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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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17.04.2009
 

Glinz
Zur Geschichte der Sprachwissenschaft

Ein anderer Großvater der Rechtschreibreform neben Weisgerber war Hans Glinz. Er hat die Deutschdidaktik nach dem Krieg unverdient stark beeinflußt.
Sein Schüler Sitta schreibt ihm das Verdienst zu, die Inkonsistenz der herkömmlichen Wortarten-Einteilung als erster klar gezeigt zu haben. Sie vermische morphologische, syntaktische und semantische Gesichtspunkte. Ich weiß nicht, wer das wirklich aufgedeckt hat, aber im 19. Jahrhundert war es bekannt genug. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb Ludwig Sütterlin (Die deutsche Sprache der Gegenwart, § 94) zur Einteilung in die 9 oder 10 Wortarten:

"Diese Einteilung ist deswegen (wissenschaftlich) nicht haltbar, weil ihr kein einheitliches Einteilungsmerkmal zugrunde liegt. Bald ist die Form des Wortes, die Flexion oder Beugbarkeit, maßgebend (z. B. beim Verbum), bald die Bedeutung an sich (z. B. beim Pronomen oder beim Zahlwort), bald seine Bedeutung und Verwendung im Satze (bei Adverb, Präposition, Konjunktion und Artikel).
Man kann aber jeweils nur nach dem einen dieser drei Gesichtspunkte einteilen."

(Es folgen drei Abschnitte, in denen er die Folgen der jeweiligen Einteilung darstellt. Sütterlin selbst kommt zu vier wesentlichen Klassen, mit denen er auch in seiner Grammatik auszukommen versucht: Substantive [einschließlich erstarrte Personalpronomina], Adjektive, Verben und Partikeln.)



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Kommentare zu »Glinz«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.02.2016 um 07.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1137#31708

Nach über 20 Jahren - so wenig neugierig war ich - habe ich mal das letzte und dickste Buch von Hans Glinz ausgeliehen:

Grammatiken im Vergleich. Deutsch – Französisch – Englisch – Latein. Formen – Bedeutungen – Verstehen. Tübingen 1994.

Das Buch ist wirr organisiert und hat kein alphabetisches Register, nur ein „systematisches“, in dem man nichts findet. Die Überschriften wirken idiosynkratisch: „Zur Verwurzelung der Paare innen/außen – oben/unten – vorn/hinten im Menschsein“ usw. (Danach könnte man meinen, die Grammatik sei onomasiologisch angelegt, aber das stimmt nicht.)

Fachliteratur wird nicht angeführt, es gibt daher auch kein Literaturverzeichnis. Wie auch mit anderen Schriften gibt sich Glinz als Eigenbrötler im Wortsinn.

Einzigartig ist, daß in fast jedem Satz die Wörter, wie wohl betont werden sollen, kursiv gesetzt sind – eine Auszeichnung, die in sprachwissenschaftlichen Büchern dem objektsprachlichen Material vorbehalten ist. Dadurch wirkt das Schriftbild unruhig.

„Annahmen über die Speicherung von Sprachbesitz im Gehirn, Abläufe beim Sprechen und beim Hörverstehen“ (785)
„Zur neuronalen Speicherung graphischer Wortgestalten neben den Wortlautungen und Bedeutungen“ (818)

Solche Überschriften wecken Erwartungen, die der Verfasser nicht erfüllen kann, es bleibt bei Allerweltswissen aus der populären Literatur und Spekulationen.

Aber das sind Randerscheinungen, die Hauptmasse sind Beobachtungen und Bemerkungen zu allem möglichen.
 
 

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