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»Darf man so sagen – oder schreiben?«


Beiträge zum Thema

»Unglückliche Nebensatzkonstruktionen
und wie man sie verbessern könnte«

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Dieser Beitrag wurde am 24.04.2008 um 14.13 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=179#3235


Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 24.04.2008 um 11.37 Uhr

An die Herren Achenbach und Metz:
Herr Metz hat recht. Mir ist der Satzbau verunglückt. Und Herr Metz hat auch mit seiner inhaltlichen Interpretation recht; er hat meinen Kommentar so verstanden, wie ich ihn gemeint habe.
Für die leseunfreundliche Formulierung möchte ich um Entschuldigung bitten.


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 24.04.2008 um 00.32 Uhr

Lieber Herr Metz,

ich habe den fraglichen Satz bei erstem - etwas stutzendem - Lesen natürlich auch im Sinne Ihrer ersten Variante verstanden. Das Weglassen der beiden irreführenden Relativpronomen macht den Satz ja auch viel klarer. Trotzdem bleibt die Frage, ob die "Mitglieder und Wähler" ihr hohes Einkommen der Tatsache verdanken, daß "sie ihren Wertekanon für über alle Kritik erhaben ansehen". Außerdem handelt es sich wohl um das Einkommen der "Mitglieder und Wähler", nicht um das "aller Parteien".

Auf "Die Grünen" können sich die Nebensätze aber keinesfalls beziehen, denn der Hauptsatz macht ja klar, daß damit die Partei, nicht die Mitglieder, gemeint ist. In Ihrer zweiten Variante ist ja zunächst nicht ohne weiteres klar, worauf sich das "ihr" bezieht - auf die Grünen oder die Mitglieder. Wegen des Plurals kann es sich aber nicht auf "die Partei", sondern nur auf die Mitglieder beziehen.

Vielleicht könnte man den Satz folgendermaßen umbauen:

»Die Grünen sind seit Jahr und Tag von allen Parteien diejenige, deren Mitglieder und Wähler über das höchste Einkommen verfügen, Umweltschutz vorrangig als Landschafts- und Heimatpflege betrachten und sich, weil sie ihren Wertekanon für über alle Kritik erhaben ansehen, durch klassische Jugendrebellion zuverlässig beeindrucken lassen.«

Vielleicht könnte man aber das Semikolon einsetzen, um den Satz klarer zu machen:

»Die Grünen sind seit Jahr und Tag von allen Parteien diejenige, deren Mitglieder und Wähler über das höchste Einkommen verfügen; Umweltschutz vorrangig als Landschafts- und Heimatpflege betrachten; und sich durch klassische Jugendrebellion zuverlässig beeindrucken lassen, weil sie ihren Wertekanon für über alle Kritik erhaben ansehen.«

Ich weiß nicht was der Duden dazu sagen würde; besonders gefällt mir diese Variante aber nicht, obwohl sie immerhin den Bezug des letzten Nebensatzes klarstellt.

Man könnte es auch mit einem - an sich regelwidrigen - Komma vor dem "und" versuchen:

»Die Grünen sind seit Jahr und Tag von allen Parteien diejenige, deren Mitglieder und Wähler über das höchste Einkommen verfügen, Umweltschutz vorrangig als Landschafts- und Heimatpflege betrachten, und sich durch klassische Jugendrebellion zuverlässig beeindrucken lassen, weil sie ihren Wertekanon für über alle Kritik erhaben ansehen.«

Damit wäre aber der Bezug des letzten Nebensatzes wohl nicht so ganz klar.


Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 23.04.2008 um 21.06 Uhr

Ich fürchte, Herrn Mahlmann ist die Konstruktion ein wenig verunglückt. Jedenfalls habe ich den von Herrn Achenbach zitierten Nebensatz bei der Lektüre auf die Mitglieder und Wähler der Grünen bezogen:

»Die Grünen sind seit Jahr und Tag die Partei, deren Mitglieder und Wähler über das höchste Einkommen aller Parteien verfügen, Umweltschutz vorrangig als Landschafts- und Heimatpflege betrachten und sich durch klassische Jugendrebellion zuverlässig beeindrucken lassen, weil sie ihren Wertekanon für über alle Kritik erhaben ansehen.«

Alternative Lesart, auf die Grünen bezogen (mit leichter Abwandlung des Schlusses):

»Die Grünen sind seit Jahr und Tag die Partei, deren Mitglieder und Wähler über das höchste Einkommen aller Parteien verfügen. Sie betrachten Umweltschutz vorrangig als Landschafts- und Heimatpflege und lassen sich durch klassische Jugendrebellion zuverlässig beeindrucken. Ihren Wertekanon sehen sie als über alle Kritik erhaben an.«

Was sagt der Autor dazu?


Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 23.04.2008 um 19.44 Uhr

zu Marco Mahlmann (siehe hier):

"Die Grünen sind seit Jahr und Tag die Partei, deren Mitglieder und Wähler über das höchste Einkommen aller Parteien verfügen, die Umweltschutz vorrangig als Landschafts- und Heimatpflege betrachten und die sich durch klassische Jugendrebellion zuverlässig beeindrucken lassen, weil sie ihren Wertekanon für über alle Kritik erhaben ansehen."

Dieser Satz zeigt, daß auch einwandfreie Kommasetzung keine Eindeutigkeit ergibt. Worauf bezieht sich der Nebensatz " die Umweltschutz ..."? Nach längerem Grübeln, meine ich, daß es nur "aller Parteien" sein kann. Ist das so gemeint? Wofür liefert eigentlich der letzte Nebensatz die Begründung?
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA

Dieser Beitrag wurde am 31.08.2013 um 16.40 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=179#10416


dpa-Wortstellung: «New York (dpa) - Suri Cruise[...] ist das einzige gemeinsame Kind des Schauspieler-Paares Holmes und Cruise, das sich im vergangenen Jahr nach knapp sechs Jahren Ehe scheiden lassen hatte. [//] 30.08.2013 23:55» — In Nebensätzen haben wir die finite Verbform vor dem wirklichen und sog. doppelten Infinitiv.
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Reinhard Markner
Berlin

Dieser Beitrag wurde am 31.08.2013 um 22.27 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=179#10417


Also das einzige Kind, das sich hatte scheiden lassen.
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Manfred Riemer
Mannheim

Dieser Beitrag wurde am 01.09.2013 um 21.07 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=179#10418


Abgesehen vom Bezugswort des Relativpronomens: Die Frage, ob die finite Form vor oder nach (oder womöglich sogar zwischen) den beiden infiniten stehen darf oder muß, finde ich sehr interessant. Ich glaube, ganz allgemein kann man das nicht beantworten. Es gibt Fälle, wo mir, wie Herr Ludwig schreibt, die vorangestellte finite Verbform besser erscheint, aber es gibt auch das Gegenteil:
..., daß er wollte schwimmen gehen. (selten, klingt gehoben)
..., daß er schwimmen gehen wollte. (häufiger)
Was ist mit dem "wirklichen Infinitiv" gemeint?
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Horst Ludwig
St. Peter, MN, USA

Dieser Beitrag wurde am 02.09.2013 um 01.47 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=179#10420


Ich hätte "doppelten Infinitiv" in Anführungsstriche setzen sollen. Gelehrt wird also, "daß er nicht wird/hat kommen können". Nur im Futur ist aber "können" der Infinitiv (wie in "wird schreiben"); in den vollendeten Zeiten ist "können" jedoch ein Perfektpartizip, welches zwar die gleiche Form hat wie der Infinitiv, aber wo der Infinitiv eben nichts zu suchen hat ("hat geschrieben/gesucht"). Der "wirkliche oder sog. doppelte Infinitiv" gehört ins Kapitel "Wortstellung in Nebensätzen mit modalen Hilfsverben in zusammengesetzten Zeiten". Da lesen wir dann als Zusatz auch: Er sagte, daß er sie nicht habe kommen lassen/sehen/hören.
Als Vokabel lernt man diese Verben am besten so: können, er kann, er konnte, er hat gekonnt, er hat (Infinitiv [z. B. das nicht wissen]) können. Diese Verben haben also zwei Perfektpartizipien, bei den modalen Hilfsverben ist das ein starkes (ohne "ge-") und ein schwaches; bei "lassen", "sehen" und "hören" hat eins das für Perfektpartizipien normale Präfix "ge-", das zweite aber nicht. Dieses (perfektive) "ge-" ist aber auch anders nicht bei allen Verben zu finden: bestellt, genießen, vergangen. In einigen Fällen sieht das Perfektpartizip sogar auch wie der Infinitiv aus: behauen, genesen, vergessen.

In einem Lehrbuch fand ich zu "sehen" und "hören" in diesem Zusammenhang (Verben mit zwei Perfektpartizipformen) den Zusatz, daß das für eigentlich alle Verben der Erfahrung mit den Sinnen gelte. Aber kein Student hat mich je nach einer Erklärung dieses Hinweises gefragt. Ich habe ihnen also gesagt, sie brauchten sich dazu keine Gedanken machen; ich hätte jedenfalls noch niemanden kommen gerochen und derartiges bei meinem Studium auch nie wenigstens zur Einübung von einem Hauptsatz abhängig machen müssen. (Die wenigsten haben sich allerdings auch zum von mir davor Gesagten Gedanken gemacht, — und das war auch o.k., denn solch Feingearbeitetes selbst zu den modalen Hilfsverben entspricht sowieso nicht der Gewohnheit aller deutschen Muttersprachler, — falls die überhaupt mit sowas mal in zusammengesetzte Zeiten geraten sollten.)
Und "..., daß er schwimmen gehen wollte" ist nicht in einer zusammengesetzten Zeit, gehört also Gott sei Dank nicht hierher. Fast hätte ich gedacht, lieber Herr Riemer, ich hätte fast ein halbes Jahrhundert was Falsches gelehrt. Bei meinem "In Nebensätzen haben wir die finite Verbform vor dem wirklichen und sog. doppelten Infinitiv" hier dachte ich nämlich nur, ich befolgte die Titelanweisung "und wie man sie verbessern könnte". Aber meine Formulierung dazu kam mir doch schon mehr aus dem Ruhestand, wie ich jetzt sehe. Sie haben völlig recht.

Zum Bezugswort und Herrn Markners Hinweis: Wenigstens die Warnung, die ich aus der Schule mit Hilfe des Beispiels "Der Ballon flog über den Kinderwagen mit dem Jungen des Professors, welcher platzte" mitbekommen habe, war hier beachtet worden.
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Wolfram Metz
Den Haag, Niederlande

Dieser Beitrag wurde am 08.03.2016 um 00.16 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=179#11320


»Nun also doch nicht: Der ehemalige New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg wird eigenen Angaben zufolge nicht ins Rennen ums Weiße Haus einsteigen - weil er einen Präsidenten Trump verhindern will.«

spiegel.de, 07.03.2016

Die nachgereichte Begründung »weil er einen Präsidenten Trump verhindern will« ist doppeldeutig. Hat Bloomberg ursprünglich erwogen zu kandidieren, um Trump zu verhindern, und sich nun, aus welchen Gründen auch immer, gegen eine Kandidatur entschieden, oder verzichtet er auf eine Kandidatur, weil er meint, mit einem Verzicht mehr zur Verhinderung Trumps beitragen zu können als mit einer Kandidatur? Der Gedankenstrich spricht eher für die zweite Deutung, aber sicher kann der Leser nicht sein, zumal man in letzter Zeit gehört hatte, daß Bloomberg antreten könnte, um Trump als Präsidenten zu verhindern. Erst die Lektüre des Artikels selbst bringt Klarheit. Ein schönes Beispiel dafür, wie sehr das richtige Verständnis sprachlicher Äußerungen vom Kontext und vom Vorwissen des Lesers abhängt.
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Manfred Riemer
Mannheim

Dieser Beitrag wurde am 08.03.2016 um 18.43 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=179#11323


Ich finde auch, daß durch den Gedankenstrich der Nebensatz stärker als durch ein Komma vom Anfang abgesetzt wird, so daß man gleich den ganzen Teil vor dem Bindestrich als Einheit erkennt:

( Der Bürgermeister wird nicht ins Rennen ums Weiße Haus einsteigen ) -
weil er Trump verhindern will.


und nicht etwa so:

Der Bürgermeister wird nicht
( ins Rennen ums Weiße Haus einsteigen, weil er Trump verhindern will ).


Also vielleicht auch ein gutes Beispiel für Bindestrichsetzung statt Komma.
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