es fährt nicht", und daß es deshalb sehr gut ist, Spanisch zu lernen, wenn man etwas bei der Namensgebung in der Wirtschaft mitreden und ein Produkt in der weiten Welt heute an den Mann bringen will. "Unsinn!" fuhr der Sprecher fort. "Der Nova war ein Scheiß-Auto. Deshalb ließ er sich nicht verkaufen!"
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 26.01.2015 um 17.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#27891

Der Vize der neuen griechischen Regierung heißt Kamménos.
Übersetzt: (an)gebrannt.
Nomen est omen?
Mal sehen bei den vielen Versprechungen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.08.2024 um 18.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#53731

Ein neuer Satellit heißt ERNST, also hauptsächlich "Anwendung" (mit noch ein paar Attributen), denn es ist ein Akronym aus

Experimentelle Raumfahrtanwendung basierend auf Nanosatellitentechnologie.

Wahrscheinlich wurde der Name so getrimmt, daß er ein schönes Kürzel ergibt. Aber immerhin endlich mal wieder ein deutsches Produkt mit keinem englischen Namen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.08.2024 um 21.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1236#53732

Gerade nannten sie die "Anwendung" in der Tagesschau verniedlichend "der kleine ERNST". Eigentlich müßte es doch "die kleine ERNST" heißen!
 
 

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