zurück zur Startseite Schrift & Rede, Forschungsgruppe dt. Sprache    FDS - In eigener Sache
Diskussionsforum Archiv Bücher & Aufsätze Verschiedenes Impressum      

Theodor Icklers Sprachtagebuch

Die neuesten Kommentare


Zum vorherigen / nächsten Tagebucheintrag

Zu den Kommentaren zu diesem Tagebucheintrag | einen Kommentar dazu schreiben


10.12.2008
 

Chinesisch
Heiße Mädchen aus Nordchina – na und?

Das neueste Heft "Max Planck Forschung" (3/2008) ist wieder sehr interessant. Es enthält auch etwas über China und auf der Titelseite einen chinesischen Text, den ich mir für spätere Entzifferungsversuche eigens aufgehoben habe.
Wie jetzt herausgekommen ist, handelt es sich um eine Art Rotlicht-Werbung auf altchinesisch. Na und? Daß die Max-Planck-Gesellschaft das peinlich findet, sich demütigst entschuldigt und die restlichen Hefte mit einem anderen Text überklebt (!), ist doch ziemlich kleinkariert. Bekanntlich können Chinesen altchinesische Texte auch nur mit Mühe verstehen, und außerdem sind die gepriesenen heißen Nordchinesinnen doch nichts Schlechtes. Wollen wir prüder sein als Maos Ameisen von einst?
Die deutschen Zeitungen treten den vermeintlichen Skandal breit. Siehe auch das Getümmel unter http://www.anti-cnn.com/index.php/archives/1308.html.



Diesen Beitrag drucken.

Kommentare zu »Chinesisch«
Kommentar schreiben | älteste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.09.2023 um 02.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#51766

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1507#46994
Über chinesische Kalligraphie sagt Wikipedia (s. v. Kalligrafie):
„Der Schreibakt ist heutzutage oftmals impulsiv, was die Schriftzeichen schwer leserlich, aber umso ausdrucksstärker macht. Schriftstile wie die Grasschrift stellen den eigentlichen Text und seine Lesbarkeit sogar bewusst hinter die kalligraphische Gestaltung zurück, selbst gebildete Chinesen können Grasschriften oft nicht lesen. Sie gelten als Bild, nicht als Text.“
Wenn ich mich nicht irre, spielt in der chinesischen Kalligraphie anders als in den Alphabetschriften der Akt des Schreibens eine größere Rolle (mit dem Wort „impulsiv“ angedeutet). Das ist so ähnlich wie beim fernöstlichen Bogenschießen, wo es nicht nur auf das Treffen eines Ziels ankommt. S. zum Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=N55kq5xSiuE.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.07.2023 um 01.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#51444

Lang Lang wurde gestern abend in einer Wiederholungssendung im Ersten gezeigt, in einem Konzert auf dem Münchner Odeonsplatz. Natürlich ist es im Fernsehen nicht so zu erleben, wie wenn man live dabei ist. Aber man kann die Musik und das virtuose Spiel trotzdem genießen. Einmal habe ich Lang Lang live erlebt, das war um 2000 herum in Mainz, damals war er noch ein ganz junger Star und erst fast so berühmt wie heute.

Auch in dieser Sendung, weil man es im Fernsehen ja besonders gut sieht, aber auch auf dem Odeonsplatz gab es einen Großbildschirm, der den Pianisten in Nahaufnahme zeigte, ist mir besonders die spielbegleitende Gestik und Mimik des Künstlers aufgefallen. Nicht etwa, daß ich sie in irgendeiner Weise kritisieren will, ganz im Gegenteil, aber ich frage mich, ob diese nicht auch gespielt ist, der ganzen Show geschuldet, im Bewußtsein, daß er so von Tausenden oder Millionen gesehen wird? Ist er wirklich so von seiner selbst produzierten Musik, von seinem Spiel ergriffen, so sehr dabei in sich versunken, lebt er in diesem Moment wirklich so in der Musik, wie es seine Gesichtsausdrücke, seine Hand- und Körperbewegungen vermuten lassen? Ist diese völlige Versunkenheit vielleicht sogar die Voraussetzung für das gefühlvolle Spiel?
Würde er bei einer Studioaufnahme ohne Kamera, mit dem Wissen, daß niemand ihn sieht, sondern es nur auf den Klang ankommt, dieselbe Gestik und Mimik an den Tag legen?

Das ist eigentlich eine allgemeine Frage, Lang Lang ist nur ein aktuelles Beispiel.
Kann jemand hier etwas dazu sagen?
Auch wenn meistens viel Show und Theater dabei wäre, würde es meine Hochachtung und Bewunderung für die Künstler nicht beeinträchtigen. Es ist halt nur ein Gedanke, der mir oft bei solchen Gelegenheiten durch den Kopf geht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.08.2022 um 07.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#49566

In einer weiteren seiner geistreichelnden Besprechungen, diesmal über ein Salzburger Konzert, schreibt Helmut Mauró, der Pianistin Yuja Wang "fehle alles Mütterliche". Wahrscheinlich meint er, sie wirke sexy, wie er denn auch nicht versäumt, ihr knappes Outfit zu erwähnen. Allerdings kann jeder leicht feststellen, daß Frau Wang tatsächlich keine Kinder hat, aber wie sollte man Schönberg oder Skrjabin „mütterlich“ spielen?
Insgesamt versucht die SZ, sich vom Klischee des chinesischen Supervirtuosen zu lösen, der seine Stücke zwar fehlerlos herunterschnurrt, aber für deutsche Romantik wohl doch der letzten Tiefe entbehrt. Daß Wang in Salzburg einen „unerwarteten Triumph“ erlebte, sagt mehr über Mauró als über die Pianistin.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.02.2022 um 05.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#48592

Zu einem Bericht der SZ über ein Münchner Konzert mit Yuja Wang:

Helmut Mauró tut mit seinem zwiespältigen Lob der Pianistin so, als habe er die Vorurteile gegen chinesische „Tastenroboter“ überwunden, aber die herablassende Art, wie er über chinesische Klavierpädagogik schreibt, verrät ihn: „Wo, das gab es auch einmal in Europa, Millionen Kinder Klavierspielen lernen, kommen hin und wieder, egal unter welchen pädagogischen Bedingungen, auch mal Hochbegabungen ans Licht.“ Tja, hin und wieder auch mal... (Man muß das Ganze lesen: https://www.sueddeutsche.de/kultur/br-symphonieorchester-yuja-wang-antonio-pappano-1.5532248)
Über Yuja Wangs Liszt-Spiel schreibt er, wie es fast alle Musikkritiker tun: Entweder verpaßt der Virtuose das Dämonische oder das Musikantische; recht machen kann er es nie. Nur der Kritiker selbst weiß, wie man es richtig spielt, aber leider kann er es nicht selbst – dafür ist er der Kritiker, der Weltenrichter und noch selbstbewußter als die Journalisten ohnehin von Berufs wegen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.04.2019 um 16.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#41365

Lindner beginnt Rede auf Chinesisch (FAZ, vom Parteitag)

Wenn das Lindners „Selbstversuch“ mit dem „harten Brocken“ war, dann hat er sich nicht viel Mühe gegeben. Selbstverständlich kann jeder zwei Sätzchen Chinesisch so auswendig lernen, daß ein Chinese sie versteht. Peinlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.03.2018 um 06.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#38207

Die kulturelle Dominanz des Westens erkennt man u. a. daran, daß überall auf der Welt, auch in China, die arabischen Ziffern bekannt und in Gebrauch sind. (Ich weiß, daß sie aus Indien stammen, aber das ist hier irrelevant.) Außerdem wird in China die Pinyin-Umschrift, also das lateinische Alphabet, schon in der Grundschule gelernt, wenn es auch nicht gelungen ist, die ganze chinesische Schrift darauf umzustellen (wie vor 50 Jahren geplant).
Auch ihre Namen passen viele Chinesen an. In China hatten wir einen Freund aus Hongkong, der sich Alan Young nannte, also eigentlich Yang (seinen wirklichen "Vornamen" habe ich vergessen). Die berühmte Pianistin Wang Yujia nennt sich seit ihrem Studium in Amerika Yuja Wang, was die Entstellung ihres Namens in westlichen Mündern (sogar einst Thomas Gottschalks) einigermaßen in Grenzen hält.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.02.2018 um 07.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37938

Die FAS stellt dar, was die Chinesen mit einem Namen wie Annegret Kramp-Karrenbauer anstellen. Dabei wird auch wieder behauptet, das Chinesische habe nur "sehr wenige Silben". Nun, das hängt vom Vergleich ab. Über 1000 verschiedene Silben (die Töne natürlich mitgerechnet) ist viel mehr als im Japanischen, wenn auch vielleicht weniger als im Deutschen. Wie viele Silben das Deutsche ohne die Fremdwörter hat, ist anscheinend nicht genau bekannt. Und die Fremdwortfrage ist hier entscheidend. Wir bemühen uns, auch fremde Laute und Cluster halbwegs korrekt zu übernehmen, während die Chinesen alles mit ihrem angestammten Repertoire ausdrücken. Normalerweise sind chinesische Wörter keineswegs länger (silbenreicher) als deutsche.
Als Beispiel chinesischer Homophonie wird wieder ma angeführt. Und: "Das Zeichen für Mutter sieht völlig anders aus als das Zeichen für Pferd." Eben gerade nicht; das Pferd ist als Lauter im Zeichen für Mutter enthalten.
Richtig ist, daß die chinesischen Silben für Transkriptionszwecke oft so gewählt werden, daß die notwendigerweise damit verbundene Bedeutung einigermaßen sinnvoll oder gar schmeichelhaft ist. Deutschland als "Tugendland" (de guo) haben wir schon besprochen. Annegret Kramp-Karrenbauer kann sich in dieser Hinsicht nicht beklagen. In ihrem Namen kommen so schöne Dinge wie Frieden, Knospe und Orchidee vor, wie sie auch in chinesischen Mädchennamen zu finden sind.
Am Konfuzius-Institut haben wir mal unsere Vornamen kalligraphieren lassen, und auf mehreren Rollbildern hat ein Maler in Tianjin ebenfalls unseren Namen verewigt. Jedesmal fiel mir auf, wie schnell und ohne viel Nachdenken die Künstler wußten, welche Zeichen dafür geeignet sind.
Daß die transkribierten Namen etwas bedeuten, ist ein Fluch für ewige Anfänger wie mich. Man kramt endlos in Wörterbüchern, um einen seltsamen Ausdruck zu übersetzen, bis man endlich merkt, daß es sich um Annegret Kramp-Karrenbauer handelt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.02.2018 um 09.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37770

Mein Chinesischprofessor (Hans O. H. Stange) pflegte vor 50 Jahren eine Anekdote zu erzählen:
Nachdem eine Dame in einer kleinen Runde ihn aufgefordert hatte, den Leuten zu erklären, warum es keine Schreibmaschinen für das Chinesische geben könne, beschrieb er ausführlich, wie chinesische Schreibmaschinen funktionieren. Als er fertig war, bat ihn dieselbe Dame um eine kurze Begründung, warum es denn nun keine chinesischen Schreibmaschinen geben könne.

Die Chinesen selbst lieben solche lehrreichen Geschichten (Han Feizi), und mir ist gerade diese immer wieder mal in den Sinn gekommen, wozu es bedenklich viele Anlässe gab.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.01.2018 um 18.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37599

Man könnte ja auch sagen: Mit unseren gegenwärtigen Auffassungen von meinungsbetontem Schuluterricht oder gar "spielerischem Lernen" (von Schulfremden gern gepriesen) würden unsere Kinder niemals eine Schrift wie die chinesische lernen.

Früher wurde in den Schulen Latein mit ähnlicher Disziplin gebüffelt.

Chinesische Kinder beherrschen ja die Sprache bereits und können sicher vieles aus dem Zusammenhang erraten, wobei ihnen die schon erwähnten Hilfen aus dem Zeichenaufbau zugute kommen. Das genaue Schreiben der Zeichen ist dann ziemlich oft eine Ursache von Zweifeln.

Wir Ausländer erwerben gewöhnlich Sprache und Schrift zusammen, das ist dann schon ziemlich hart. Leider gibt es keinen Konigsweg.
 
 

Kommentar von Alexander Kohl, verfaßt am 19.01.2018 um 12.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37598

Vielleicht als kleine laienhafte Beobachtung von mir: ich hatte während meiner Zeit in Taiwan nie das Gefühl, daß die Kinder dort langsamer lesen gelernt hatten als bei uns, die meisten konnten wesentlich mehr lesen, als in den Grundschullehrplänen vorgegeben war, meistens weil ihnen die Eltern vorgelesen haben oder weil sie die Schriftzeichen im untertitelten Fernsehen gesehen hatten o.ä.

Die Disziplin und den Schuldruck aus den Schriftzeichen abzuleiten, wird zwar immer wieder versucht, erklärt aber nicht, warum die Koreaner teilweise noch höhere Ansprüche an ihre Schüler stellen, obwohl sie sich einer der einfachsten Alphabetschriften rühmen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.01.2018 um 05.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37591

Lothar Ledderose leitet aus dem modularen Aufbau chinesischer Schriftzeichen den besonderen Charakter chinesischer Denkstile und Arbeitstechniken ab: Normung und Massenproduktion, z.B. bei der Terrakotta-Armee. (Kurzer Eindruck: https://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Chinas-Zeichenschrift-formt-ein-ueberlegenes-Denken/20050904) Spekulativer eine Affinität zu Kollektivismus und Kommunismus (kritisch dazu http://oriens-extremus.org/wp-content/uploads/2014/06/OE43-Reviews-4.pdf). Der Einfluß auf den Westen muß wohl relativiert werden, weil es hier eigenständige Entwicklungen gab, z.B. in der Waffentechnik.
Immerhin bedenkenswert die nicht so originelle Ansicht: „Chinesische Kinder lernen viele Jahre lang, bis sie genügend Zeichen kennen. In europäischen Schulen geht das alles wesentlich rascher. Daß junge Chinesen ungleich mehr lernen müssen, erzieht sie aber zu äußerster Disziplin. Und das ist ein großer Vorteil für weiteres Lernen und für Erfolg im Leben.“ (Aus dem Interview)
 
 

Kommentar von Alexander Kohl, verfaßt am 15.01.2018 um 20.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37583

Richtig. Wobei wie gesagt, die tatsächliche Aussprache schwankt stark regional; in Taiwan würde sogar Nachrichtensprecher yi mit Knacklaut sprechen. In Nordchina hört man ganz gerne Ven für Wen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2018 um 14.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37581

In älterer Transkription hat man ja Wörter wie yi ("eins") einfach als i wiedergegeben, mit zusätzlichem Hinweis, daß es wie ein weicher Vokaleinsatz gesprochen werde, also ohne unseren Knacklaut. Es ist jedenfalls nicht mit unserem Reibelaut zu sprechen, ebenso dann wu ("fünf") usw.
 
 

Kommentar von Alexander Kohl, verfaßt am 14.01.2018 um 21.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37578

Nicht ganz. Anlautlose Silben werden im modernen Chinesisch als sogenannter Null-Anlaut (Lingshengmu) klassifiziert, dessen phonische Realisation unterschiedlich ist, in Nordchina meist halbvokalisch, in Taiwan oft mit Glottisverschluß. Zu dieser Kategorie Silben gehören auch wu, yi und yu, in denen der Null-Anlaut aber im Pinyin mitgeschrieben wird.

Historisch gehen die Null-Anlaute auf den phonemischen Unterschied zwischen Glottisverschluß und (vermutlich) halbvokalisch anlautenden Silben, die von den alten Phonetikern auch konsequent unterschieden wurden. Im Hochchinesischen hat sich das silbeninitiale ng dazugesellt. Ansonsten hatte das Mittelchinesische, das hierbei als Referenz dient, im Auslaut noch m, n und ng sowie p, t und k als tonale Varianten, davon ist im Hochchinesischen das meiste verschwunden.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.01.2018 um 13.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37576

Es gibt zwar ein paar wenige chinesische Wörter mit wirklich nur einem Laut, wie è (Hunger) oder é (russisch) und ein paar Homophone, oder auch rì (Tag, Sonne), das für mich wie ein einziger Vokal klingt, aber diese werden dann wohl als die seltenen Ausnahmen angesehen, die die Regel bestätigen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.01.2018 um 09.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37575

Die chinesischen Wörter bzw. Morpheme leiten nicht gerade zur Zerlegung in Phoneme hin. Soweit ich sehe, fassen die chinesischen Sprachwissenschaftler nach eigener Tradition die ja durchweg einsilbigen "Wörter" als zweiteilig auf: Anlaut + Reim. Das ist auch früh lexikographisch erfaßt worden. In einem Lehrbuch aus Peking lese ich sogar, daß alle diese Einsibler als offen angesehen werden; die einzigen beiden Konsonanten, auf die sie nach unserem Verständnis enden können, nämlich n und ng, gelten als eine Art Nasalierung des auslautenden Vokals.
Das kommt mir zwar etwas seltsam vor, aber man muß anerkennen, daß vor allem das schließende n (kàn "sehen") sehr schwach und stimmlos artikuliert wird und geradezu wegfällt, wenn etwa ein tonloses er folgt: wanr "spielen". Soweit meine laienhafte Beobachtung.

Dazu ein interessantes kleines Buch:

Usha Goswami/Peter Bryant: Phonological Skills and Learning to Read. Hove, Hillsdale 1990

Es wird darin gezeigt, daß unsere Kinder ebenfalls früher und leichter nach "Anlaut + Reim" zerlegen als nach Phonemen. Danach funktionieren auch kindliche Sprachspiele. Ob dies eine bestimmte Methode des Schreibunterrichts stützt, sei dahingestellt. Auf jeden Fall eine wichtige Ergänzung von "Phonologischer Bewußtheit" (mit Ausblicken aufs Chinesische).

(Die Unstabilität schließender Nasale ist ja u. a. aus dem Lateinischen bekannt.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 09.01.2018 um 14.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37537

Na ja, gerade weil die ungarische Orthographie so flach ist, neigen Ungarn dazu, Deutsch so zu sprechen, wie sie es zu lesen gewöhnt sind, also z. B. där Båch (mit ausgesprochenem r). Außerdem haben sie u. U. Schwierigkeiten mit ich- und ach-Laut und deren Unterscheidung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.01.2018 um 09.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37532

Wozu sicher auch gehört, daß die Deutschen die kurzen Vokale automatisch auch offener sprechen.
Was mich wieder darauf bringt, daß die Ungarn, wenn sie deutsch sprechen, alle gleich klingen, sei es nun das Kurorchester auf Juist oder der junge Mann, der es erst vor kurzem hier auf der VHS gelernt hat. Ich kann aber viel schwerer sagen, worin dieser "Akzent" eigentlich besteht, als etwa bei Franzosen oder Amerikanern.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 09.01.2018 um 08.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37531

Die Ungarn haben tausend Jahre Erfahrung damit, mit einem deutschen Akzent klarzukommen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.01.2018 um 05.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37526

Man kann sich leicht der Illusion hingeben, Orbán und Nagy korrekt auszusprechen.

Chinesische Namen sind in der Zeitung heute häufiger zu lesen als ungarische. Auch gehören mehr Unternehmen China als Ungarn. Mit der Nähe ist es so eine Sache.

Unsere Enkelin soll zweisprachig aufwachsen (ungarisch/deutsch); mal sehen, ob es mit der "formule Grammont" (une personne – une langue) klappt – ich werde berichten.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.01.2018 um 21.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37525

Die Akzente auf i, ö und ü sind bloß Längenbezeichnungen, die auf a und e hingegen unterscheiden jeweils zwei Vokale voneinander.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.01.2018 um 18.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37524

Á á, É é, Í, Ó ó, Ú ú
machen sicher keine Schwierigkeiten, dagegen die ungarischen
i í, Ö Ő, ö ő, Ü Ű, ü ű
schon mehr.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.01.2018 um 15.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37521

China, mit Verlaub, ist weit weg und der Bleisatz Geschichte. Es bereitet keine Schwierigkeit, Orbán zu schreiben, so wie es auch keine Schwierigkeit bereitet, den Namen richtig auszusprechen. Ohne Akzent wäre es der Vokal ɒ wie in Nagy oder Aarhus.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.01.2018 um 12.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37519

Unsere Zeitungen legen einen merkwürdigen Ehrgeiz darein, ausländische Namen etwa Orban, Erdogan usw., mit allen diakritischen Zeichen zu schreiben, obwohl sie hierzulande keineswegs originalgetreu ausgesprochen werden. Dagegen wird das Chinesische zwar in der amtlichen Pinyin-Umschrift geboten, aber ohne die Tonbezeichnung, die ja für die Identifikation der Wörter ganz wesentlich ist. Die Töne tatsächlich zu sprechen wird natürlich gar nicht erst versucht. Das finde ich auch ganz in Ordnung, nur sollte man es bei jenen Zeichen dann auch nicht zu genau nehmen: Erdogan, Walesa usw. sind schon okay.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.12.2017 um 03.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37395

„Ein in Taiwan lebender Engländer namens Richard Brown legt nun den gelben Brüdern nah, die Engländer yingguoren zu nennen (Heroisches-Land-Person), während Amerikaner, Deutsche und Franzosen es wohl gern sähen, wenn sie nach ihrer jeweiligen Herkunft als meiguoren (Schönes-Land-Person), deguoren (Ethisches-Land-Person) und faguoren (Legal-Land-Person) benannt würden.“ (Johannes Gross 7.6.91)

Nun, das sind die herkömmlichen Bezeichnungen, allesamt Versuche, die westlichen Selbstbezeichnungen phonetisch nachzuahmen und dafür zugleich ein Homophon mit durchweg positiver Bedeutung zu nutzen. Ich weiß nicht, wann das aufkam, aber eines Richard Brown bedurfte es nicht. Ich habe also immer gesagt, daß ich aus „Tugendland“ komme; aber ich nehme an, daß die Chinesen sich nichts dabei denken, weil dieser Gebrauch von Homophonen/Homographen ihnen so geläufig ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.12.2017 um 03.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37373

Das stimmt natürlich. Aber wie könnte man dem "leider" beikommen? Systematisch wäre eine phonetische oder phonologische Schrift (Alphabet), und das versucht man ja mit der Pinyin-Umschrift, die sich aber nicht als Normalschrift durchsetzen konnte. Systematisierung auf der semantischen Seite ist aus vielen Gründen nicht möglich; daran haben sich Leibniz und andere versucht, es ist eine typische Philosophen-Idee.
Die Kurzzeichen zerstören in vielen Fällen die Lesehilfen, die der chinesischen Schrift intuitiv zugewachsen waren, aber die Reduktion der Strichzahl wiegt das wohl auf.
Aus der Sicht unserer Alphabetwelt kommt uns die chinesische Schrift monströs vor, und wir stehen verständnislos vor dem Rätsel, warum diese anderthalb Milliarden (von anderen nicht zu reden) so hartnäckig daran festhalten. Das scheint aber unser Problem zu sein, nicht das der Chinesen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.12.2017 um 17.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37371

Ja, man hat einerseits in der chinesischen Schrift viele hilfreiche Anhaltspunkte, aber andererseits kann man sich leider nicht hundertprozentig auf solche Merkmale verlassen. Weder enthalten alle Zeichen autoklitischer Wörter das Zeichen für Mund (auf der linken Seite oder überhaupt), noch stehen alle Zeichen, die (links oder überhaupt) das Zeichen für Mund enthalten, für autoklitische Wörter. Es gibt leider keine echte Systematik, jedes Zeichen muß man einzeln lernen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.12.2017 um 11.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37370

Die Sinologen wissen es sicher längst, aber ich möchte es mit meinen Worten beschreiben: Schriftzeichen für Wörter, die etwas mit Sprechen zu tun haben, enthalten auf der linken Seite oft das Zeichen, das für sich allein "Rede" (yan) bedeutet und in seinem unteren Teil wiederum das Zeichen für "Mund" (kou) enthält. Gewisse Partikeln andererseits, die keine Sachbedeutung haben, also "leere Wörter" im Sinn der einheimischen Sprachlehre, vielmehr die Rede implizit kommentieren, also zum Beispiel als Frage kennzeichnen (ma) oder als Aufforderung (ba) oder als Fortsetzung einer Frage (ne), enthalten links nur das Zeichen für "Mund". Ich nenne diese Partikeln mit Skinners Begriff "autoklitisch". Diese feine Unterscheidung erleichtert das Lesen.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 22.11.2017 um 15.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#37080

General-Anzeiger, 14, 11: Ein Gespräch mit der Direktorin des Bonner Konfuzius-Instituts, Katja Yang.

Die chinesische Sprache gilt als sehr schwer zu lernen. Wie überwindet man da die Hemmschwelle?
Yang: Zumindest die gesprochene chinesische Sprache ist relativ einfach, denn es gibt so gut wie keine Grammatik. Die Schwierigkeit liegt in den rund 3000 Schriftzeichen, die es allein braucht, um zumindest eine Zeitung lesen zu können. (...)

Mir scheint hier eine Verwechslung von Flexion und Grammatik vorzuliegen. Es gibt doch sicher ausgefeilte Regeln etwa über die Wortfolge im Satz.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.11.2017 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#36997

Ja, genau so verstehe ich es auch.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.11.2017 um 15.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#36995

lai ("kommen") und qu ("gehen") bilden als nachgestellte Verbzusätze einen ähnlichen Gegensatz wie die deutschen Präfixe her- und hin-.

Das chinesische Wort für "aufwachen" kann man wohl so deuten, daß der Schlafende beim Aufwachen "hierher" ins Diesseits wechselt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.11.2017 um 08.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#36992

醒来! (xing lai - "Wach auf!" oder Aufwachen!") - Der SPIEGEL-Titel ist ein schönes Beispiel für die chinesische Entsprechung unserer Verbzusatzkonstruktion. Aus verblaßten Verben wie lai ("kommen") haben sich diese Zusätze entwickelt (Funktion etwa wie das auf in aufwachen). Nach einer alten Vermutung haben Sprachen mit diesem Merkmal zugleich auch Modalpartikeln, und das trifft für das Chinesische ebenso zu wie für das Altgriechische (woran man dabei zunächst dachte).
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 11.11.2017 um 12.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#36968

Wenn man ältere Texte vergleicht, ist die Zahl der "e" allmählich immer weniger geworden. Das Bairische ist in dieser Entwicklung nur schon etwas weiter fortgeschritten. Ich möchte es "moderner" nennen. In anderen Sprachen gibt es sogenannte "Halbkonsonanten".
Mit dem deutschen "ng"-Laut haben schon Grundschüler zu kämpfen. Der wird in anderen Sprachen auf ganz unterschiedliche Weise geschrieben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.11.2017 um 04.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#36960

Zum Einwand von Herrn Strowitzki: Ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt. Natürlich meine ich nicht die Entstehung als Übergangslaut, sondern rein phonetisch, daß der Laut sich ohnehin einstellen würde. Oder umgekehrt: Selbst bei vereinfachter Aussprache (wie in wäsch(s)t) würde er hörbar bleiben.

Zu den anderen Beispielen: Das Buchstabengestrüpp sind wilder aus als die wirklichen Laute. Ausländer freilich werden zunächst von den Buchstaben beeindruckt sein – wie wir im Falle des Polnischen, mit dem unser verstorbener Freund Helmut Jochems uns hier immer so gut unterhalten hat.
 
 

Kommentar von Gunther Chmela, verfaßt am 10.11.2017 um 21.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#36958

Nur zum Spaß ein Beispiel aus dem Bairischen: achtzg gschprenklde Oar (achtzig gesprenkelte Eier).
Dabei heißt es oft, Bairisch sei eine vokalreiche Sprache.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.11.2017 um 21.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#36957

Bei plantschst sind es 7 Konsonanten, bzw. mit sch als einem Laut immer noch 5 Laute.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 10.11.2017 um 20.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#36956

Aber das p gehört doch – genau wie in kämpfen, mampfen, schimpfen, stampfen – zum Wortstamm, ist sprachgeschichtlich sogar ursprünglicher als das f.
Einen umgekehrten Fall haben wir bei du seufzst, tanzst etc., wo die beiden Zischlaute miteinander verschmelzen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2017 um 04.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#36941

Einsilbler können am rechten Rand wohl bis zu vier Konsonanten haben. In schrumpfst scheinen es fünf zu sein, aber ich glaube, das p wird nicht ausdrücklich artikuliert, sondern wie ein Übergangslaut behandelt, der sich automatisch einstellt.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 09.11.2017 um 21.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#36937

Ich wurde mal von einer Ausländerin (könnte eine Spanierin gewesen sein) gefragt, wo die Stiftsstraße ist. "ftsschtr" – ein mörderischer Zungenbrecher!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2017 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#36930

Marx und Max (wie in Max und Moritz, vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#15085) klingen für chinesische Ohren gleich. Bei der Transkription werden zwar verschiedene Zeichen für den Schlußlaut gewählt, aber beides wird gleich gesprochen (etwa "mákese").

Als wir nach China kamen, bereiteten Freunde uns darauf vor, daß unsere Strümpfe von der Waschfrau etwa "Settelümmepüffe" genannt werden würden. (Natürlich sprach die Waschfrau überhaupt kein Deutsch.) Strümpfe ist in der Tat für die Sprecher vieler Sprachen ziemlich monströs.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.02.2017 um 06.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#34555

Egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache, sie fängt Mäuse. (Deng Xiaoping)

Zweimal ein verbloser Matrixsatz; der abhängige Satz (Subjektsatz) ist nur in dieser Stellung möglich. Der erste mit Subjunktion, der zweite mit Verbzweitstellung, beides obligatorisch. Unterbelichtetes Kapitel der deutschen Grammatik.
Im Original heißt es übrigens nicht "weiß", sondern "gelb":

黄猫、黑猫,只要捉住老鼠就是好猫
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.05.2016 um 04.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#32680

Was es mit den chinesischen Tönen auf sich hat, erkennt man gut an einem Anfängerfehler. Unsere Satzintonation ist so fest eingeübt, daß wir sie unwillkürlich über die chinesischen Wörter legen. Die übliche Begrüßung lautet bekanntlich Ni hao ma? mit hao "gut" im dritten Ton (fallend-steigend), den wir intuitiv als Frageintonation verstehen. So weit, so gut. Aber genau deshalb neigen wir dazu, die Antwort hao nicht ebenfalls im dritten Ton zu sprechen, sondern im fallenden vierten. Dann ist es natürlich ein ganz anderes Wort und bedeutet etwa "Nummer" (es gibt noch Homophone).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.11.2015 um 05.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#30643

Beim Aufräumen gefunden:

Aufgabe der Kunst ist es nicht, die Wünsche künstlerisch zu organisieren, sondern sie aus der Verdrängung hervorzuholen, um sie in ihrer Rohform der Revolution zuzuführen.
Ein Vorbild für diese agitatorische Funktion der Kunst hat Mao Tsetung beschrieben. Auf dem Langen Marsch organisierte die Rote Armee in den Dörfern, durch die sie kam, Versammlungen der Bauern auf dem Dorfplatz. Einer oder mehrere Bauern wurden aufgefordert, ihre persönlichen Wünsche, Bedrückungen, Nöte zu schildern. Die zuhörenden Bauern griffen kritisch in diese Selbstdarstellung ein, ergänzten sie, wenn sie ihnen zu persönlich, korrigierten sie, wenn sie ihnen zu allgemein war, machten daraus eine kollektive Darstellung. Sie nannten das "Die große Wehklage". Die Rote Armee bot sich dann als politische Organisations- und Kampfform dieser zunächst noch ganz rohen und unpolitischen Bedürfnisse an.
Die Form dieser Bedürfnisse war also nicht das Gebet, die Beichte, das Gedicht, der Roman, sondern die Rote Armee.
Natürlich läßt sich das Modell auf unsere Verhältnisse übertragen. Denn unsere Arbeiter und Bauern sind nicht besser daran als die chinesischen Bauern, sondern schlechter. Sie sterben nicht an Hunger, sondern heimlich an Unterdrückung und Erniedrigung. Führen wir in den Fabriken, den Schulen, den Universitäten die große Wehklage durch.
Usw.

Diese große Wehklage ist von Peter Schneider und steht im Kursbogen zum Kursbuch 1969. Im berüchtigten Heft 17 findet man auch die Verherrlichung der Pädophilie durch nachmals geachtete Mitbürger, mit Bilderfolge niedlicher nackter Kinder auf besagter Beilage, alles herausgegeben von Enzensberger.

Man verweist gern auf den Geist der Zeit, aber es war eine winzige Minderheit. Als Lehrbeispiel für jugendliche Verblendung immer wieder lesenswert.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.03.2015 um 05.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#28311

In der "Frankfurter Anthologie" bespricht Marleen Stoessel ein Gedicht von Li Bo, dem berühmtesten chinesischen Dichter aus dem achten Jahrhundert, in der Nachdichtung von Hans Bethge ("Die chinesische Flöte"). Hauptsächlich geht es um Mahlers nochmalige Bearbeitung und Vertonung. Stoessel schreibt über das Gedicht "Der Pavillon aus Porzellan":

"Li Tai-Po (auch Li Tai-bo oder Li Bo) hat dieses kunstvoll-schlichte, wie eine Spieluhr mit ihren Figuren sich drehende Gedicht im achten Jahrhundert verfasst."

Sie bespricht das Gedicht also durchaus so, als sei es von Li Bo verfaßt. Nun ist das Verfahren Bethges hinlänglich bekannt. Jürgen Weber hat Bethge und Mahler mit den kritischen Augen des Sinologen untersucht:
http://www.drjürgenweber.de/Microsoft%20Word%20-%20Aufsatz%20Mahler%20Lied%20von%20der%20Erde.pdf

„Die Veränderungen sind zum Teil so erheblich, dass es bei einigen Gedichten nur durch detektivische Nachforschungsarbeit gelungen ist, überhaupt das Original ausfindig zu machen, in einem Fall steht bis heute eine zufrieden stellende Antwort aus.“ (Jürgen Weber)

Dieser Zweifelsfall ist gerade der „Pavillon aus Porzellan“, den die Frankfurter Anthologie wie ein Gedicht Li Bos bespricht. Weber führt vermutete Vorlagen an. Allerdings geht er mit Mahler zu scharf ins Gericht, der doch für seine musikalischen Zwecke mit den Texten machen konnte, was er wollte. Natürlich haben diese Texte dann formal und inhaltlich nichts mehr mit China zu tun. Stoessel hätte das allerdings beachten sollen, denn ihre Interpretation sitzt zwischen allen Stühlen und vermittelt auf jeden Fall einen falschen Eindruck.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 23.02.2015 um 08.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#28171

Neulich war in einer "Dokumentation" über Marco Polo im öffentlich-rechtlichen Fernsehen folgendes zu hören (ich paraphrasiere): Das damals "Peking" genannte Bejing ...

Und für diese öffentlich-rechtliche Volksverdummung soll man auch noch Zwangsgebühren zahlen!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.12.2014 um 04.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#27492

Chinesisch ist eine Zeichensprache. (Deutsche Welle: Weltzeit 2/2013) = Die chinesische Schrift ist eine Morphemschrift.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.06.2014 um 12.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#26158

"Ideographie bzw. -grafie (auch: Ideenschrift) (griechisch für „Begriffsschrift“) ist eine Schrift, bei der die Schriftzeichen keine abstrakten Zeichen, sondern stilisierte Bilder sind, die aber nicht für den abgebildeten Gegenstand, sondern für eine damit verbundene Idee/Vorstellung stehen. Beispiele für Ideographische Schriften sind zum Beispiel das Chinesische oder das europäische Zahlensystem. Ein Ideogramm (auch: Begriffszeichen, ideographische Zeichen, Bildzeichen) ist ein Zeichen, welches für ganze Wörter oder Begriffe steht und bildet somit die Grundlage einer ideographischen Schrift." (Wikipedia Ideographie)

Die chinesischen Schriftzeichen stehen nicht für Ideen, sondern für Morpheme (in der Hauptsache für Wörter). Jedes wird in einer bestimmten Weise ausgesprochen, was man von "Ideen" ja wohl nicht sagen kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.12.2013 um 04.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#24608

„Chinese dialects are so different over all that it would have been difficult to introduce a uniform phonetic alphabet for them, but since the words are represented as ideas and not as sounds, all Chinese can understand the same writing.“ (Peter Gärdenfors: How homo became sapiens. Oxford 2010:205)

Der alte Irrtum. Was haben Wörter mit Begriffen zu tun? Begriffe - wenn man überhaupt mit diesem Konstrukt arbeiten will - haben keinen bestimmten Wortlaut, aber die chinesischen Schriftzeichen, die für Morpheme (im allgemeinen = Wörter) stehen, haben in jedem Dialekt genau einen Wortlaut. Im Deutschen kann man ja auch viele Wörter norddeutsch oder süddeutsch lesen, jede Aussprache ist "richtig", oder man denke an die britische und die amerikanische Normalaussprache desselben Wortes.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.04.2013 um 09.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#23052

Die folgende neurosophische Chinoiserie stammt von Manfred Osten:

"Erkennbar werden vor allem die eindeutig größeren Möglichkeiten für die Ausbildung neuronaler Fähigkeiten beim Erlernen der chinesischen Symbolsprache im Vergleich zu neuronalen Anforderungen beim Erlernen alphabetischer Sprachen. Diese größeren Möglichkeiten resultieren im Chinesischen vor allem aus der Notwendigkeit des korrekten Schreibens, des hochentwickelten Lautbewusstseins (für die unterschiedlichen Tonhöhen) und der Fähigkeit der schnellen Worterkennung für die Lesekompetenz. Hinzu kommt, dass die Lesekompetenz verbunden ist mit einem stark ausgeprägten eidetischen Gedächtnis für die chinesischen Schriftzeichen (Ideogramme). Mit der Folge, dass sich mit dem notwendigen sehr frühen Beginn des Erlernens der chinesischen Sprache auch eine frühkindliche Motivations- und Leistungsbereitschaft entwickelt. Ein lebenslanger geistiger Fitnessvorteil, der in China nachhaltig gefördert wird durch den selbstverständlichen hohen Stellenwert der Bildung und die damit verbundene ständige Lernbereitschaft im Sinne des konfuzianischen Wertesystems."

www.kas.de/wf/doc/kas_14100-544-1-30.pdf
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.09.2010 um 16.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#16805

In Elmar Holensteins neuem Buch, "China ist nicht ganz anders" (Zürich 2009, in bewährter Rechtschreibung), handelt der umfangreichste der vier Essays von der chinesischen Schrift. Mein Schildbürger-Büchlein ist ebenfalls ausgewertet. Holenstein ist ein bedeutender Philosoph mit engen Beziehungen zum Fernen Osten, die Lektüre sei also empfohlen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2009 um 18.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#15086

Die Einleitung und den ersten Streich bitte hier sehen und hören:
http://www.reclam.de/special/max_moritz_ch
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.10.2009 um 15.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#15085

Vor ein paar Tagen ist bei Reclam "Max und Moritz auf Chinesisch" erscheinen. Der beigegebene deutsche Text ist in eine undefinierbare Mischorthographie umgesetzt. Der chinesische Text erscheint in Kurzzeichen und Pinyin, sehr nützlich. Aber gleich im Untertitel sind zwei chinesische Zeichen vertauscht. Auf dem hinteren Einband stimmt die Pinyin-Transkription nicht ganz.
Viel habe ich noch nicht gelesen, da ich mit meinen bescheidenen Kenntnissen nur langsam vorankomme, aber es scheint im Chinesischen eine ziemlich virtuose Leistung zu sein. (Der Übersetzer war unter Mao acht Jahre eingesperrt, hat dort Deutsch gelernt, später Rilke, Schopenhauer u.a. übersetzt.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2009 um 15.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#15025

Heute hat Google sein Eingangs-Logo mit dem Bild des Konfuzius verziert und einen von dessen bekanntesten Aussprüchen daruntergesetzt (der auch bei der Olympiade zur Begrüßung gesprochen worden ist). Er lautet: you peng zi yuan fang lai bu yi yue hu – „Wenn ein Freund von weit her kommt, ist das nicht eine Freude?“
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 22.12.2008 um 23.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1082#13638

Ein chinesischer Kollege am MPI für Mikrostrukturphysik in Halle, der um eine Übersetzung "aus erster Hand" gebeten worden war, meinte dazu: "The meaning of this text is straightforward and can be clearly understood by anyone who has a beginner's level of Chinese."
 
 

nach oben


Ihr Kommentar: Sie können diesen Beitrag kommentieren. Füllen Sie dazu die mit * versehenen Felder aus und klicken Sie auf „Kommentar eintragen“.

Sie können in Ihrem Kommentar fett und/oder kursiv schreiben: [b]Kommentar[/b] ergibt Kommentar, [i]Kommentar[/i] ergibt Kommentar. Mit der Eingabetaste („Enter“) erzwingen Sie einen Zeilenumbruch. Ein doppelter Bindestrich (- -) wird in einen Gedankenstrich (–), ein doppeltes Komma (,,) bzw. ein doppelter Akut (´´) werden in typographische Anführungszeichen („ bzw. “) umgewandelt, ferner werden >> bzw. << durch die entsprechenden französischen Anführungszeichen » bzw. « ersetzt.

Bitte beziehen Sie sich nach Möglichkeit auf die Ausgangsmeldung.
Für sonstige Diskussionen steht Ihnen unser Diskussionsforum zur Verfügung.
* Ihr Name:
E-Mail:
(Wenn Sie eine E-Mail-Adresse angeben, wird diese angezeigt, damit andere mit Ihnen Kontakt aufnehmen können.)
* Kommentar:
* Spamschutz:   Hier bitte die Zahl einhundertvierundfünfzig (in Ziffern) eintragen.
 


Zurück zur vorherigen Seite | zur Tagebuchübersicht


© 2004–2018: Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V.

Vorstand: Reinhard Markner, Walter Lachenmann, Jan-Martin Wagner
Mitglieder des Beirats: Herbert E. Brekle, Dieter Borchmeyer, Friedrich Forssman, Theodor Ickler, Michael Klett, Werner von Koppenfels, Hans Krieger, Burkhart Kroeber, Reiner Kunze, Horst H. Munske, Adolf Muschg, Sten Nadolny, Bernd Rüthers, Albert von Schirnding, Christian Stetter.

Webhosting: ALL-INKL.COM